War es der masochistische Wunsch, angesichts der Größe des Alls die eigene Kleinheit vor Augen geführt zu bekommen? War es naturwissenschaftliches Interesse oder schlicht das Verlangen nach spektakulärer Unterhaltung, das mich trieb? Was auch immer der Grund gewesen sein mag, neulich verspürte ich auf jeden Fall das Bedürfnis, ein Planetarium zu besuchen. Meine Wahl fiel aus Gründen geografischer Nähe auf das Planetarium in Münster/Westfalen, welches sich im Museum für Naturkunde der tatörtlich bekannten Westfalenmetropole befindet.
Dort angekommen traute ich kaum meinen Augen. Im Eingangsbereich des Museums stand ein riesiges Holzschiff, bevölkert von ausgestopften Tieren – die Arche Noah. Ich fragte mich, ob ich mich wohl in der Adresse geirrt hatte. Aber nein, eindeutig, es war das Westfälische Landesmuseum für Naturkunde. Die Arche, so erfuhr ich, ist einer der Höhepunkte der aktuellen Sonderausstellung des Museums: „Tiere der Bibel“. Welch hochgradig naturwissenschaftliches Thema! Aber wer will schon den Ausstellungsmachern Absicht unterstellen, wenn Kinder nach dem Museumsbesuch die Arche Noah für ebenso real halten wie Dinosaurier und Mammuts? Weitere Höhepunkte der Ausstellung sind übrigens zwei Bibeln aus dem 16. Jahrhundert. Leihgaben des Bibelmuseums der Universität Münster, das dem Institut für Neutestamentliche Textforschung angeschlossen ist. Jenem Institut, bei dessen 50-Jahr-Feier 2009 Ex-Ex-Bundespräsident Köhler bekanntermaßen in die Welt hinausposaunte, die Bibel sei das wichtigste Buch, das er kenne. Vor allem, was die frühkindliche Erziehung angehe. Wahrscheinlich hat man sich diese Aussage Köhlers im Museum für Naturkunde zu Herzen genommen.
Erschöpft ob so vieler unerwarteter Höhepunkte in einem Naturkundemuseum wankte ich vorbei an der Arche und flüchtete ins Planetarium. Die Kuppel verdunkelte sich. Endlich, so hoffte ich, würde es in diesem naturwissenschaftlichen Hause um die Vermittlung von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gehen. Aber weit gefehlt. Am Sternenhimmel zeichnete sich der Umriss eines Engels ab. Und während aus hundert Kindermündern „Oh, ein Engel!“ dröhnte, verkündete eine säuselnde Stimme aus dem Lautsprecher, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gäbe, als unsere Schulweisheit sich träumen ließe – zum Beispiel Schutzengel. Es handelte sich um die Werbemaßnahme eines namhaften Versicherungsunternehmens, das in diesem Moment nicht nur Shakespeare missbrauchte, sondern auch die anwesenden Kinderköpfe.
Ich schwankte zwischen hysterischem Anfall und Amoklauf, entschied mich dann aber doch gegen beides. Bei dem, was in diesem Museum unter Naturwissenschaft verstanden wird, hätte das hauseigene Sicherheitspersonal wahrscheinlich mit Globuli auf mich geschossen. Am Ende noch mit welchen, die nicht mit meinen Chakren harmonieren. Dieses Risiko wollte ich ohne vorherige Konsultation meines Heilpraktikers keinesfalls eingehen.