Schwerpunktthema | Veröffentlicht in MIZ 2/24 | Geschrieben von Bernd Harder

Krumme Dinger

Die legendäre Fehde zwischen dem Zauberkünstler James Randi und dem Löffelbieger Uri Geller macht deutlich, wie wichtig handfestes Debunking für die Wissenschaftskommunikation ist.

„Wie heißt die Hauptstadt von South Dakota?“ Natürlich wusste Uri Geller das nicht. Was er auch nicht wusste, war, dass sein Auftritt in der Tonight Show von Johnny Carson am 1. August 1973 keiner seiner üblichen Talkshow-Besuche werden würde, die er stets mit schlitzohriger Nonchalance absolvierte.

Nichts klappte, als er einen Löffel verbiegen und unter 20 identischen Aluminiumdosen die eine herausfinden sollte, die mit Wasser gefüllt war. Das Video1 gibt’s bei Youtube: Ein nervöser Uri Geller versucht Zeit zu schinden und sich herauszureden, beklagt sich über den „Druck“, die Kameras, die Zweifler unter den Zuschauern, bis er schließlich Carson daran erinnert, dass der ihm doch eigentlich „40 vorbereitete Fragen“ habe stellen wollen. Als Carson daraufhin mit der Hauptstadt von Süddakota herauskommt, wird dem konsternierten Geller endgültig klar: Der populäre Showmaster ist keineswegs gewillt, ein abgesprochenes Arrangement mitzuspielen.
Stattdessen hatte sich der Hobby­zauberer Carson bei dem großen Büh­nenmagier James Randi erkundigt, wie er Gellers übliche Performance verunmöglichen könnte. Eigentlich ganz einfach: Gellers Requisiten wurden gegen gleichaussehende Neuware ausgetauscht, zu der weder er noch seine Crew vor der Sendung Zugang hatten. Das Resultat: der „wahrscheinlich peinlichste TV-Auftritt, den je ein Zauberer hingelegt hat“, urteilt der Berufskollege Matthias Berger.2

Bloß „Geschichten“ halt

Noch heute bewahrt Uri Geller Voodoo-Puppen von führenden Köpfen der Skeptikerbewegung auf, und James Randi ziert seine Dartscheibe – wenn auch nur in einem Fake-Artikel der Titanic.3 Tatsache ist, dass der Besteck­bieger sich praktisch nur noch mit Twitter-Tweets von verwackelten Ufo-Fotos4 ins Gespräch zu bringen versucht und sogar offensichtliche Fälschungen für „echt“ erklärt.5 Auf die Rückfrage einer Vice-Reporterin, ob er sich den Ufo-Kram nur ausgedacht habe, um Aufmerksamkeit zu bekommen, sagte Geller: „Ich gebe zu, dass ich einer der besten Presseleute der Welt bin … Die Presse braucht mich, weil ich interessante Geschichten zu erzählen habe.“6

„Geschichten“ also. Nichts weiter. Dass diese „Geschichten“ mitnichten sein Ansehen mehren oder zumindest konservieren, sondern ihm nur noch Spott einbringen, „sowohl in der Zauberszene als auch bei Millionen Menschen da draußen“, wie Matthias Berger anmerkt,7 scheint Geller nicht zu merken. Wahrscheinlich ist er zu beschäftigt damit, Warnbriefe an Wladimir Putin zu schreiben8 („Sollten Sie sich für den Einsatz von Nuklearwaffen entscheiden, werden Ihre Pläne und Ihre Raketen auf Sie zurückgefeuert!“) oder Nintendo wegen einer Pokémon-Karte zu verklagen, weil die Figur „Kadabra“ ihm seine Identität gestohlen habe.9

Klagen statt Beweise

Auch James Randi wurde mehrfach von Geller vor Gericht gezerrt, zuletzt wegen 15 Millionen Dollar Schadenersatz. Alle Klagen wurden abgewiesen.10 Mit dieser Streitsucht führte Geller seine eigene Fiktion ad absurdum, wonach eigentlich erst die Kritiker für seinen Erfolg maßgeblich gewesen seien: „Mit jeder Attacke kamen mehr Leute zu meinen Shows“, diktierte er dem Tagesspiegel.11 „Da habe ich gemerkt: Es gibt nichts Besseres als schlechte Publicity, solche Kontroversen sind unbezahlbar. Und solange mein Name in der Zeitung steht, ist das gut. Die Skeptiker waren dumm. Wenn sie meine Karriere hätten zerstören wollen, hätten sie den Mund halten müssen.“

