Feiertagsgesetzgebung
Das erste Kapitel widmet sich dem – man lese und staune – „christlichen Feiertagsschutz“. Als wären gesetzliche und arbeitsfreie Feiertage nur so möglich. Die Begründung des EAK bleibt unklar: Seine Kritik an den Grünen richtet sich in erster Linie gegen deren Bestrebungen, einerseits muslimische gesetzliche Feiertage einzuführen und andererseits das bestehende Feiertagsgesetz zu lockern. Tatsächlich gelten in allen Bundesländern gerade am christlichen Karfreitag Verbote für öffentliche Veranstaltungen. Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg verbieten per Gesetz sogar private, geschlossene Gesellschaften außerhalb der eigenen Wohnung. Auch ist in Zeiten der Hauptgottesdienste die Versammlungsfreiheit für Nichtkirchgänger eingeschränkt; bereits Ende des 19. Jahrhunderts prangerte der engagierte Religions- und Kirchenkritiker Albert Dulk dies als „polizeiliche Schikane“ an.2 Der EAK aber tut so, als sei die Bevormundung Andersdenkender nötig, um Christen überhaupt das Begehen des Feiertages zu ermöglichen.
Christliche Symbole
Es folgt ein Plädoyer für christliche Symbole im öffentlichen Raum. Grundlage der Betrachtung sollte das Kruzifix-Urteil3 des Bundesverfassungsgerichtes sein: „Das Kreuz ist Symbol einer bestimmten religiösen Überzeugung und nicht etwa nur Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur.“ Und weiter: „Für den Nichtchristen oder den Atheisten wird das Kreuz gerade wegen der Bedeutung, die ihm das Christentum beilegt und die es in der Geschichte gehabt hat, zum sinnbildlichen Ausdruck bestimmter Glaubensüberzeugungen und zum Symbol ihrer missionarischen Ausbreitung. Es wäre eine dem Selbstverständnis des Christentums und der christlichen Kirchen zuwiderlaufende Profanisierung des Kreuzes, wenn man es […] als bloßen Ausdruck abendländischer Tradition oder als kultisches Zeichen ohne spezifischen Glaubensbezug ansehen wollte.“ Das scheint der EAK aber nicht anzuerkennen, denn: Kreuze seien „nicht nur Ausdruck der speziellen christlichen Glaubenshoffnung, sondern auch Teil unserer historisch gewachsenen, gesamtkulturellen europäischen und deutschen Identität …“, und: „Ganz offensichtlich deuten die Grünen die Kreuze jedoch rein religiös, als Symbol des Christentums“, weiter: „Wer schon gegenüber einem bloßen Kreuz an der Wand eines Gebäudes oder eines Saales ... nicht die geringste Toleranz aufbringt, der offenbart, wes Geistes Kind er in Wirklichkeit ist.“
Eher macht der EAK deutlich, wes Geistes Kind er ist: Durch Bezug auf eine angebliche Bevölkerungsmehrheit („…in einem Land wie Deutschland, in dem nach wie vor die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger entweder selbst einer der Kirchen angehört oder sich zumindest zu den christlichen Werten bekennt...“) möchte er das gegen die Religionen erkämpfte Grundrecht der Religionsfreiheit – eine der wichtigsten Errungenschaften der Moderne – zur Verhandlungsmasse machen. Grundrechte sind keineswegs verhandelbar, sondern schützen das Individuum vor staatlichem Eingriff – auch vor Konfrontation mit religiösen Symbolen.
Religionsunterricht
Das längste Kapitel widmet sich dem bekenntnisorientierten Religionsunterricht nach Art 7 (3) des Grundgesetzes. Dort heißt es: „Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach.“ Die Kritik des EAK an den Grünen richtet sich gegen deren Unterstützung der Einführung eines bekenntnisorientierten islamischen RU einerseits und andererseits deren Bestrebungen im Koalitionsvertrag mit der SPD in Schleswig-Holstein 2012, den bekenntnisgebundenen Religionsunterricht zu einem konfessionsübergreifenden umwandeln zu wollen, oder das niedersächsische Landtagswahlprogramm 2013, wo ein Pflichtfach „Religionen und Weltanschauungen“ gefordert wurde.
Hieran und anhand grüner Äußerungen aus dem Jahr 2009 zum Volksbegehren „ProReli“ in Berlin versucht der EAK nun zu belegen, dass die Grünen den Religionsunterricht aushöhlen und abschaffen wollen. Auch leitet der EAK anhand des oben zitierten Art 7 (3) GG eine Gleichberechtigung des RU innerhalb des schulischen Fächerkanons ab. Doch das ist nicht gegeben: Art 7 (2) GG4 macht den Religionsunterricht zu einem fakultativen Fach und das Bundesverwaltungsgericht urteilte 1998 sinngemäß: „Wer an einem zusätzlichen, freiwilligen Fach teilnimmt, soll auch den daraus resultierenden Mehraufwand tragen.“5
Im Falle von „ProReli“ in Berlin ignoriert der EAK neben den beiden oben genannten Normen zusätzlich die „Bremer Klausel“,6 wenn er klagt: „Der Berliner Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen … votiert 2009 offensiv gegen das Volksbegehren ‘ProReli’ und verhindert somit die längst überfällige Einführung des ordentlichen konfessionellen Religionsunterrichtes gem. Art. 7 Abs. 3 GG.“
Tatsächlich ist es ein Privileg der Religionsgemeinschaften, in Form des Bekenntnisunterrichtes in den staatlichen Bereich – also die Schule – hineinzuwirken. Und Privilegien sind verhandelbar.
