Prisma | Veröffentlicht in MIZ 2/14 | Geschrieben von Karol Tapia de Moya und Luis Morales Retat

Primate Pride Day

In Südamerika haben Atheisten den Kampf gegen den Kreationismus aufgenommen

Die meisten Menschen in Kolumbien bezeichnen sich als Katho­liken. Doch die Bevölkerung ist nicht immun gegen die Schläge, die die katholische Kirche nun seit einigen Jahren gegen ihr Image einstecken musste – die meisten davon selbstverschuldet: Pädophilie, Homophobie und andere extreme Haltungen sind einige der Dinge, die am traditionellen Glauben der meisten Kolumbianer nagen.

Dies könnte für Atheisten zunächst als ein Anlass zur Freude erscheinen, doch die Realität sieht anders aus: Trotz der oben genannten Entwicklungen, nimmt sich nur eine Minderheit der Menschen die Zeit, nach humanistischen Alternativen zu suchen. Und von denen, die motiviert sind, sich anderweitig umzusehen, tendieren die meisten dazu, innerhalb der christlichen Welt zu bleiben. In jüngster Zeit gab es in Kolumbien tatsächlich einen Anstieg bei der Anzahl protestantischer und evangelikaler Kirchen, welche den Platz des traditionellen christlichen Glaubens eingenommen haben. Und aufgrund fehlender staatlicher Kontrolle und Regelung, kann jeder eine Kirche gründen („garage churches / Garagen-Kirchen“). In der ganzen Stadt kann man in armen Gegenden nicht weniger als zwei oder drei dieser Kirchen pro Häuserblock zählen.

Diese Kirchen – genau wie ihre Schwestern in Ländern wie den USA – flößen schädliche Ideen ein, die sich gegen den wissenschaftlichen Konsens richten und religiöse Überzeugungen befördern, um damit die natürliche Welt zu erklären. Dies hat einem in unserer Gesellschaft noch nie da gewesenen Phänomen Auftrieb gegeben. Die Menschen hören von der Evolution – was gut ist; doch was sie hören, sind schlechte Neuigkeiten.

Kreationismus auf dem Vormarsch

Kreationismus, gelegentlich verhüllt von Intelligent Design, gewinnt kontinuierlich an Stärke und ist in den Köpfen der Mitglieder dieser Kirchen quasi omnipräsent. Es sollte keine Überraschung sein, dass es in einem Land wie dem unserem eine hohe Rate an wissenschaftlichem Analphabetentum gibt und dass Glaubensinhalte fast immer jeglicher anderer Argumentation vorangestellt werden, wenn es daran geht, Entscheidungen zu treffen. Von persönlichen Entscheidungen über die Abstimmung im Senat bis hin zu Gleichbehandlung in der Ehe oder Abtreibung. In einem zentralisierten Land, in dem die meisten Anstrengungen und Investitionen des Landes in die Hauptstadt fließen, halten abgelegene Gegenden wie die unsere, die karibische Region, das wissenschaftliche und akademische Niveau im Vergleich zur Hauptstadt und ihrer Umgebung unter dem Durchschnitt.

Das Wissen um biologische Konzepte wird reduziert auf oberflächliche Dinge, die in der Oberschule gelehrt werden können. Sogar dort ist dieses Wissen nicht frei vom Einfluss der Lehrer religiöser Schulen. An Universitäten werden den Studenten der Sozial- und Humanwissenschaften solche Tatsachen nur kurz genannt. Manchmal werden diese Informationen als selbstverständlich hingenommen, ohne dass die Theorie oder deren Konsequenzen mit wirklichem Engagement gelehrt werden; mit Ausnahme der seltenen Fälle, die aus den persönlichen Überzeugungen einiger Lehrkräfte geboren werden. Wenn es diese Wissenslücken sogar in dem Sektor der Gesellschaft mit der besten Erziehung gibt, ist es kaum wert zu erwähnen, was mit den Menschen passiert, die weniger Privilegien besitzen.
Als Reaktion auf diese Situation hat Sindioses.org, eine lateinamerikanische Webseite für Atheismus und Skeptizismus, vor drei Jahren vorgeschlagen, am 24. November jährlich mit dem „Primate Pride Day“ unsere evolutionäre Verbundenheit zu feiern, um daran zu erinnern, dass auch wir Primaten sind und unserem Stolz „Affen zu sein“ Ausdruck zu verleihen.

Der Tag für unsere Idee

Der 24. November wurde als Datum ausgewählt, weil in unterschiedlichen Jahren zwei wichtige Dinge an diesem Tag geschehen sind:

1859 veröffentlichte Charles Darwin sein Buch Über die Entstehung der Arten, eine Interpretation, welche die zu dieser Zeit vorherrschende Perspektive zum Verständnis unseres Platzes in der Natur vollkommen verändert hat – nicht als oberste Herrscher durch göttlichen Willen, sondern als Teil von ihr; und während dem Ego unserer Spezies ein Schlag versetzt wurde, erkannte man diese Tatsche demütig an.

