Das Zitat von Rosa Luxemburg „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“ ist in vielen Kontexten bemüht worden – von antifaschistischen Bewegungen bis hin zur sog. Friedlichen Revolution in der DDR. Die Tragweite des Zitates erschließt sich jedoch erst aus den Nachsätzen, die Luxemburg formulierte: „An was aber denken die anderen? Und wie frei denken sie?“
Kritik an Herrschaftsverhältnissen und an Religion(en) sind eng verwandt. Denn die Religionen haben sich historisch betrachtet erst etablieren können, als sie den Schulterschluss mit den herrschenden Eliten eingingen. Dass dieser Personenkreis an der Kontrolle über die Meinungsbildung und – wie heute oft zu hören ist – am öffentlichen Diskurs großes Interesse hat, ist völlig schlüssig und die logische Konsequenz.
Die Frage nach der Meinungsfreiheit und der Freiheit der Kunst ist nach den Anschlägen von Paris zwar unweigerlich aufs Neue aktualisiert worden. Jedoch tritt das Dilemma zwischen Solidaritätsbekundung und den ‘historischen Gedenkmärschen und -feiern’ deutlich zu Tage: Steht doch die Solidarität mit den Opfern, die gemessen an der Brutalität der Massaker völlig berechtig ist, im Widerspruch zu den staatstragenden Gedenkfeiern. Nicht allein weil die religionskritische Satirezeitschrift stets den Herrschaftsanspruch anprangerte, den bei den Ge- denkfeiern sowohl die einzelnen Vertreter_innen der Nationalstaaten als auch die einzelnen Vertreter_innen der Religionsgemeinschaften mit deren bei- der jeweiligen Legitimationsansprüchen repräsentierten.
Charlie Hebdo stand für eine blasphemische und staatskritische Satire, deren libertäre Redaktionsmitglieder sich für die Laizität, Meinungs- und Pressefreiheit einsetzten gegen die grassierende Epidemie der Selbstzensur und gegen die Vorsicht und Feigheit im Dienste der Islamophobie. Mit dieser Ausgabe und mit dem Sonderheft bekennt die MIZ Farbe, indem sie die vielfältigen und notwendigen Verhand- lungsmöglichkeiten und Positionen von politischer Religions- und Ideologiekritik mit den Mittel des Bildes und des Wortes aufzeigt.