Kirchentag gekapert
Mit einer subversiven Aktion hat der Verein 40. Deutscher Evangelischer Kirchentag Düsseldorf 2027 e.V. auf die unbegründete Privilegierung der beiden großen Kirchen in Deutschland aufmerksam gemacht. Der Name des Vereins gleicht dem des „offiziellen“ Kirchentagsverein der letzten Jahre, aber gegründet wurde er von Aktivist:innen der säkularen Szene, darunter David Farago vom 11. Gebot („Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!“) und der Vorsitzende der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutsch land Mario Ickert.
Ende Oktober hatten die Piraten ihren Verein beim Amtsgericht Fulda eintragen lassen, das erwartungsgemäß angesichts des Vereinsnamen keine nennenswerte Prüfung vornahm, sondern den Antrag im Eiltempo durchwinkte. Es dauerte Wochen, bis irgendjemand merkte, dass der neue Kirchentagsverein nicht dem Dunstkreis der evangelischen Kirche entsprungen war. Und da die Kirchen keinen Spaß verstehen, wenn es ums Geld geht, fanden die beiden Vereinsvorsitzenden am 24. Dezember ein Schreiben des Amtsgerichts Fulda im Briefkasten, das mitteilte, dass ihr Verein aus dem Vereinsregister gestrichen werden solle. Gefordert hatte dies ein Verein zur Förderung des Deutschen Evangelischen Kirchentags e.V. mit der Begründung, die Mitglieder des Vereins 40. Deutscher Evangelischer Kirchentag Düsseldorf 2027 e.V. planten gar nicht, eine Großveranstaltung in der Tradition der Evangelischen Kirchentage durchzuführen, sondern seien im Gegenteil darum bemüht, diese „aktiv zu stören“.
Natürlich hatten die „Piraten“ die Lacher auf ihrer Seite, als sie Anfang Januar ihren Coup in einer lange geplanten Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorstellten. Dass es aber nicht nur um einen Jux ging, machte das hochkarätig besetzte Podium deutlich: neben Ricarda Hinz, der Vorsitzenden des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes, und dem Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) Michael Schmidt-Salomon saß dort auch die langjährige Bundestagsabgeordnete Ingrid Matthäus-Maier (alle drei hatten als Aufsichtsräte des Vereins fungiert).
So wurde die Gelegenheit genutzt, nocheinmal daran zu erinnern, dass nur 13% der Düsseldorfer Einwohnerschaft evangelisch sind. Und dass die Stadt Düsseldorf ihre in Aussicht gestellte Subvention von 5,4 Millionen Euro auch mit der Behauptung gerechtfertigt hatte, „dass der Evangelische Kirchentag nicht dazu dient, Missionsarbeit zu leisten“, sondern als „Zusammentreffen von Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und auch Menschen, die keiner Glaubensrichtung angehören“ gesehen werden müsse. Dies in die Tat umzusetzen, hätte der „Kaperverein“ vielleicht sogar besser vermocht als der „offizielle“ Kirchentagsverein.
Neben den Hinweisen auf die mangelhafte Trennung von Staat und Kirche in Deutschland gab es auch grundsätzliche Kritik. Mit Blick auf die biblische Erzählung vom Turmbau zu Babel verwies Michael Schmidt-Salomon darauf, dass es für die Lösung globaler Probleme notwendig sei, dass „die Menschheit effektiv zusammenarbeitet, statt weiterhin in konkurrierende Interessengruppen zu zerfallen, die von ihren jeweiligen religiösen, nationalen oder kulturellen Borniertheiten nicht ablassen können“. In der im Erste Buch Mose geschilderte Reaktion Gottes (er sorgt dafür, dass die Menschen keine gemeinsame Sprache mehr sprechen und sich folglich nicht mehr verstehen) sieht der Philosoph „so ziemlich das Gegenteil einer humanistischen Weltethik“. Ein „mit öffentlichen Mitteln unterstützter evangelischer Kirchentag“ wäre eine passende Gelegenheit, weltanschauungsübergreifend darüber ins Gespräch zu kommen, wie es gelingen könne, „Gruppenkonflikte national wie international einzudämmen“.
Am Tag darauf verkündete Mario Ickert: „Wir haben nach Abwägung aller Optionen beschlossen, der Löschung unseres Vereins nicht zu widersprechen. Mit unserem guten Namen kann die Kirche nun Subventionen in Höhe von 13 Millionen Euro abrufen.“ Was die Kirche mit Sicherheit auch tun wird.
Studienwerk ohne Förderung
Der Antrag des humanistischen Bertha von Suttner-Studienwerks (BvS) auf Anerkennung und finanzielle Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist abgelehnt worden. Das BvS hatte im Mai Unterlagen eingereicht und mit Verweis auf die „grundgesetzlich gebotene Gleichbehandlung von nicht-religiösen und religiösen Studierenden und Promovierenden“ finanzielle Zuwendungen gefordert. Obwohl das BMBF für sich in Anspruch nimmt, in seiner Förderpraxis „die verschiedenen weltanschaulichen, religiösen, politischen, wirtschafts- oder gewerkschaftsorientierten Strömungen in Deutschland“ abzubilden, wurde dem Antrag „mangels Bundesinteresse“ nicht stattgegeben.
Dagegen hat das Studienwerk nun Klage erhoben. Die Chancen stehen aufgrund der eklatanten Ungleichbehandlung gut, das Verfahren kann sich allerdings über Jahre hinziehen. Trotzdem will das BvS auf in den kommenden Jahren weitere Stipendien vergeben.
Die 2021 gegründete Einrichtung zur Förderung humanistisch gesinnter Student:innen ist das einzige ihrer Art. Sie wird getragen vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD), der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), der Humanistische Akademie Deutschland (HAD) und der Bundesarbeitsgemeinschaft Humanistischer Studierender (BAG).
Kunstpreis Frecher Mario
Zum siebten Mal hat der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München seinen Kunstpreis Der Freche Mario ausgeschrieben. Ausgezeichnet werden Kunstwerke, die sich – ohne „Schere im Kopf“ – mit Glauben, Esoterik, Weltanschauungen, Religionen und geschlossenen Weltbildern auseinandersetzen. Die Form ist dabei völlig frei: Es können Aktionen, Texte, Musikstücke, Zeichnungen, Cartoons, Skulpturen, Theaterstücke, Kabarettbeiträge oder Kurzfilme sein. Einreichungsschluss ist der 1. Oktober 2025. Die detaillierten Bedingungen finden sich auf der Webseite frechermario.org.