Staat und Kirche | Veröffentlicht in MIZ 2/13 | Geschrieben von Armin Schreiner

Brian blamiert Bochum

Ein Fortsetzungsroman

Kleinlaut nach dem gewaltigen Medienecho teilte die Stadt Bochum am 17. Juli 2013 mit, dass das Bußgeldverfahren gegen die Initiative Religionsfrei im Revier eingestellt wird, jedoch „ohne den Schuldvorwurf zurückzunehmen“, wie der Kulturdezernent der Stadt Michael Townsend betonte.

Was war überhaupt passiert? Ein Film wurde gezeigt. Irgendein Film? Nein, es handelte sich um den in (kirchen-)nah und fern beliebten Klassiker Das Leben des Brian der britischen Komiker Monty Python. Und welcher Film würde wohl besser zu einem verregneten Karfreitag im Ruhrgebiet passen? Denkste! Nur weil derlei Kurzweil in Köln schon seit Jahren gang und gäbe ist (und keine städtische Otternase hinter dem Ofen hervorlockt), heißt das nicht, dass kein Hahn in Bochum dreimal danach kräht.

Bekanntermaßen verbietet das Feiertagsgesetz Nordrhein-Westfalens am Karfreitag das Vorführen von Filmen, die nicht eigens zu diesem Zweck vom Kultusministerium freigegeben wurden. Überhaupt darf an den sogenannten stillen Feiertagen (Karfreitag, Totensonntag, Volkstrauertag und Allerheiligen) nichts unternommen werden, was irgendwie vergnüglich ist. Diskos müssen geschlossen bleiben, sogar Sportveranstaltungen sind
strengstens untersagt. Aus Sicht von Religionsfrei im Revier ist dies mindestens so antiquiert wie die Kreuzigung selbst, also schlichtweg ein Unding! Auch wenn es akzeptabel ist, dass Christen am Karfreitag der Ermordung ihres Religionsstifters gedenken, so darf niemand sonst aus diesem Grund zu depressivem Verhalten genötigt werden. Ideal wäre somit die Abschaffung der entsprechenden „Gängelungs­paragraphen“, speziell dann, wenn sie von übereifrigen Beamten tatsächlich ernst genommen werden.

Grundsätzlich kann am Beispiel des Feiertagsgesetzes deutlich gemacht werden, dass unsere Gesellschaft noch immer von christlicher Bevormundung geprägt ist. Auch wenn das Feiertags­gesetz verglichen mit den arbeitsrechtlichen Sonderstellungen von Sozial­einrichtungen in kirchlicher Trä­ger­schaft keine große Beeinträchtigung im Leben der Menschen darstellen mag, so eignet es sich gut, um die Forderung nach Trennung von Staat und Kirche zu untermauern.

„Lasst Brian frei“, und zwar am Karfreitag 2013 im Sozialen Zentrum in Bochum, wurde letztlich zum Kampfruf der Vernunft und zur Nagelprobe für Bochums Bürokratie. Aber schön der Reihe nach... und jeder nur ein Kreuz:
Bereits im Vorfeld hatte sich Reli­gionsfrei im Revier an die Stadt Bochum, die Bezirks- und die Landesregierung gewandt und von der Absicht berichtet, Das Leben des Brian am Karfreitag nicht-kommerziell vorführen zu wollen. Die Behörden beriefen sich zunächst auf die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), die sich aber für nicht zuständig erklärte. Schließlich mussten sie Farbe bekennen und den Gesetzesverstoß als solchen bezeichnen und die Aktion somit verbieten.

Religionsfrei im Revier gelang es, ihre Provokation bzw. die Ankündigung, den Film dennoch zu zeigen, in mehreren, zum Teil auch überregionalen Zeitungen unterzubringen, und sogar der Sender RTL zeigte Interesse an einer Fernsehübertragung der Aktion.

Die Vorführung selbst, begleitet von einem kulinarischen Erguss des fliegenden Spaghetti-Monsters, an dem selbst außerirdische Kurzbesucher ihre Freude gehabt hätten, verlief vergleichsweise ruhig. Zunächst schien es so, als würde die Stadt Bochum nicht auf die Provokation reagieren, doch dann flog tatsächlich der erste Stein...

Eine Fachkraft des federführenden Umwelt- und Grünflächenamtes Bochum fühlte sich über alle Maßen provoziert und schrieb offenbar umgehend eine Anzeige (Bußgeldvorschlag 2000 Euro), die das Rechtsamt der Stadt erst nach zwei Monaten Bedenkzeit weitergab. Im vom Rechtsamt verschickten Anhörungsbogen wurden allerdings nur noch bis zu 1000 Euro Bußgeld angedroht.

Doch das reichte aus für eine Sintflut der Entrüstung. Neben ungekannter medialer Aufmerksamkeit (u.a. in Süddeutscher Zeitung, Bild, taz, Focus; RTL sendete nun einen Fernsehbeitrag) erhielt Religionsfrei im Revier per Post und im Internet Sympathiebezeugungen aus der gesamten Republik. Die unterschiedlichsten Lager, sonst so spinnefeind wie die Judäische Volksfront und die Volksfront von Judäa, stimmten über
ein in ihrem Wunsch, die unbequeme Initiative zu unterstützen. Dies bezieht sich nicht nur auf die Politik (Die Grünen, Linken und Piraten nahmen sich des Themas genauso an wie die FDP), sondern auch auf Christen (Zitat: „Denn ich glaube, mein Gott findet diese Ungerechtigkeit schlichtweg Scheiße!“) und Atheisten.

Dankenswerterweise erklärte der In­ternationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), dass der Fall von seinem Rechtshilfefonds betreut werden soll. Mit Unterstützung des IBKA läuft zur Zeit bereits eine Klage gegen das bayerische Feiertagsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht, über die voraussichtlich im Herbst 2013 entschieden wird. Leider wird es nun vorerst nichts mit dem dornigen Weg vor’s Bundesverfassungsgericht, alldieweil die Stadt Bochum die Entscheidung traf, das Bußgeldverfahren letztendlich einzustellen.

Lächerlich gemacht hat sich die Stadt in jedem Fall, wobei das i-Tüpfelchen die Ankündigung des Kulturdezernenten Townsend ist, bei einem erneuten Verstoß gegen das Feiertagsgesetz „durchzugreifen“. Bis die Stadt lernt, dass sie politisch handeln und sich etwa an die Kommunalaufsicht wenden könnte, um selbst gegen die unzeitgemäße Regelung vorzugehen, nimmt Religionsfrei im Revier die Herausforderung (oder war es ein Versprechen?) gerne an und bleibt mitsamt der breiten Front der Unterstützer dem Motto treu: „Always look on the bright side of life!“

Fortsetzung folgt, ab Karfreitag 2014 in vielen Städten in NRW...