Vor dem Historischen Rathaus am Prinzipalmarkt von Münster mahnte am 12. Juli eine drei Meter hohe Figur die Ratsmitglieder, noch einmal sehr genau über die geplante städtische Finanzierung des dort stattfindenden Katholikentags 2018 nachzudenken: Die Mosesfigur der Aktionsgruppe Das 11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!.
Im Ratssaal wurden die Ratsherren und -frauen hingegen von einem rund ein Meter hohen Kreuz samt leidendem Jesus und flackernden Kerzen in Empfang genommen, welches auf dem Tisch des Oberbürgermeisters prangte. Und das ausgerechnet zu Beginn jener Sitzung, in welcher der Rat von Münster die seit über zwei Jahren intensiv diskutierte Frage zu beantworten hatte, in welcher Höhe er den Katholikentag 2018 aus dem Stadtsäckel zu fördern beabsichtigt. Es stand jedoch nur am Anfang der Ratssitzung auf dem Tisch, da es galt, zwei neue Ratsmitglieder zu vereidigen. Unterm Kruzifix und mit Gottesformel. Willkommen in Münster!
Rund zwei Stunden lang stritten die Ratsmitglieder über diverse Themen und Anträge. Debatten, die sich letztlich immer um den einen Punkt drehten: Die klamme Haushaltslage der Stadt Münster. Diese hat derzeit über 800 Millionen Euro Schulden. Dann begann die Verhandlung von Tagesordnungspunkt 19: „101. Deutscher Katholikentag vom 09.-13. Mai 2018 in Münster – Kommunale Unterstützung durch Sachleistungen und Finanzierungsbeiträge“.
Der Verhandlung des Themas an diesem Abend war eine lange Diskussion vorausgegangen. Bereits 2014 hatte das Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK) als Veranstalter des Katholikentags bei der Stadt Münster einen städtischen Barzuschuss in Höhe von 1,5 Millionen Euro zur Förderung des Events beantragt. Ein übliches Verfahren – seit Jahrzehnten lassen sich die Veranstalter der im jährlichen Wechsel stattfindenden Katholikentage und Evangelischen Kirchentage 30-50% der Kosten ihrer Glaubensfeste von Bund, Land und Stadt bezahlen. Bislang wurden ihnen diese Mittel stets unhinterfragt genehmigt, doch 2014 sorgte die politische Kunstaktion Das 11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen! in Regensburg und Leipzig dafür, dass diese fragwürdige Finanzierungspraxis erstmals von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen und kritisch hinterfragt wurde. Auch in Münster stieß die Aktionsgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung 2014 die öffentliche Diskussion um den städtischen Zuschuss an. Als der Rat der Stadt Münster nach langen zähen Diskussionen mit der Mehrheit von SPD, Grünen und Linken im März 2015 dem ZdK den beantragten und inzwischen auf 1,2 Millionen geschrumpften städtischen Barzuschuss verweigerte, berichtete die Presse deutschlandweit über das Ereignis, denn diesen Mut hatte bisher noch kein Rat gezeigt.
Da man es sich jedoch nicht völlig mit der in Münster nach wie vor sehr mächtigen katholischen Kirche verscherzen wollte, hatte man einen Vorschlag zur Güte gemacht: Das ZdK sollte zwar keinen Barzuschuss dafür jedoch Sachleistungen wie Turnhallennutzung oder den Transport der Besucher mit dem städtischen ÖPNV erhalten. Das ZdK wurde damals von der Stadtverwaltung gebeten, eine entsprechende Auflistung der benötigten Leistungen anzufertigen. Das tat das ZdK und kam auf Sachleistungen im Wert von 1,27 Millionen Euro. Eine Liste, die von der Stadtverwaltung umgehend um den Posten „Bereitstellung von Lagerflächen und Büros für die Geschäftsstelle“ in Höhe von 285.000 Euro gekürzt wurde, da die Stadt keine entsprechenden Räumlichkeiten besitzt. Sehr wohl besitzt solche Räum- lichkeiten dagegen das Bistum Münster, das mit Immobilien in bester Innenstadtlage ohnehin reich gesegnet ist. In einer solchen Immobilie befindet sich inzwischen die Geschäftsstelle des Katholikentags.
Übrig blieben Sachleistungen in Höhe von 982.000 Euro. Doch auch auf diese konnte sich der Rat der Stadt Münster im Mai 2015 nicht verständigen, da insbesondere den Grünen diese Summe viel zu hoch war und die einzelnen Kostenpositionen viel zu wenig aufgeschlüsselt und transparent.