War Randis lebenslanges Engage­ment für die Entlarvung „von Sehern, die nicht sahen, Heilern, die nicht heilten, und vielen anderen“ (New York Times12) mithin sinnlos oder sogar kontraproduktiv? Er selbst konnte über diesen Anwurf nur schmunzeln.
Kurz vor seinem Tod im Jahr 2020 sagte Randi der GWUP-Zeitschrift Skeptiker: „Kennen Sie die Fabel vom Fuchs und den Trauben? Genauso ist es mit Geller. Ich habe ihn sicher nicht zu dem gemacht, was er ist. Im Gegenteil, ich habe ihm viele Schwierigkeiten bereitet, mehr als jeder andere. Geller hat alle Rechtsstreitereien mit mir verloren und teilweise teuer dafür bezahlt, weil er die Verfahrenskosten zu tragen hatte. Das waren einmal sogar mehr als 100.000 Dollar. Er versucht das nun umzudrehen, im Sinne von Äsops antiker Fabel, aber das funktioniert nicht. Ich nehme mir solche provokant gemeinten Äußerungen nicht weiter zu Herzen. Uri Geller ist definitiv weg vom Fenster. Nicht mal in seiner Heimat Israel wird er von irgendjemandem ernst genommen.“13

Nichts mit „Gedankenkraft“

Tatsächlich hatten „die Skeptiker“ nicht die Absicht, Gellers Karriere zu zerstören – zumindest nicht die als Zauberkünstler. „Die Skeptiker“ und allen voran James Randi haben lediglich darauf hingewiesen, dass Geller keine übersinnlichen Fähigkeiten besitze, sondern mit simplen Tricks arbeite. Wie notwendig das war, kann man heute noch erahnen. Am 17. Januar 2024 blickte das ARD-Morgenmagazin14 auf Gellers ersten Auftritt in Deutschland zurück, am 17. Januar 1974 in der TV-Show Drei mal Neun, und die Moderatorin erklärt dazu, Geller habe damals vor den Augen Fernseh-Deutschlands „Besteck mit der bloßen Kraft seiner Gedanken“ verbogen. Dabei ist in dem Filmausschnitt deutlich zu sehen, dass Geller die Gabel in beiden Händen hält und mit dem Daumen über den Gabelrücken streicht. Also nichts mit „bloßer Gedankenkraft“.

Aber Moment mal – 1974? Ein Jahr nach Gellers Blamage in der amerikanischen Tonight Show? Er­staunlicherweise schadete der Auftritt bei Johnny Carson Geller kaum und er wurde für weitere Shows in den USA und weltweit gebucht. Offenbar wertete das Publikum gerade Gellers Scheitern als Beleg für seine übersinnlichen Kräfte – denn wenn es sich dabei um Tricks handeln würde, müsste es ja immer funktionieren.15
Das gab auch der Drei mal Neun-Gastgeber Wim Thoelke bei seiner Anmoderation exakt so zum Besten: „Er ist kein Zauberer, er ist keine Maschine, die anläuft. Er kann nicht garantieren, das geht in zwei Minuten oder in zehn Minuten oder in 15 Minuten. Er hat vor der Sendung schon gewarnt, manchmal fallen seine übersinnlichen Kräfte einfach aus. Es geht mal und es geht mal nicht. Er hat die Kräfte, das haben wir in den letzten drei Tagen deutlich gesehen und an vielen privaten Experimenten feststellen können, aber die Kräfte sind nicht einfach abrufbar.“

Inszenierung und Effekte

Angesichts dieser unerwarteten Cre­domanie trat James Randi aus dem Hintergrund heraus und begründete eine neue Form der Wissenschafts­kommunikation: das Debunking. In zahllosen Fernsehsendungen zeigte er live, wie das geht: Löffel und Gabeln verbiegen.16 Auch in Deutschland, bei Welt der Wunder.17 Als 1976 in New York die Skeptiker-Organisation CSICOP18 gegründet wurde, lehnte Randi das Angebot ab,19 Vorsitzender zu werden: „Weil ich kein Akademiker bin.“ Aber schnell zeigte sich, dass Zauberkünstlern und Illusionisten eine herausragende Rolle zukam bei der öffentlichkeitswirksamen Entschleierung von Quacksalber und Scharlatanen.

