Hasenfest 2013
Unter dem Motto „Ich lass Dich beten – lass Du mich tanzen“ fanden am Gründonnerstag und am Osterwochenende in zwölf deutschen Städten sowie in Luxemburg öffentlichkeitswirksame Kirchenaustrittsaktionen statt. Das Medienecho zum Hasenfest war 2013 so groß wie nie zuvor: Selbst das ZDF (Heute Nacht), RTL, SAT1 und sogar das Wall Street Journal berichteten über die Aktionen.
In den meisten Bundesländern sind durch die Feiertagsgesetzgebung öffent liche Tanz-, Sport- und Vergnügungsveranstaltungen an so genannten „stillen Feiertagen“ verboten. Die Aktionen des Hasenfestes wenden sich gegen eine Ausweitung religiöser Vorstellungen auf die gesamte Gesellschaft, die in Deutschland immerhin mittlerweile zu rund 38 % aus Nichtchristen besteht.
Vielfach wurde darüber hinaus über weitere Themen wie kirchliches Arbeitsrecht, Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen sowie das finanzielle Engagement der Kirche im sozialen Bereich informiert. Ein Überblick:
In Augsburg sind neun Personen aus der Kirche ausgetreten. Die Aktiven von gbs und bfg Augsburg wurden durch Mitglieder der Linken und der Piraten unterstützt.
In Bochum hat sich die Initiative Religionsfrei im Revier am Karfreitag unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual“ mit dem Film Das Leben des Brian gegen die tristen Bestimmungen des Feiertagsgesetzes NRW gewehrt.
In Dresden wurden die Austrittswilligen von der lokalen gbs-Gruppe und einem weißen Hasen begleitet. Am Abend fand im Dresdner Bärenzwinger das Konzert „Tanz Dich frei“ statt, an dem übrigens auch Christen teilnahmen.
In Frankfurt waren an der Aktion neben IBKA und gbs Rhein-Main auch die laizistischen Sozis, die Kirche des fliegenden Spaghettimonsters und Die Partei beteiligt. Sieben Konfessionsbefreite erhielten vom lebensgroßen rosa Hasen ein Survival Pack mit Materialen für ein Leben nach dem Kirchenaustritt.
Der IBKA-Landesverband Niedersachsen/Bremen war in Hannover mit einem gut besuchten Infostand präsent.
Evolutionäre Humanisten und Junge
Piraten warben in Freiburg für einen
Kirchenaustritt und informierten die
Öffentlichkeit über kirchliche Privilegien.
In Kaiserslautern hat die erst seit wenigen Monaten bestehende gbs Kai serslautern/Westpfalz am Gründonnerstag sechs Austrittswillige auf dem Weg in die religiöse Freiheit begleitet.
Zum sechsten Mal lud der IBKA NRW in Köln zur „Religionsfreien Zone“ ins Kölner Filmhaus ein. Die Aufführung der beiden Filme Agora – Die Säulen des Himmels und Das weiße Band waren sehr gut besucht.
Die Allianz von Humanisten, Athe isten und Agnostikern (AHA) Luxemburg veranstaltete am Karfreitag ein Konzert mit DJ Starsky und ein Preisausschreiben für den besten kirchenkritischen Slogan.
Die gbs in Mainz trat mit etwa 20 Mitgliedern und einem rosa Hasen an und begleitete vier Austrittswillige erfolgreich in ein Leben ohne Kirche. An deren Kirchenaustritt konnte auch die Gegendemo der Jungen Union Mainz (wogegen eigentlich?) nichts mehr ändern.
Die gbs München informierte vor
dem Standesamt an ihrem Stand über
die Problematik der Feiertagsgesetzgebung. Einer der Besucher war ein Jugendpfarrer, der sich allerdings nicht zu einem Kirchenaustritt bewegen ließ.
Klarer Sieger im Austrittsranking ist die gbs-Saar in Saarbrücken. Gleich 14 Austrittswillige konnten beim Gang zum Saarbrücker Standesamt begleitet werden.
In Trier wurden vier Kirchenaustritte verzeichnet. Nach einem Besuch im Trierer Standesamt wurde gemeinsam – mit orangenen Hasenohren auf dem Kopf – auf die neu erworbene Konfessionsfreiheit angestoßen.
In der Höhle des Löwen
Interreligiöse Dialoge gibt es gefühlt wie Sand am Meer. Umso erfreulicher, wenn bei einer Diskussion zum Thema positive und negative Religionsfreiheit auch eine Organisation wie der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) eingeladen wird. Beim Studientag der Evangelischen Akademie Frankfurt mit dem Titel „Religion ist (k)eine Privatsache“ hatte Gabriele Förster als stellvertretende Sprecherin des IBKA- Landesverbands Hessen Gelegenheit, die atheistische Perspektive zu vertreten. Neben ihr auf dem Podium saßen der ZDF-Journalist und Muslim Abdul-Ahmad Rashid (Forum am Freitag), die Geschäftsführerin des Rates der Religionen in Frankfurt, Ilona Klemens, sowie der Islamwissenschaftler und Jurist Mathias Rohe.
