Neulich | Veröffentlicht in MIZ 2/18 | Geschrieben von Daniela Wakonigg

Neulich … Der digitale Klingelbeutel

Es gibt Meldungen, bei denen schaut man zweimal auf den Kalender, ob man vielleicht den ersten April verschwitzt hat. Doch diese Meldung ist weder ein Aprilscherz noch der schräge Gag einer Satirezeitschrift: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat ein Patent für einen digitalen Klingelbeutel angemeldet.

„Der Digitale Klingelbeutel ist wie ein herkömmlicher Klingelbeutel gestaltet“, heißt es in einer Pressemitteilung der Kirche. „So bleibt es weiterhin möglich, Bargeld in den Beutel zu geben. Zusätzlich erlaubt der Klingelbeutel die bargeldlose Kollekte per Girocard oder Kreditkarte, ohne die Eingabe einer PIN. Die Technik ist in das Gehäuse integriert und arbeitet kontaktlos, die Nutzung ist intuitiv. Damit fügt sich der Digitale Klingelbeutel nahtlos in die bestehende Liturgie ein.“

Ein Schelm, wer vor seinem geistigen Auge hilflose Senioren sieht, die nach der Lesebrille kramen und mit dem Nachbarn darüber diskutieren, welches Knöpfchen nun zu drücken sei, während der Pfarrer verzweifelt um Aufmerksamkeit für den nächsten liturgischen Akt buhlt.

Der digitale Klingelbeutel „ist weltweit einzigartig“, heißt es weiter in der Pressemitteilung, die bald zu des Pudels Kern vordringt: Bargeld bei Banken abzugeben, ist teuer, es entstehen „Fahrkosten, Einzahlungsgebühren und Verwaltung – all das schmälert jeden Kollektenbetrag empfindlich“. Entsprechend ist der neue Klingelbeutel nur „der erste Schritt eines umfassenden Konzepts der Digitalen Kollekte, das bewusst so gestaltet wurde, dass es künftig für ganz Deutschland nutzbar ist. Weitere Funktionen sind die Entwicklung einer bundesweiten Kollekten-App und Stationen für bargeldlose Spenden im Ausgangsbereich der Kirchen.“

Man mag den Kirchen in vielerlei Hinsicht vorwerfen, dass sie nicht im Hier und Jetzt angekommen sind. Homosexuelle und außerehelicher Sex sind ihnen noch immer suspekt, doch wenn’s ums Geld geht, werden sämtliche Vorbehalte gegenüber der Moderne über Bord geworfen.

Projektpartner des digitalen Geld
sacks ist, wen wundert es, die Evan­gelische Bank. Deren Vorstandsvorsit­zender Thomas Katzenmayer laut Pressemitteilung betont: „Der Digitale Klingelbeutel macht deutlich, dass sich Evangelische Kirche und Evangelische Bank mit ihren Angeboten auf Höhe der Zeit befinden. Beide Partner sind Neuem gegenüber aufgeschlossen und verbinden Tradition und Moderne auf überzeugende, nutzerfreundliche und sichere Weise.“

„Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!“, mag es einem angesichts solcher Äuße­rungen spontan entfahren. Fällt der Kirche allen Ernstes nichts Besseres ein, als die Erkenntnisse moderner Wissenschaft zu nutzen, um möglichst optimal einem archaischen Hirten­gott zu huldigen? Wäre man in der Evangelischen Kirche (und allen übrigen) tatsächlich auf der Höhe der Zeit, würde die Wissenschaft Einzug ins Hirn statt in den Klingelbeutel halten – und den archaischen Hirtengott samt digitalem Sack überflüssig werden lassen.