Prisma | Veröffentlicht in MIZ 4/12 | Geschrieben von Malte Jessl

Falsche Freunde

Rechte in der säkularen Szene sind selten, aber ein deutliches Zeichen für eine falsche Außenwirkung

In MIZ 3/12 hat Gunnar Schedel die Ausführungen von Adah Gleich zu „Rechtspopulismus in der säkularen Szene“ kritisiert. Seine Kritik an Gleichs unreflektiertem Rundumschlag ist gerechtfertigt, wischt die Vorwürfe aber zu leichtfertig vom Tisch. Denn Schnittmengen und Anknüpfungspunkte zwischen Rechten und Säkularen bestehen tatsächlich, davor sollte niemand die Augen verschließen.

Der Artikel von Adah Gleich1 ist in der Tat wenig hilfreich bei der Aufklärung über fragwürdige Tendenzen im säkularen Spektrum. Der Text besteht zu einem guten Teil einfach aus einer Achterbahnfahrt durch die rechte Anti-Islam-Szene, bei der die Verbindungen zu den Säkularen, wie Schedel richtig bemerkt, meist nicht benannt werden. Aber kann man die Kritik tatsächlich einfach unter „ungerechtfertigte Denunziation“ abheften? Warum das nicht der Fall ist, möchte ich hier näher erläutern.

Keine Schnittmengen?

Schedel wirft Gleich vor, „Ross und Reiter“ nicht zu nennen. Das möchte ich hiermit anhand von drei Beispielen nachholen. So ist Armin Geus, Mitglied im Förderkreis der Giordano-Bruno- Stiftung, zugleich auch Herausgeber des Bandes Gegen die feige Neutralität – Beiträge zur Islamkritik. Mitherausgeber des Buches ist Stefan Etzel, ehemaliges Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Bürgerbewegungen zur Bewahrung von Demokratie, Heimat und Menschen­rechten e.V., der mittlerweile in der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) aufgegangen ist. Die BPE listet den Band unter „Publikationen die im Rahmen ihrer Aktivitäten entstanden sind“.2 Mehrere Autoren des Bandes sind dem rechten bis extrem rechten Spektrum zuzuordnen. Das Buch wie auch weitere von Geus verfasste Titel werden auf PI per Anzeige beworben – was bedeutet, dass Geus PI auch finanziell unterstützt. Dass hier eine „Schnittmenge zwischen Säkularen, PI und Pax Europa“ vorliegt, ist kaum zu bestreiten.3

„Minderwertige Versager“

Der Biologe Remigius Geiser, ein weiteres Fördermitglied der gbs, hat einen Essay mit dem Titel „Alles nur schnöder Egoismus“4 verfasst. Dieser Aufsatz geht weit über das hinaus, was man noch als eine populärwissenschaftlich verkürzte Darstellung der Soziobiologie durchgehen lassen könnte, sondern überschreitet klar die Grenzen zwischen Wissenschaft und Werturteilen, genauer: zur Abwertung von Menschen. Die Etikettierung von Menschen als „minderwertig“, „Parasiten“, „Versager“ oder „Loser“ zieht sich durch den ganzen Text. Auch der Eugenik kann Geiser einiges abgewinnen:

„Wollen wir überhaupt soziale Gleichheit? – Bisher pflegte man als Darwinist schwere Bedenken anzumelden gegen
die Forderung nach einer egalitären Ge
sellschaftsordnung. Dadurch werde die
Selektion behindert, sagte man nicht ganz zu Unrecht. Wenn Träger von Krankheiten, die zum erheblichen Teil erblich bedingt sind, wie Bluterkrankheit, Drogenanfälligkeit, Kurzsichtigkeit, De
bilität, Epilepsie, Ichthyose, Hüftgelenks
luxation, Legasthenie, Schizophrenie, Depression, Kriminalität und Alkoho­lismus, den gleichen Reproduktionserfolg haben wie gesunde Personen, dann werde die genetische Gesundheit der Gesamtbevölkerung dadurch stark belastet, und natürlich auch die Sozialkassen.“

Geiser hält die Soziobiologie für kompatibel mit einem „recht verstandenen Sozialdarwinismus“. Zugestanden werden muss Geiser allerdings, dass er sich zumindest gegenüber Nationalismus und Rassismus abgrenzt.

