Viele Jahre veranstaltete die Humanistische Union (HU) Frankfurt zur Buchmesse eine Lesung im Club Voltaire. Dieses Jahr fehlte das orangefarbene Transparent. Über die Hintergründe sprach MIZ mit Peter Menne.
MIZ: Du hast heute die Ghosthunting-Lesung für die gbs Rhein-Main moderiert. Was hat Dich dazu bewogen, nach 22 Jahren die HU zu verlassen?
Peter Menne: Die religiöse Wende der HU wollten wir nicht mittragen. Darauf wurden wir als „Säku larisationsstalinisten“ beschimpft. Der Bundesvorstand stört sich nicht an solchen Ausfällen und der Geschäftsführer mobbt die Aktiven weg.
Die Frankfurter HU hat 1972 Kirchenaustrittsberatung angeboten. HU-Gründer Gerhard Szczesny warnte im Gründungsaufruf vor „unserer Entmündigung und Gleichschaltung diesmal im Namen der christlichen Heilslehre“. Jetzt belehrte uns Geschäftsführer Sven Lüders, die „Förderung religiöser Betätigung“ sei Satzungszweck der HU. Weltanschauliche, künst lerische etc. Freiheit hat er aber unterschlagen und auch auf Nachfrage fielen ihm diese Kernbereiche der alten HU nicht ein! Ob Religion damals nur wegen steuerlicher Gemeinnützigkeit aufgenommen wurde, kann ich nicht beurteilen.
MIZ: Wann hat die HU sich verändert?
Menne: Spätestens seit der Fusion mit der religiös ge prägten Gustav-Heinemann-Initiative: Da rückten eine Synodale und ein Ossi zusammen. Ein Ossi, von dem ich nicht weiß, ob er den Antikommunismus der Kirchen mit Freiheitsliebe verwechselt. Orwellsches Zwiesprech beherrscht Lüders jedenfalls perfekt. Wenn wir uns gegen Salafisten wie Pierre Vogel stellen, bezichtigt er uns einer „aggressiven Religionskritik“. Wenn Lüders aber läppische 30 Euro haben will, nennt er die Giordano-Bruno-Stiftung eine gleichgesinnte Organisation – bis die seine Bettelbriefe ignoriert.
MIZ: Was hat das mit der Synodalen zu tun?
Menne: Mit der Fusion rückte Jutta Roitsch-Wittkowsky in den Bundesvorstand und übernahm das Ressort „Soziales“. Aktivitäten habe ich von der hessischen Synodalin keine mitbekommen. Aber als wir eine Kontroverse zum „bedingungslosen Grundeinkommen“ planten, wollte sie das verhindern.
Vom kritischen Gedankengut der HU-Gründer ist nicht viel übriggeblieben: das Haupt des Arbeitskreises „Staat / Kirche“ war stolz auf „Berliner Gespräche“, bei denen konservativen Kirchenrechtlern „kritische Fragen“ gestellt wurden. Als ich bei Papst Ratzingers Rücktritt in den RTL-Hauptnachrichten dessen mittelalterliche Moral kritisierte, protestierte jenes Haupt: Das sei nicht die Meinung des Bundesvorstandes!
Mal ehrlich: Wem außer Pius-Bruder Williamson sind päpstliche Moralvorstellungen zu fortschrittlich?