Über zwei Jahre sind seitdem ins Land gezogen, in denen sich im Rat
der Stadt Münster einige gravierende
Änderungen ergeben haben: Die Grünen haben ihr Bündnis mit der SPD aufgekündigt und sind eine Koalition mit der CDU eingegangen. Lange hatte man das leidige Thema Katholikentagsfinanzierung ausgeklammert, denn dass es hierbei Span-
nungen zwischen den eifrigsten Befür-
wortern einer möglichst hohen Katho-
likentagsfinanzierung (CDU) und den
eifrigsten Kritikern und Herunterhandlern der Katholikentagsfinanzierung (Grüne) geben würde, war absehbar. Zehn Monate vor dem Katholikentag 2018 präsentierte das ungleiche Gespann nun jedoch in Zusammenarbeit mit der Stadtkämmerei eine Beschlussvorlage, über die in der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause abgestimmt wurde.
Der Beschlussvorschlag der Vorlage V/0582/2017 lautet wie folgt:
„1. Der Rat nimmt zur Kenntnis, dass eine Finanzierung von Sachleistungen und vergleichbaren Leistungen in einer Höhe von bis zu 982.000 € erforderlich ist.
a. Die Stadt Münster unterstützt den Veranstalter des 101. Deutschen Katholikentages mit einer Finanzierung von Sachleistungen in Höhe von 682.00 Euro.
b. Die Stadt Münster unterstützt den Veranstalter darüber hinaus die Deckungslücke von 300.000 Euro zu schließen, vorrangig durch die Akquise weiterer Finanzierungsmittel wie Sponsorenmittel, Spenden etc.
2. Die Hinweise zur Kostenbeteiligung werden, wie in der Begründung dargestellt, zur Kenntnis genommen.“
Auf den ersten Blick wirkt es so, als hätten sich die Grünen durchgesetzt und den Sachleistungsbetrag deutlich nach unten gehandelt. Die Grünen hätten damit ihre Wählerschaft und die eigene Fraktion milde gestimmt. Der zweite Blick jedoch verrät, dass es die CDU ist, die sich auf ganzer Linie durchgesetzt hat. Diese hätte gern bereits vor drei Jahren dem Katholikentagsveranstalter die beantragte Finanzspritze in Höhe von 1,5 Millionen gegeben und war nach dem Sachleistungsbeschluss stets bemüht, für den Katholikentag so viel Geld wie möglich aus dem Stadtsäckel locker zu machen.
De facto geht es in der Beschluss- vorlage nämlich nicht um Sachleistungen in Höhe von 682.000 Euro, sondern nach wie vor um Sachleistungen in Höhe von 982.000 Euro. Die Formulierungen der Beschlussvorlage versuchen geschickt, genau das zu verschleiern, indem davon die Rede ist, dass die Stadt dem Katholikentagsveranstalter beim Einwerben von Spenden und Sponsorenmitteln in Höhe von 300.000 Euro behilflich sein wird.
Die spannende Frage ist: Was geschieht, wenn keine weiteren 300.000 Euro eingeworben werden können? Was auf der Frontseite der Beschlussvorlage nur zu erahnen ist, wird in der Begründung recht deutlich formuliert: Sollte es mit der Einwerbung nicht klappen, springt die Stadt für die fehlenden 300.000 Euro ein.
„Die Stadt Münster bekennt sich daher mit dieser Vorlage dazu, den Katholikentag bei der Finanzierung von maximal 982.000 Euro zu unterstützen. Hierfür sind nach aktuellem Stand der Planungen mindestens 682.000 Euro explizit in den Haushaltsplan 2018 aufzunehmen (…). Für die darüber hinausgehenden kommunalen Finanzierungsbedarfe in Höhe von 300.000 Euro soll vorrangig nach anderen Finanzierungswegen gesucht werden. (...) Um die Finanzierung des 101. Katholikentags sicherzustellen, unterstützt die Stadt den Veranstalter bei der Deckung dieses erforderlichen Finanzierungsbeitrags.“
Und die Begründung der Vorlage enthält weitere pikante Details. Der bindende Beschluss des Rates von 2015, dem Katholikentagsveranstalter keinen Barzuschuss zu geben, sondern lediglich Sachleistungen zur Verfügung zu stellen, wird aufgeweicht.
„Hierfür sind nach aktuellem Stand der Planungen mindestens 682.000 Euro explizit in den Haushaltsplan aufzunehmen (…) Die Auszahlung an den Veranstalter erfolgt in Tranchen gemäß den vorgelegten Nachweisen.“
Wie kommt es auf einmal zu diesen Zahlungen und gegen welche Nachweise sollen sie erbracht werden? Vor diesem Satz ist in der Beschlussvorlage von notwendigen Komplementärzahlungen zwischen Stadt und städtischen Gesellschaften die Rede. Was verständlich ist, da städtische Gesellschaften zur wirtschaftlichen Geschäftsführung verpflichtet sind. Komplementärzahlungen der Stadt an eine städtische Gesellschaft sind deshalb beispielsweise für die Reinigung der zum Schlafen genutzten Turnhallen oder die städtischen Verkehrsbetriebe für den Transport der Katholikentagsbesucher notwendig. Doch wieso bekommt auf einmal der Katholikentagsveranstalter Geld ausgezahlt, wenn doch die Komplementärzahlungen direkt zwischen Stadt und städtischen Gesellschaften erfolgen?