Kirchensteuer
Im vierten Kapitel geht es um die Kirchensteuer. Der EAK verurteilt den bei den Grünen diskutierten Vorschlag einer am italienischen Vorbild orientierten „Kulturabgabe“ anstelle der Kirchensteuer. Dort zieht der Staat von allen Bürgern Geld ein, Nichtkirchenmitglieder können entscheiden, für welchen sozialen Zweck ihr Obolus verwendet wird. Natürlich spricht sich der EAK für eine Fortführung der „bewährten finanziellen und ökonomischen Unabhängigkeit der Kirchen vom Staat“ aus, und droht, die Einführung des Modells der Kultursteuer würde „die beiden großen Kirchen in massive finanzielle Schwierigkeiten bringen, die nicht zuletzt mit einem Rückzug der Kirchen aus vielen für unser Gemeinwesen unverzichtbaren gesellschaftlichen Handlungsfeldern einhergehen würden“.
Die Drohung geht ins Leere: maximal zehn Prozent der eingenommenen Kirchensteuer wird für soziale Zwecke aufgewendet. Schon das vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) mitgetragene Kirchenaustrittsjahr 2011 machte deutlich: Wenn jemand aus der Kirche austritt und nur die Hälfte des gesparten Geldes direkt an soziale Einrichtungen spendet, so kommt dort mehr an, als über die Kirchensteuer. Auch verzichtet der Staat durch die Absetzbarkeit der Kirchensteuer auf eigene Steuereinnahmen: im Jahr 2009 waren dies laut Carsten Frerks Violettbuch Kirchenfinanzen etwa drei Milliarden Euro.
Bewährte Partnerschaft von Kirche und Staat
Schließlich geht es um zwei gesellschaftlich kontrovers diskutierte Punkte: Die Forderung nach gleichen Rechten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer außerhalb des Verkündigungsbereiches in kirchlichen Einrichtungen7 und die längst überfällige Umsetzung des Verfassungsauftrages aus Art 140 GG, die Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften abzulösen.8 Ersteres tut der EAK ab: Es werde „in ganz grundsätzlicher und juristisch abwegiger Weise zum Sturm gegen das eigenständige kirchliche Arbeitsrecht geblasen, obwohl dieses unmittelbarer Ausfluss der gültigen Selbstbestimmungsrechte einer Religionsgemeinschaft ist, die als ‘Körperschaft des öffentlichen Rechtes’ anerkannt ist.“ Das kirchliche Sonderarbeitsrecht und auch die Kampagne GerDiA wurden im Schwerpunkt der MIZ 1/12 besprochen, dem ich hier nichts hinzufügen will.
Die Staatsleistungen an die Kirchen sieht der EAK als „jährliche Ausgleichszahlungen für die unrechtmäßige Enteignung und Überführung des ehemaligen Kirchenbesitzes in Staatseigentum (Säkularisierung). Auch diese Behauptung ist kontrovers diskutiert,9 so legte die Humanistische Union im Jahr 2011 einen Gesetzentwurf zur ersatzlosen Aussetzung der Staatsleistungen vor.
Zur Vertiefung sei geneigten Lesern das „Informationsportal Staatsleistungen“10 empfohlen.
Fazit
Ich finde es gut und wichtig, das Anliegen der Säkularisierung des Staates durch die Diskussion in den Parteien, durch säkulare und laizistische Arbeitskreise, sowie durch Aufnahme in Wahlprogramme auf einer immer breiteren Basis zu sehen. Es erstaunt nicht, wie massiv der Evangelische Arbeitskreis – auch unter Verwendung von Halb- und Unwahrheiten – dieses Anliegen zu diffamieren sucht. Aber es gibt auch Kritik an den Parteien: Gewiss ist es wünschenswert, den Einzug der Kirchenmitgliedschaftssteuer in die Kirchen zurück zu verlagern, doch der Vorschlag einer Kultursteuer scheint mir so, als müssten alle, die nicht Mitglied eines Karnickelzüchtervereins sind, einen gleichen Beitrag an einen anderen Verein abführen.
Anmerkungen
1 http://www.medrum.de/files/6_5_2013-11_06_21-eak_wahlbroschuere_gruene_und_kirche.pdf.
2 Vgl. Albert Dulk: Nieder mit den Atheisten!, hrsg. Heiner Jestrabek, IBDK Verlag 1995.
3 1 BvR 1087/91.
4 Art 7 (2) GG – Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.
5 BVerwG 6 C 11.97.
6 Art. 141 GG – „Artikel 7 Abs. 3 findet keine Anwendung in einem Lande, in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand.“
7 http://www.gruene.de/fileadmin/user_
upload/Dokumente/Gruenes-Bundestagswahlprogramm-2013.pdf, S. 93.
8 Ebenda, S. 84.
9 Siehe „Faktisch abgegolten und abgelöst“,
in: MIZ 2/11, S. 29-31.
10 www.staatsleistungen.de.