Mit einem Impulsreferat zu den rechtlichen Hintergründen der Religionsfreiheit eröffnet Mathias Rohe die dreistündige Veranstaltung. Im Anschluss daran hatten Publikum und Podiumsteilnehmer Gelegenheit, sich in Kleingruppen zu einzelnen Aspekten der Religionsfreiheit auszutauschen. Dabei ging es um Fragen wie „Wird ohne Religion alles besser?“ oder „Laizismus statt Säkularismus“? Die abschließende, etwa einstündige Podiumsdiskussion bot dann dem sachkundigen und interessierten Publikum Gelegenheit, die Fragestellungen weiter zu vertiefen.
Mit ihrer dezidiert laizistischen Position war Gabriele Förster zwar allein auf weiter Flur, aber dafür umso gefragter. Die Schilderung von Atheisten, die sich aufgrund von Diskriminierungen nicht trauen, ihre verfassungsmäßigen Rechte geltend zu machen, sorgte beim Publikum sichtlich für Betroffenheit. Bei der Kritik an kirchlichen Privilegien hingegen waren die Reaktionen eher gemischt. Dass beim Thema Arbeitsrecht Änderungen nötig sind, darüber herrschte schnell Einigkeit. Bei anderen Punkten wie der mangelnden Trennung von Staat und Kirche in Sachen Kirchensteuer oder beim Subsidiaritätsprinzip, das den Kirchen Einfluss auf Einrichtungen ermöglicht, obwohl diese mit öffentlichen Geldern finanziert werden, regte sich mehr Widerspruch – gerade der Begriff „Privilegien“ schien besonders von den evangelischen Amtsträgern im Publikum nicht gern gehört zu werden.
Am Ende der lebhaften Diskussion waren sich alle zumindest dahingehend einig, dass ein positives Miteinander unterschiedlicher Weltanschauungen nur möglich ist, wenn alle Gruppen bereit sind, ihren Standpunkt zu relativieren und eigene Überzeugungen in Frage zu stellen. Sicherlich eine gute Basis, um diesen Dialog auch in Zukunft weiterzuführen – und ein Beispiel dafür, dass ein Besuch in der Löwenhöhle durchaus ein positives Erlebnis sein kann.
Humanistische Union
Der Ortsverband Frankfurt der Humanistischen Union (HU) war eine der aktivsten Gliederungen der HU. Die Veranstaltungen deckten eine große Breite ab: von der Kritik am Verfassungsschutz über das „bedingungslose Grundeinkommen“ bis zu einer profunden Kir chen- und Religionskritik. 2006 gewann der damalige Ortsvorsitzende Peter Menne die Frankfurter Rundschau für eine gemeinsame Reihe „Leitkultur Menschenrechte“. Ob ähnliche Aktivitäten in Zukunft zu verzeichnen sein werden, ist äußerst fraglich, denn Ende Februar sind mehrere Frankfurter Aktive, darunter drei Vorstandsmitglieder, aus der HU ausgetreten.
Vorangegangen waren Querelen mit
Bundesvorstand und -geschäftsführer.
Dabei stand der religionskritische Kurs des Frankfurter Ortsverbands im
Mittelpunkt, wobei sich die Auseinan
dersetzung nicht auf eine sachliche
Erörterung der Meinungsverschiedenheiten beschränkte. Auf einer Mailinglisten bezeichnete ein ehemaliger Bundesvorstand die laizistisch
ausgerichteten Frankfurter als „Säkularismusstalinisten“ und „Atheismustalibans“. Der aktuelle Bundesvorstand äußerte sich selbst dann nicht dazu, als Peter Menne als „nicht satisfaktionsfähig“ eingestuft wurde.
Der Frankfurter Ortsverband beklagt zudem „bürokratische Schikanen“ durch Geschäftsführer Sven Lüders. So sei ein vom Vorstand bewilligter Zuschuß erst um Monate verspätet ausgezahlt worden. „Das veränderte Klima und die inhaltliche Kehrtwende des Bundesvorstands bezüglich Religion hängen eng zusammen“, so Peter Menne. „Als Papst Ratzinger am Rosenmontag zurücktrat, bat RTL mich um eine kritische Stellungnahme. RTL sendete nur die zwei Sätze, dass der Papst eine mittelalterliche Moral vertritt und dass der Rücktritt einer Person nichts an der Organisation ‘Kirche’ ändert. Als ich einen Mitschnitt für die Webseite erbat, schritt der Bundesvorstand ein: das sei aber nicht die Position der HU.“
Die Zeiten, in denen die Humanistische Union auf der Frankfurter Zeil Kirchenaustrittsberatung anbot, scheinen vorbei. Langjährige HU-Mitglieder sehen den religionspolitischen Wechsel im Zusammenhang mit der Fusion mit der Gustav-Heinemann-Initiative im Jahre 2009. Ein Delegierter hatte damals vor einer „Übernahme durch Anschleichen“ gewarnt.
Der Zusammenhang zwischen Religion und Menschen- oder Bürgerrechtsverletzungen ist seitdem aus dem Blickfeld geraten. Auch die Stellungnahme des Bundesvorstands in der Beschneidungsdebatte empfand eine Reihe von Mitgliedern als zu einseitig: das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit müsse gerade für Kinder gelten, meinten viele, die der HU daraufhin den Rücken kehrten.
Auch Peter Menne engagiert sich inzwischen in anderen säkularen Organisationen.