Eine konkrete Besucherzahl wird nicht mehr genannt, es ist lediglich die Rede davon, dass „mehrere zehntausend Gäste“ erwartet werden. Kritiker der Katholikentagsfinanzierung hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass Besucherzahlen im Vorfeld der Kirchentage zu hoch angesetzt werden und dass der Umsatz am Veranstaltungsort unter anderem deshalb wesentlich geringer ausfällt, als vom Kirchentagsveranstalter prognostiziert. Vom wirtschaftlichen Nutzen, den der Katholikentag der Stadt bringen soll, ist in der Beschlussvorlage schließlich gar nicht mehr die Rede. Auch diesbezüglich hatten Kritiker immer wieder auf unzutreffende Annahmen hingewiesen.
Ein Argument, warum der Katholikentag trotzdem massiv mit städtischen Mitteln gefördert werden soll, fehlt in der Beschlussvorlage. Kein Wunder also, dass diese in der Ratssitzung zu heftigen Diskussionen führte.
So verwies Rüdiger Sagel, Fraktionschef der Linken, auf den aktuellen Haushaltsüberschuss des Bistums Münster von 50,1 Millionen Euro, aus dem die fehlenden Geldmittel des Kirchentagsveranstalters sicherlich zu bestreiten seien.
Unterstützung erhielt die Position der Linken überraschenderweise vom anderen Ende des politischen Spektrums. AfD-Ratsherr Martin Schiller wies darauf hin, dass man nun zwei Stunden über den angespannten Haushalt diskutiert und ein Bekenntnis zum Sparen abgelegt habe und dass die Ablehnung der Finanzierung des Katholikentages doch eine gute Möglichkeit biete, nun mit dem Sparen anzufangen.
Und auch in der Mitte des politischen Spektrums regte sich Kritik: FDP-Fraktionsvorsitzende Carola Mölle- mann-Appelhoff meinte, die FDP freue sich zwar darüber, dass der Katholikentag nach Münster kommt, nur könne es sich die Stadt aufgrund der angespannten Haushaltslage nicht leisten, ihn zu finanzieren.
Vor allem jedoch bekamen in der Diskussion die Grünen ihr Fett weg. Linken-Fraktionschef Sagel erinnerte daran, dass sich der Rat erst nach zähem Ringen dazu entschlossen hatte, das Stadtfest mit 70.000 Euro zu fördern und dass man bei einer städtischen Förderung von 70.000 Euro für ein dreitägiges Stadtfest und 982.000 Euro für einen fünftägigen Katholikentag, bei dem zudem weniger Besucher erwartet werden, wohl kaum von einer Gleichbehandlung sprechen könne.
Nach vierzig Minuten Diskussion, den üblichen Pro-Katholikentags-Floskeln der CDU und einem Änderungsantrag der Fraktion ÖDP/Piraten, der keine Mehrheit fand, wurde die Beschlussvorlage V/0582/2017 kurz vor 20 Uhr mit den Stimmen von CDU, Grünen, ÖDP und UWG angenommen. Linke, FDP, Piraten und AfD stimmten dagegen. Die SPD enthielt sich – allerdings nicht aus grundsätzlichem Zweifel an der Katholikentagsfinanzierung, sondern weil man einen deutlichen Beschluss über 982.000 Euro vorgezogen hätte, damit der Katholikentagsveranstalter mehr Planungssicherheit hat.
Bereits eine Stunde später veröffentlichte die Geschäftsstelle des Katholikentags eine Pressemitteilung, in der deutlich wurde, dass es sich bei dem von den Grünen in der Diskussion verzweifelt verteidigten Betrag von 682.000 Euro von Anfang an um reine Augenwischerei handelte: „Der Katholikentag begrüßt die Zusicherung der Stadt Münster, ihn mit einer knappen Million Euro zu unterstützen.“
Rund ein Drittel der geplanten Kosten für den Katholikentag 2018 in Höhe von 9,3 Millionen Euro wird nun die öffentliche Hand tragen: 1,6 Millionen Euro das Land NRW, 982.000 Euro die Stadt Münster und 400.000 Euro der Bund.
Ob gegen die Entscheidung des Rates rechtliche Mittel möglich sind, wird derzeit geprüft. Nicht nur die fragwürdige Praxis, durch die Stadt Spenden und Sponsorenmittel für einen religiösen Verein einzuwerben, ist höchst bedenklich, auch die offenbar geplante teilweise Auszahlung von Geldern an den Katholikentagsveranstalter verstößt gegen den Beschluss von 2015, den Katholikentag lediglich mit Sachleistungen zu fördern.
Der Text basiert auf den beiden hpd-Artikeln Farce um städtische Sachleistungen für Katholikentag 2018 vom 5.8.2017 (https://hpd.de/artikel/farce-um-staedtische-sachleistungen-fuer-katholikentag-2018-14592) und Sachleistungen für Katholikentag beschlossen vom 14.7.2017 (https://hpd.de/artikel/sachleistungen-fuer-katholikentag-beschlossen-14619).