Von der Evolution zum „Volk“

Eine solche Abgrenzung ist nicht die
Sache von Ingo Bading, Grün­dungs­mitglied der Initiative Huma­nismus. Auf Badings „Weltnetzseite“ ist diese Selbstdarstellung zu lesen:

„Dieser Blog vertritt einen völkischen Humanismus, weil er mit den
Erkenntnissen der Evolutionären Anthro­pologie und Humangenetik weiß, dass die Humanevolution bisher immer in Völkern stattgefunden hat und – ganz offensichtlich - auch künftig stattfinden wird. […] Multikulturelle Gesellschaften sind jene Gesellschaften, die weltweit am schlechtesten funktionieren und die außerdem der Humanevolution nicht ausreichend Material geben […] Dies ist deshalb ein Blog wider das von Lobbymächten aufrecht erhaltene ‘Wissensgefälle’ zwischen Eliten und Volk. Ein Blog wider die zahlreichen gesellschaftlichen Selbstmordprogramme der intellektuellen Eliten.“5

Es bleibt jedem selbst überlassen, wo genau zwischen den Eckpunkten „völkische Ideologie“, „Verschwörungstheorie“ und „geistige Verwirrung“ Bading einzuordnen ist. Dass seine Positionen nichts mit Aufklärung und emanzipatorischer Religionskritik zu tun haben, sollte aber klar geworden sein.

Was hat das mit uns zu tun?

Keine dieser Personen spielt eine prägende Rolle in der säkularen Szene. Auch die Zustimmung zu ihren Thesen ist unter den organisierten Säkularen vermutlich gering. Von einer „Unterwanderung von Rechtsaußen“ kann kaum die Rede sein. Aber darum geht es mir gar nicht. Der wesentliche Punkt ist: Offenbar fühlen sich diese Menschen von der säkularen Szene angezogen. Woran liegt das?

Ich möchte folgende These zur Dis­kussion stellen: Grund dafür ist vor allem das öffentliche Auftreten der Giordano-Bruno-Stiftung,6 die man sicherlich als Aushängeschild der säkularen Szene bezeichnen kann. Relevant für meine Kritik sind zwei Aspekte :

1. Die Provokationshaltung

Die gbs liebt die Provokation und das Plakative. Dass sich damit Aufmerksamkeit erzeugen lässt, kann kaum bestritten werden. Gleichzeitig lockt dieses Auftreten aber eine unreflektierte Klientel an, die ihre Identität aus der Abgrenzung gegenüber der „Political Correctness“ schöpft. Auch wenn eindeutig rechte Positionen in der säkularen Szene in der Minderheit sind: „Politische Korrektheit“ und „Gutmenschentum“ gehören dort zu weit verbreiteten Feindbildern. Dabei ist vor allem die Unschärfe des Begriffs „Political Correctness“ problematisch: Während die einen ihn für eine legitime Kritik von „Sprachhygiene“ und selbstgerechtem Moralismus verwenden, dient er anderen dazu, alles zu verdammen, was sich ansatzweise mit der Jahreszahl 1968 verbinden lässt.

2. Die biologistische Schlagseite

Der gbs kann kein grundsätzlicher Biologismus vorgeworfen werden, sie hat sich glaubwürdig davon distanziert.7 Auf einzelne Beiratsmitglieder trifft der Vorwurf dagegen durchaus zu. Hier wären vor allem Thomas Junker und Sabine Paul zu nennen, die ein stark auf die Biologie reduziertes Menschenbild vertreten.8 Auch Ulrich Kutschera haut mitunter in diese Kerbe. So äußerte er sich zu „menschlichen Kuckuckskindern“.9 Die Biologie sei „Grundlage aller vernünftigen Beurteilungen“ und müsse daher auch Grundlage von Gerichtsurteilen, wie in diesem Fall zum Auskunftsanspruch über die Vaterschaft, sein. Maßgeblich seien nicht Individualrechte wie die informationelle Selbstbestimmung, sondern ein „biologisches Überlebens-Grundrecht“, also gewissermaßen ein „Recht des Erbgutes“.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich werfe Junker, Paul und Kutschera keinesfalls vor, rechtes Gedankengut zu vertreten. Aber ihr Biologismus, der das Bild der Stiftung nach Außen prägt, wirkt attraktiv auf „falsche Freunde“.

