Hanna Poddig, Die Anastasia-Bewegung. Völkisch, esoterisch, antisemitisch, Münster 2025, Unrast-Verlag, 112 Seiten, kartoniert, Euro 9,80, ISBN 978-3-89771-155-6
So wie im Anastasia-Mythos entstehen heilige Bücher. Jemand denkt sich eine mit intersubjektiv nicht überprüfbaren Weisheiten gespickte Geschichte aus und wenn eine kritische Masse von Gläubigen das alles für wahr – oder auch nur für befolgenswert – hält, entwickelt sich ein religiöser Kult.
Wladimir Megre heißt der Autor, auf dessen Ideen sich völkische Ökos berufen, die mit Landsitzgründungen weltweit, besonders aber auch in Ostdeutschland aktiv sind. Einen Hektar pro selbstverständlich traditionell geführter Familie gibt der Meister vor, dazu, was und wie anzubauen ist. Das Ökologische ist dabei aber durchzogen von rassistischen und antisemitischen Ideen, die sich mit esoterischen Themen mischen. Denn Umwelt wird hier spirituell aufgefasst – Natur ist den Anastasia-Anhängern etwas seelisch die Menschen mit ihrer „Heimat“ Verbindendes, das gegen Fremde zu verteidigen ist. Alles Jüdische wird dabei per se als fremd gedacht.
Einen fassbaren organisatorischen Zusammenschluss der Anastasia-Anhänger gibt es nicht, vielmehr tauchen Handlungsanleitungen aus den insgesamt zehn Büchern, die so vielsagende Titel haben wie Das Wissen der Ahnen oder Die Energie des Lebens, immer wieder in unterschiedlichen Zusammenhängen der Esoterik-Szene auf. Was die Romanfigur Anastasia den Gläubigen mitteilt, ist mystisches Geraune auf der Suche nach höherer Wahrheit in kosmischen Gefilden. Viele bekannte okkulte Elemente tauchen auch im Anastasia-Dunstkreis auf: Elementarwesen, metaphysische Mächte, die das Leben der Menschen bestimmen und ein ethischer Manichäismus. Entsprechend werden die Bücher vor allem auf Esoterik-Messen verkauft, auf denen sich auch Megre und seine Übersetzerin immer wieder blicken lassen. Auch im Bildungsbereich sind Anastasia-Anhänger aktiv und versuchten sich schon mehrfach in Schulgründungen. Dabei berufen sie sich – nicht immer offen – auf die ultranationalistische Drill-Pädagogik Michail Schetinins. Es gilt hier alles Wissen als schon in den Kindern angelegt, es müsse nur noch aus ihnen herausgeholt werden. Daraus resultieren völlig absurde Lernversprechen – so sollen die Lehrplan-Inhalte in nur 10% der an staatlichen Schulen üblichen Zeit vermittelt werden können, vorausgesetzt, das „bioenergetische Feld“ zwischen Lehrer und Schüler stimme.
Hanna Poddigs kleines Buch über die Szene ist eine solide antifaschistische Recherche, die dem Konzept der Reihe entsprechend einen ersten kurzen Überblick liefert. Sie führt in die Themen ein und zeigt besonders Akteure auf, die auch in anderen Zusammenhängen der Esoterik- und Alternativmedizin-Branche auftauchen. Es ist allerdings unverständlich, dass Poddig auf übliche Quellenverweise verzichtet. Was möglicherweise dem konzeptionell geforderten Kürze geschuldet ist, erschwert eine weitergehende Auseinandersetzung. Einen Grundstein zur Kritik hat Poddig zumindest gelegt.
