Teutates lässt uns den Himmel auf den Kopf fallen. So hätten wohl gallische Zeitgenossen von Asterix & Obelix den Dauerregen beschrieben, der Frankreich ebenso wie große Teile Deutschlands vor einigen Wochen überschüttete. Kein Wunder, denn Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen galten in früheren Zeiten stets als Strafe Gottes. Genauer: als Strafe des jeweils zuständigen Gottes, der freilich je nach Religion variierte.
Heute ist man natürlich wesentlich aufgeklärter. Sogar in religiösen Kreisen. Als die Überschwemmungen den Wallfahrtsort Lourdes am Fuß der Pyrenäen trafen und die berühmte Mariengrotte mit Schlamm und Geröll füllten, war den Gläubigen sofort klar: hieran ist nicht Gott Schuld, sondern die Natur und der Mensch mit seinem Klimawandel.
Eine höchst erstaunliche Form des Denkens, die man unter religiösen Menschen recht häufig findet: Wenn mein Hautausschlag verschwindet, nachdem ich in Lourdes war, ist es ein göttliches Wunder und keine Folge des südfranzösischen Klimas oder einer psychisch ausgelösten Selbstheilung. Wenn Lourdes überschwemmt wird, hat Gott damit selbstverständlich nichts zu tun. Dabei drängt sich dem unvoreingenommenen Geist doch geradezu die Frage auf, warum der göttliche Hautauschlagheiler – so es ihn denn gibt – in seiner Allmacht die Überschwemmungen ausgerechnet in seinem eigenen Wallfahrtsort zugelassen hat. Und das nicht zum ersten Mal.
Es ist wohl eines der vielen Geheimnisse des Glaubens, die sich einem Nicht-Gläubigen ewig verschließen werden. Ebenso wie die vermeintlich heilsame Wirkung des gepriesenen Lourdeswassers. Das Wasser ist geradezu ein Exportschlager des Wallfahrtsorts. Und das nicht erst, seitdem die Einheimischen versuchen, die Reste der Überschwemmung los zu werden.
Ich gestehe, sogar ich beherberge unter meinem Dach eine Flasche Lourdeswasser. Nein, nein, keine Sorge, ich bin nicht zum religiösen Ufer gewechselt. Ein Freund hat sie mir vom Flohmarkt mitgebracht – als Objekt für mein Skurrilitäten-Kabinett. Und so steht sie nun da im Atheisten-Regal, eine kleine, ehemals mit Sekt gefüllte Piccolo-Flasche der Dürrenzimmern-Stockheim eG, beklebt mit einem schlichten Aufkleber für Einmachgläser und versehen mit dem nicht ganz fehlerfreien Schriftzug „Lurdeswasser“.
Schon oft habe ich mich gefragt, ob der unbekannte Wallfahrer den Schampus vor der Neufüllung in Lourdes selbst weggenagelt hat. Und vor allem: Wie viele Flaschen mit ursprünglich alkoholischem Inhalt mag er noch mit sich geführt haben? Ob die Promillegrenze für religiöse Visionen gereicht hat? Es wird wohl für immer ein Mysterium bleiben. Eines von vielen, wenn es um Lourdes geht.