115 Jahre später, ebenfalls an einem 24. November, wurde das unvollständige Skelett von Lucy, einem Australopithecus afarensis in Äthiopien entdeckt, was den ersten Beweis lieferte, dass auch Menschen den Gesetzen der Evolution unterlagen. Einige Zweifel, die bis dahin aufgrund fehlender Fossilien, welche die zweibeinige Haltung bei einem unserer Vorfahren gezeigt hätten, geblieben waren, wurden ausgeräumt.

Der „Primate Pride Day“ gedenkt der Wichtigkeit dieser beiden Ereignisse, was sie über uns aufgedeckt haben sowie ihren tiefgreifenden Einfluss auf die modernen Kultur. Es ist eine Gelegenheit, dieses Wissen in der Öffentlichkeit zu verbreiten und es gegen diejenigen zu verteidigen, die es zu verzerren suchen. 2010 und 2011 hielt die humanistische Gesellschaft Bacaneria Planetaria einige kleinere Konferenzen in Barranquilla ab, um an dieses Datum zu erinnern. Wegen der kürzlich erfolgten Gründung der Asociación de Ateos y Agnósticos del Atlántico entschieden wir, zusammenzuarbeiten und die Führung bei den Feierlichkeiten 2013 zu übernehmen. So feierten wir am 23. November mit drei Reden von namhaften Universitätsprofessoren: Beweise der Evolution, Homosexualität vom neurobiologischen und evolutionären Standpunkt, sowie eine interessante Analyse zu Wissenschaft, Religion und Demokratie. Zusätzlich wurde dieser Tag in diesem Jahr in ganz Lateinamerika gefeiert: in Kolumbien, Uruguay und Chile.

Der Atheismus steht in Südamerika noch am Anfang

Einer unserer Sprecher lud uns ein, uns selbst zu fragen: „Was kann eine atheistische Organisation der Gesellschaft geben?“ Wir denken, eines der hauptsächlichen Dinge, die wir bieten können, ist, die junge Gesellschaft zu erreichen und ihnen zu zeigen, dass Evolution und Wissenschaft nicht langweilig oder nutzlos sind, oder nur etwas, das man in Büchern liest, sondern das es für jeden, der neugierig auf die natürliche Welt ist, der Ausgangspunkt ist, um ein tiefer greifendes Wissen zu erlangen. Wir fragen sie, wie förderlich es für einen Experten wäre (da die meisten Studierende waren) eine geistige Haltung zu vertreten, in welcher er oder sie stolz unsere Abstammung vom Primaten verlacht.

Die Veranstaltung zeigte uns bittersüße Ergebnisse. Generell waren die Veranstaltungen gut besucht, mit einem engagierten und diskussionsfreudigen Publikum. Doch für eine Veranstaltung, die keinen Eintritt kostete, mit Sprechern exzellenter Referenz, bei der sogar Preise geboten wurden, gab es dennoch viele leere Sitze. Es erinnerte uns daran, welch langer Weg noch vor uns liegt.

Wir wissen jetzt: Um Kinder für wissenschaftliche Kenntnisse zu begeistern, ist es das richtige Vorgehen, Projekte anzuregen, die diese Fakten mit Begeisterung lehren, und zwar bereits in der Grundschule. Um dies zu erreichen, müssen auf curricularer Ebene Veränderungen stattfinden, die darauf abzielen, die Menschen zu „impfen“. Sie müssen immunisiert werden gegen die Lügen und Manipulationen derer, die bereit sind, einen Vorteil daraus zu ziehen.

Natürlich sind wir uns bewusst, dass es eine gigantische Aufgabe ist, die Freude an der Wissenschaft mit jungen Menschen zu teilen, besonders wenn niemandem daran gelegen ist, darin zu investieren. Vielleicht bemühen wir uns deshalb so sehr darum, das diese Arbeit vom Staat geregelt wird. Dennoch bleiben unsere Anstrengungen und ihre kleinen Ergebnisse bis heute sehr erfreulich und wir sind begeistert, ein Teil davon zu sein, kritisches Denken in unserer Gesellschaft zu verbreiten. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden „die Banane zu essen“ und den „Primate Pride Day“ zu feiern und wir hoffen, dass wir uns bei der nächstjährigen Feier sehen!

Der Artikel erschien ursprünglich in der Zeit­schrift Secular World 2/2014.
Aus dem Englischen übersetzt von Julia Poyant.