Mir ist bewusst, dass die gbs eine schwierige Gratwanderung zu meistern hat: Hier das Ziel, „Anstöße durch Anstößigkeit zu geben“, dort die Gefahr des Abdriftens in den Pöbelton und die unproduktive Provokation. Hier der Anspruch, ein realistisches Menschenbild zu vertreten, dass auch die Biologie mit einschließt, dort die Gefahr des Abrutschens in einen Biologismus der Warum-Frauen-immer-Schuhe-kaufen-Schublade. Die „falschen Freunde“, so unbedeutend sie zahlenmäßig auch sein mögen, sollten ein deutliches Zeichen dafür sein, dass diese Gratwanderung nicht immer gelingt.

Anmerkungen

1 diesseits 3/2012
2 http://www.buergerbewegung-pax-europa.de/publikationen/index.php, Zugriff 20.11.2012
3 Auch Hartmut Krauss und Thomas Junker wurde wegen der Beteiligung an dem besagten Sammelband schon rechtes Gedankengut unterstellt. Von solchen Anschuldigungen möchte ich mich distanzieren. Es ist aber ein großer Unterschied, ob man sich an einem solchen Buch beteiligt (und möglicherweise gar nichts von den Mitautoren weiß), oder ob man mit reaktionären Figuren aktiv zusammenarbeitet und ihnen ein Forum bietet.
4 http://www.remigius.org, Zugriff 20.11.2012
5 http://studgenpol.blogspot.de, Zugriff 20.11.2012
6 Ob Ingo Bading Mitglied im Förderkreis der gbs ist, ist mir nicht bekannt. Zweifellos betreibt aber auch er eine Anbiederung an die Stiftung.
7 Michael Schmidt-Salomon: Auf dem Weg zur Einheit des Wissens. Die Evolution der Evolutionstheorie und die Gefahren von Biologismus und Kulturismus, 2007
8 Thomas Junker, Sabine Paul: Der Darwin Code. Die Evolution erklärt unser Leben, 2009. Eine detaillierte Kritik des Ansatzes von Junker und Paul würde den Rahmen dieses Beitrages bei Weitem sprengen. Argumente finden sich etwa in: Christian Illies: Philosophische Anthropologie im biologischen Zeitalter, 2006. Ebenfalls lesenswert, allerdings oft über das Ziel hinausschießend: John Dupré: Darwins Vermächtnis, 2009 sowie Raymond Tallis: Aping Mankind, 2011.
9 http://hpd.de/node/12301, Zugriff 20.11.2012

Informationen

Die Kampagne der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) gegen die Beschneidung von Jungen ist im säkularen Lager weitgehend, aber nicht uneingeschränkt auf Zustimmung gestoßen. Der Aktionskünstler und gbs-Beirat Wolfram Kastner äußerte in einer Radiosendung die Befürchtung, die Debatte könne Wasser auf die Mühlen der Rechten sein. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch eine Karikatur von Jacques Tilly, die im Juli zusammen mit einem Kommentar von Michael Schmidt-Salomon zum Beschluss des Bundestages zur „Rechtlichen Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen“ auf der gbs-Webseite veröffentlicht worden war.

Zwar änderte Tilly die Zeichnung wenige Tage später und ersetzte die blutigen Messer durch Scheren, um Beifall von der falschen Seite auszuschließen, doch wird sie immer wieder auf rechten Webseiten verwendet – zum Beispiel in leicht verfremdeter Form von Politically Incorrect, wie obiger Screenshot zeigt.