Blätterwald | Veröffentlicht in MIZ 3/13 | Geschrieben von Redaktion MIZ

… Humanismus in der DDR / Schriftenreihe / Freidenker-Kalender 2014

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Humanismus in der DDR

Die DDR war das einzige Land, in dem der Humanismus in der Verfassung benannt wurde. Während die sozialistische Arbeiterbewegung vor dem Faschismus auf den Begriff insgesamt nicht positiv Bezug nahm, eigneten sich einzelne kommunistische Intellektuelle Humanismuskonzeptionen an. Mit Al­fred Kurella wurde einer von ihnen 1957 Kulturbeauftragter der SED.

Horst Groschopp, Direktor der Hu
manistischen Akademie Deutschland, folgt in seinem Buch den Debatten rund um den Humanismus-Begriff. Zunächst verschafft er einen Überblick, wie Hu­manismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verstanden wurde; dabei beschränkt er sich nicht auf sozialistische Autoren. Dann untersucht er in zwei Kapiteln die Humanismusdiskurse im Rahmen der Verfassungsdebatte. Hier zeigt sich, dass in den frühen Jah­ren die Diskussion vielstimmig war. Doch schnell wurde der Humanismus in den Dienst der Kulturpolitik der SED und dann auch der DDR gestellt. In den 1960er Jahren hatte der Humanismus seine letzten großen Auftritte: „Der reale Humanismus ist Grundlage unserer Staatspolitik“, verkündete Walter Ulbricht 1960. Diese Entwicklung stellt Groschopp sachlich, detailreich und gut belegt dar.

Die beiden letzten Kapitel stellen
dann Fragen zum Scheitern der Humanismus-Konzeption der SED. (Die Arbeiterklasse hatte die Abstimmung ein Stück weit mit den Füßen vollzogen: Unter den Menschen, die die DDR verließen, waren viele Facharbeiter.) Groschopp beklagt, dass eine differenzierte Wertung der humanistischen Rhetorik und der entsprechenden Bestrebungen der DDR 20 Jahre lang nicht möglich gewesen seien, da der Blick auf den zweiten deutschen Staat ideologisch verstellt gewesen sei. Den meisten Autoren sei es um dessen vollständige Delegitimierung gegangen. Im SED-Humanismus sieht Groschopp eine „bejahende Antwort auf die Mo­derne“, kritisiert aber zugleich das Stre
ben nach „Geschlossenheit“, das er als
„humanismusfern“ einschätzt. „Die DDR
war mit einer atheistischen Ersatzreli­gion ausgestattet, gegen die sich ein kritischer Humanismus nie durchzusetzen vermochte.“ Der Staat habe sich als säkulare Heilsgemeinschaft gesehen, in der die Parteiführung „Enzykliken“ verkündete und Häretiker verbannte. Dem gegenüber steht die Einsicht, dass die andauernde Berufung auf den Humanismus wohl doch Spuren in der Bevölkerung hinterlassen und sich in einem „Volkshumanismus“ niedergeschlagen hat.

Horst Groschopps Untersuchung bietet die Grundlage für ein differenziertes Urteil über die Frage wie viel Humanismus sich in Politik und Alltag der DDR finden lassen. Er schreibt ein interessantes Stück Ideengeschichte, das alle mit Gewinn lesen können, die sich zum Humanismus bekennen und sich manchmal darüber wundern, warum andere, die sich ebenfalls zum Humanismus bekennen, zu bestimmten Fragen eine ganz andere Perspektive einnehmen.

Horst Groschopp: „Der ganze Mensch“. Die DDR und der Humanismus. Ein Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte. Marburg 2013, Tectum, 559 Seiten, kartoniert, Euro 29,95, ISBN 978-3-8288-3163-6

Schriftenreihe

Nach drei Dokumentationen der Reden
auf Preisverleihungen bzw. dem Dar­winjahr-Festakt bietet der fünfte und
bisher umfangreichste Band der Schrif­tenreihe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) wieder einen Grundlagentext zum Naturalismus. Der bekannte Phy­siker und Philosoph Gerhard Vollmer, Mitglied im Beirat der gbs, behandelt darin 46 für eine naturalistische Sicht der Welt wichtige Fragen. Die Antworten sind kurz gehalten, sollen orientieren und richten sich insofern an ein breiteres Publikum. Vollmer bleibt dabei, auch wenn es um komplexe Sachverhalte geht, immer allgemeinverständlich.

Die Broschüre gliedert sich in zehn
Bereiche. Vollmer beginnt mit Erläu­terungen zu Logik, Mathematik und Metaphysik und erörtert dann zwei Probleme des Realismus. Anschließend wendet er sich dem „Aufbau der Welt“ zu, handelt Kosmologie und Evolution ab. Die folgenden beiden Kapitel erörtern philosophischen Fragen, nämlich Aspekte des Leib-Seele-Problems und die Frage der Willensfreiheit. Schließlich stellt der Autor kritische
Fragen (einschließlich der Gretchen­frage) die Religion und esoterische Weltvorstellungen betreffend. Von diesen beiden Abschnitten eingerahmt, befasst sich das vorletzte Kapitel mit naturalistischer Moralbegründung und Evolutionärer Ethik.

Gerhard Vollmer: Gretchenfragen an den Naturalisten. Schriftenreihe der Giordano Bruno Stiftung, Bd. 5. Aschaffenburg 2013, Alibri, 90 Seiten, geheftet, Euro 5.-, ISBN 978-3-86569-204-7

Freidenker-Kalender 2014

Auch für das kommende Jahr haben Freidenkerinnen und Freidenker aus Ulm und Neu-Ulm wieder einen vierfarbigen Wandkalender zusammengestellt. Diesmal enthält der Freidenker-Kalender ein Zusammenspiel von Kunst und Philosophie: Monotypien von Walter Schmid treffen auf Zitate von Ernst Bloch. Im Kalendarium sind über 750 Gedenktage verzeichnet, die einen Gang durchs Jahr mit Freidenkerinnen und Aufklärern bieten.

Freidenker-Kalender 2014. Freidenker/innen Ulm/Neu-Ulm, 2013. 13 Blatt, A 4, vierfarbig, Euro 8.-
Zu beziehen ist der Freidenker-Kalender bei denk­laden.de oder direkt bei Freidenker/innen Ulm-Neu-Ulm, Postfach 167, 89006 Ulm, Fon (0731) 57 176, www.ulmer-freidenker.de