Mit dem ersten Eindruck eines Gastes, der mit dem Schiff in den Konstanzer Hafen einfährt, hat die MIZ 1/13 ihr Titelbild aufgemacht: „Imperia“, die mächtige Statue des umstrittenen Bildhauers Lenk, begrüßt provozierend, anstößig und herausfordernd zugleich. Mit ihren Gauklern in beiden Händen, die sich Reichskrone und Papstbedeckung angenommen haben und süffisant locker wie auf Waagschalen thronen, ist die Liebesdienerin der Adeligen weit mehr als eine ironische Erinnerung auf die Zeiten des Konstanzer Konzils, das sich ab 2014 zum 600. Mal jährt.
Weltlichkeit und Natürlichkeit der Herrschenden damals wie heute bringt sie zum Ausdruck – und holt damit insbesondere Papst Martin V. wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, der sich 1414-1418 mit anderen Machtwilligen der katholischen Kirche auseinandersetzen musste. Zum Bild gehört aber auch, dass Pontifex und Kaiser auf gleicher Ebene standen. Eine Mahnung für unsere Zeit: Wenn klerikaler Einfluss den Staat zu lenken beabsichtigt, braucht es nicht nur Spott, sondern vor allem Wachsamkeit und Einstehen für Säkularismus.
Egal, aus welchem Lager sie kamen, der Erotik schienen Ordensleute wie Politiker gleichsam verfallen. Da ging so mancher Todeskampf in der feucht-fröhlichen Abendstimmung nach den harten Gesprächen des Tages unter. Abgeschwächt sind viele Parallelen zu Skandalen der Gegenwart zu erkennen, die die imposante Kurtisanenbraut herstellt. 2013 erleiden Ketzer zwar hierzulande keine Strafe auf dem Scheiterhaufen mehr, doch was damals toleriert und unterstützt wurde, lässt der Staat heute durch Wegsehen geschehen: Kirchen schaffen sich ihre eigenen Rechte und grenzen die aus, die ihr nicht genehm sind.
Viel zu selten blicken Besucher, Einwohner und gerade auch die Organisatoren, die ab kommendem Jahr bis 2018 immense Anstrengungen unternehmen, das Konzil als denkwürdiges und historisches „Event“ zu präsentieren, hinter die Satire, mit der „Imperia“ Wahrheiten aus dem 15. und 21. Jahrhundert versteckt. Das Konzil war eine Abrechnung mit internen und externen Gegnern, insbesondere aber mit „Verrätern“ der Kirche. Jan Hus war nur ein Opfer der brutalen Praxis religiöser Diktatur, die auch die inneren, menschlichen Abgründe der Kirche wie Neid, Missgunst und Herrschsucht zutage führte.
Und so lehrt uns die Einfahrt in den Konstanzer Hafen auch, dass wir vorsichtig sein müssen, wenn heute Landesmittel und EU-Fördergelder für ein Konziljubiläum verschlissen werden, wenn sich stellvertretend eine Stadt viel zu wenig reflektiert mit einer dunklen Geschichte brüstet, wenn Kirchen freier Raum gelassen wird, ihre Vergangenheit zu verklären oder wenn unter dem Vorwand von bedeutenden Feierlichkeiten der Abschied vom Trennungsgebot zwischen Staat und Kirche langsam zementiert wird. Ich hoffe, dass „Imperia“ mit ihrem Blick über die Bodenseemetropole diejenigen ermutigt, die Aufklärung und Konfessionsfreiheit, Humanismus und Religionskritik vertreten – und mindestens während fünf Jahren auch zeigen.
Dennis Riehle