Konflikt in der GWUP
Die Auseinandersetzungen innerhalb der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) haben die „meinungsbildenden“ Medien erreicht (vgl. MIZ 1/23). Nachdem Ende Februar ein ausführlicher Artikel im Skeptical Inquirer erschienen war, der die Grundzüge des Konflikts schilderte, folgte Anfang April ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung. Unter dem Titel Alles „woke“? Wie sich ein Verein für kritisches Denken selbst zerlegt breitet Markus C. Schulte von Drach die Hintergründe der innerverbandlichen Debatten aus.
Obwohl der Autor keine Stellung bezieht, macht der SZ-Artikel die problematischen Positionen vor allem des GWUP-Vorsitzenden Holm Hümmler sehr deutlich. So wird er mit den Worten zitiert, der Gesamteindruck nach außen sei gewesen, dass mit der die Kritik an den Critical Studies die Absage an „Diversität, Inklusion und Rücksichtnahme auf Minderheiten“ verbunden sei. Hier zeigt sich ein rhetorischer Trick, der oft zum Einsatz kommt, wenn es um Kritik an den theoretischen Grundlagen von Identitätspolitik geht: Wer Grundannahmen der Critical Studies oder von Identitätspolitik ablehnt, wer die methodische Vorgehensweise oder die Ergebnisse einzelner Studien kritisiert, sieht sich schnell mit der Unterstellung konfrontiert, die damit angeblich verbundenen Ideen für Minderheiten eine bessere Lebensperspektive zu schaffen, ebenfalls abzulehnen. Eine Begründung, warum das so sein sollte, oder Beispiele, die seine Unterstellung belegen, gibt Hümmler nicht.
In dieselbe Kerbe schlägt seine geäußerte Befürchtung, dass die jüngeren Aktiven die Organisation verlassen werden, „wenn nicht mehr sichergestellt ist, dass die GWUP nicht zum ‘anti-woken’ Propagandaverein verkommt“. Hier prügelt er auf einen formidablen Strohmann ein, denn niemand hat je gefordert, dass die Kritik an Critical Studies zum Hauptthema der GWUP werden solle. Die permanente Wiederholung dieses Vorwurfes dient alleine dazu, die eigenen Reihen in einem hysterischen Hab-Acht-Modus zu halten.
Ein problematisches Wissenschaftsverständnis zeigt sich in Hümmlers Stellungnahme zur Kontroverse um einen Das WOKE-Phänomen – Frontalangriff auf die Werte von Wissenschaft und Aufklärung? betitelten Vortrag von Andreas Edmüller. Der Münchner Autor hatte dabei Pläne der neuseeländischen Regierung, das traditionelle „Wissen der Maori“ (Mātauranga Māori) in den Lehrplan für die Schulen aufzunehmen (und zwar auch in den naturwissenschaftlichen Fächern) und die anschließende gesellschaftliche Debatte darüber vorgestellt. Er sah darin einen Beleg dafür, dass „woke“ Vorstellungen sich wissenschaftsfeindlich auswirken können. Hümmler hatte ihn für diese Einschätzung öffentlich scharf angegriffen. Im SZ-Beitrag gesteht er zu, dass die Sache „natürlich“ innerhalb der GWUP untersucht werden könne, schränkt dann aber ein, man solle dies besser den neuseeländischen Skeptikern überlassen, da sie den Kontext besser verstehen dürften.
Mit der Auffassung, dass nicht die fachliche Qualifikation, sondern die Herkunft jemanden befähige, ein Thema zu bearbeiten, wirft Hümmler den Universalismus über Bord. Dass er damit nicht nur die Abkehr von einem wesentlichen Prinzip der Aufklärung vollzieht, sondern auch Strategien der Kritikimmunisierung befördert, nimmt er offenbar bewusst in Kauf.
„Es gibt wenig Hinweise auf eine ernsthafte Bereitschaft, aufeinander zuzugehen“, lautet das Fazit des SZ-Artikels. Wer die Diskussionen in der internen Mailingliste mitverfolgt hat, wird dem zustimmen. Wie die Sache ausgeht, wird entschieden sein, bevor die MIZ verschickt wird. Am 11. Mai findet eine Mitgliederversammlung mit vorgezogenen Neuwahlen statt.
Der Beitrag im Skeptical Inquirer ist offen zugänglich, der Beitrag in der Süddeutschen Zeitung liegt hinter der Bezahlschranke.
Kritik an Staatsleistungen
Die kritisch-christliche Halbmonatszeitschrift Publik-Forum befasst sich in Ausgabe 8/24 mit den Staatsleistungen. Der evangelische Theologe Hans- Jürgen Benedict wirft den Kirchen vor zu „tricksen, wenn es ums Geld geht“. Konkret geht es um Äußerungen der Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Anne Gidion, die in mehreren Interviews eine „Verteidigungslinie“ gegen die Umsetzung des Verfassungsauftrages, die Staatsleistungen endlich abzulösen, aufgebaut habe. Die bestehe darin, eine sehr hohe Ablösesumme zu fordern und als Begründung darauf zu verweisen, dass anderenfalls die Leistungen, die die Kirchen für die Gesellschaft erbringen, nicht mehr möglich wären.
Dazu führe sie zunächst die kirchlichen Sozialeinrichtungen an (die allerdings meist zu über 90% vom Staat oder den Sozialträgern im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips finanziert werden). Dann erwähne sie, dass die Mittel zur Grundfinanzierung für beispielsweise Flüchtlings- oder Jugendarbeit unentbehrlich seien (was jedoch nur für einige kleine Landeskirchen und Bistümer im Osten Deutschlands zutrifft). Schließlich betont sie, dass die Kirchen in ihren Sozialeinrichtungen in Vorleistung treten müssen (was natürlich für alle sozialen Träger gilt). Dass die Kirchen über 100 Jahre lang Zuwendungen erhalten haben, die längst hätten eingestellt werden müssen, ficht Frau Gidion nicht an: Einen „einseitigen Wertverzicht“ könne die evangelische Kirche nicht leisten.
Für den Publik-Forum-Autor ist das „Falschmünzerei“: „Die Forderung nach einem vollen Wertersatz der abzulösenden Staatsleistungen ist zu hinterfragen, weil es schlicht nicht richtig ist, dass ohne eine hohe Ablösung der Staatsleistungen ‘zahlreiche Angebote der Kirchen fortan nicht mehr finanzierbar’ sind, wie es in einer Arbeitshilfe der EKD zu den Staatsleistungen heißt. Außerdem sollte man von kirchenoffizieller Seite nicht weiter Staatsleistungen und subsidiäre Finanzierung gesetzlich vorgesehener Einrichtungen durcheinanderbringen.“