Im Skeptiker-Interview20 sagte Randi dazu: „Ich habe in den 1970ern mit Alice Cooper zusammengearbeitet. Bei seinen Konzerten wurden große Pappschachteln aufgestellt, die nach noch mehr Lautsprechern aussahen. Das sollte vor allem die Jugend beeindrucken. Wenn ein bisschen Inszenierung und Effekte nötig sind, um die Botschaft rüberzubringen, dann ist das völlig ok. Bei Alice Cooper, bei James Randi – und auch bei den Skeptikern.“

Spektakuläre Stunts

Uri Gellers „Karriere“ als One-Trick-Pony, das seit einem halben Jahrhundert mit dem gleichen Effekt auskommt, beim britischen „Dschungelcamp“ als Erster rausgewählt wurde und in Tel Aviv sein eigenes Museum21 führt, sei ihm gegönnt. Was dem Löffelbieger indes nicht vergönnt sein wird, ist der Ruhm als „PSI-Star“, der nie widerlegt wurde und deshalb noch immer im diffusen Graubereich des „Paranormalen“ agieren kann, wo Menschen ihre Hoffnungen etwa auf „Vermisstenhellseher“ setzen (was Geller ebenfalls mal zu sein für sich reklamierte22). Und das ist James Randi zu verdanken, der „mit spektakulären Stunts“ die Anliegen der Skeptikerbewegung förderte.23

Natürlich war Geller nie um eine Ausrede verlegen. So sagte er in einer Show: „Because magicians can duplicate some of these things with trickery does not mean that genuine psychics do it with trickery.“24 Dass ein PSI-Phänomen getrickst werden kann, heißt nicht unbedingt, dass es nicht trotzdem auch das echte Phänomen geben könnte, oder?

The Honest Liar

Das mag schon sein, aber umgekehrt gilt eben auch: Wenn ein „Honest Liar“ wie Randi25 unter den gleichen Bedingungen die gleichen Effekte wie Geller (oder sogar noch erstaunlichere) hervorrufen kann, besteht wenig Anlass anzunehmen, dass das bisherige Weltbild überholt ist. Hierfür wären überzeugendere Argumente anzuführen als verbogene Löffel.

Das sehen 50 Jahre nach Gellers Drei mal Neun-Auftritt nicht nur zahllose normale Menschen so, sondern auch Randis Erben, wie zum Beispiel der Comedian und Zauberkünstler Konrad Stöckel: „Wenn es eine soziale Aufgabe in der Gesellschaft für einen Zauberkünstler gibt, dann ist es, auf Scharlatane hinzuweisen.“26

Anmerkungen

1 https://www.youtube.com/watch?v=zD7Og AdCObs (Zugriff jeweils am 7.4.2024)
2 https://www.youtube.com/watch?v= WxVa7sqmy1E
3 https://www.titanic-magazin.de/artikel/2021/ 12/martin-weidauer-was-macht-eigentlich-uri-geller/
4 Zum Beispiel https://twitter.com/theurigeller/status/1774525277936164982 oder https://twitter.com/theurigeller/status/1774525277936164982
5 https://www.vice.com/de/article/xgw4qn/uri-geller-spricht-ueber-aliens
6 ebenda
7 https://www.youtube.com/watch?v=yCTwq-AeHCI
8 https://www.rnd.de/politik/uri-geller-warnt-putin-werde-atomraketen-mit-gedankenkraft-umlenken-Y2TB6G3FQVDXLDBVP7AFOC5RZQ.html
9 https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/smalltalk/uri-geller-gibt-endlich-das-kadabra-pokemon-frei-18649069.html
10 https://en.wikipedia.org/wiki/Uri_Geller
11 https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/ich-glaube-noch-an-aliens-1597012.html
12 https://www.nytimes.com/2020/10/21/obituaries/james-randi-dead.html
13 https://blog.gwup.net/2020/10/22/james-randi-ist-tot-ich-komme-wahrscheinlich-nicht-wieder/
14 https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/berichte-und-interviews/Zeitreise-Uri-Geller-100.html
15 https://www.nytimes.com/2014/11/09/magazine/the-unbelievable-skepticism-of-the-amazing-randi.html
16 Zum Beispiel https://www.youtube.com/watch?v=24kpAClYmmQ
17 https://www.youtube.com/watch?v=Z-9oLRde2sE
18 Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal, heute CSI (Committee for Skeptical Inquiry)
19 https://blog.gwup.net/2020/10/22/james-randi-ist-tot-ich-komme-wahrscheinlich-nicht-wieder/
20 ebenda
21 https://urigellermuseum.com/
22 https://en.wikipedia.org/wiki/Uri_Geller
23 https://www.watson.ch/wissen/history/231839650-james-randi-der-magier-der-zauberer-entzaubert
24 https://www.youtube.com/watch?v=hi-oCgEraqk
25 https://en.wikipedia.org/wiki/An_Honest_Liar
26 https://www.youtube.com/watch?v= 2UCRm9ysL7U