MIZ: Ihre Einführung in das Pastafaritum“ gilt bereits seit Erscheinen als moderner Klassiker – nicht nur in der pastafarischen, sondern in der Theologie insgesamt. Was ist das Besondere an diesem Werk?
Joseph Capellini: Viele Leserinnen und Leser haben mir geschrieben, dass ihnen das Buch geholfen hat zu verstehen, wie sich Glaube unter den geistigen Bedingungen unserer Zeit darstellt. Das war mein Ziel: ich habe diese Einführung verfasst, um den Glauben neu zu verstehen, ohne ihn umständlich auszulegen. Denn oft mündete dies in ein Gerede, das nur mühsam eine völlige geistige Leere verdeckte. Das wollte ich unbedingt vermeiden. Stattdessen sollte es eine ausführliche, ausgewogene Untersuchung werden, aus der Mitte des Glaubens und aus der Sicht des Gläubigen – von mir als Pastafari. Also eine bekenntnisgebundene Untersuchung zum Pastafaritum.
MIZ: Sie verstehen das Werk nicht als Satire?
Joseph Capellini: Nein, keineswegs. Wie kommen Sie darauf? Prophet Bobby Henderson bezeichnet im Evangelium das Pastafaritum als die „beste Religion“. Das nehme ich ernst. Mein Werk folgt der Botschaft des Evangeliums. Es ist Theologie.
MIZ: Sie beziehen sich ausgiebig auf Joseph Ratzingers „Einführung in das Christentum“ – verfasst 1968, als er in Tübingen Theologieprofessor war, lange vor seiner Wahl zum Papst Benedikt XVI. Warum gerade dieser Bezug?
Joseph Capellini: Ratzingers „Einführung“ ist sehr populär, ein Weltbestseller, und begründete seinen Ruf, ein Jahrhunderttheologe seiner Kirche zu sein. Sein Buch erhielt die kirchliche Druckerlaubnis, was als Garant für Glaubenstreue gilt und damit – eng verbunden – für höchstes akademisches Niveau an deutschen Universitäten. Ich habe früh erkannt, dass Ratzingers Werk eine so große theologische Kraft besitzt, dass sie mich in meinen Bemühungen als pastafarischer Theologe enorm weiterträgt. Zwar nennt er Gott meist Jesus, Christus, Jesus der Christus, Vater, Sohn oder Heiliger Geist, aber indem ich das Spaghettimonster als höchsten Bezugspunkt erkenne, kommt die Kraft seiner Theologie – wie ich finde – sogar noch besser zum Ausdruck. Vielleicht ist seine Theologie auch nur ein Anhängsel des Spaghettimonsters. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass wir in den Theologien auf einer tieferen, universellen Ebene miteinander verbunden sind.
MIZ: Manches in Ihrem Buch erinnert stark an Ratzingers Argumente und Wortlaut. Ist es eine Kopie oder ein Original?
Joseph Capellini: Bei meinem Buch handelt es sich um das erste transparente Pastiche der modernen Theologiegeschichte. Die Epigonalität Ratzingers habe ich im Werk offen bekannt. Ich habe seine Gedanken nicht aus dem Zusammenhang gerissen, sondern ihnen den gebührenden Platz gewährt – ausführlich, respektvoll und mit großem theologischem Verständnis. Ich denke, es wäre in seinem Sinne.
MIZ: Aus dem Pastafaritum hätten wir eine kritischere Sicht erwartet. Gibt es kritische Passagen?
Joseph Capellini: Durchaus, aber nicht in Bezug auf Ratzinger. Beispielsweise kritisiere ich Hans Albert in aller gebotenen Deutlichkeit. Anlass ist vor allem sein Werk Joseph Ratzingers Rettung des Christentums, in dem er Ratzinger eine Beschränkung des Vernunftgebrauchs unterstellt. Mit seiner theologiefremden Art der Fixierung auf den Kritischen Rationalismus hat er sich allerdings selbst den Zugang verstellt.
Zur sogenannten Wahn-Trilogie von Heinz-Werner Kubitza sage ich das Nötige aus pastafarischer Perspektive. Über Richard Dawkins, Michael Schmidt- Salomon, Carsten Frerk, Philipp Möller und andere möchte ich an dieser Stelle bewusst schweigen. Ich will meine Wertungen nicht verkürzt wiedergeben. Die Leser mögen meine Einführung in die Hand nehmen und sich ein eigenes Bild machen.
MIZ: Gab es Rückmeldungen aus der katholischen Theologie?
Joseph Capellini: In Ratzingers altem Lehrstuhl an der Universität Tübingen liegt mein Werk zur Auswertung vor. Wann das abgeschlossen ist und wann ein Forschungssymposium mit weiteren katholischen Lehrstühlen über meine „Einführung“ abgehalten wird, darüber wird dort wohl noch beraten. Vielleicht warten sie auch, bis die DFG eine Förderzusage erteilt oder einen Sonderforschungsbereich zur interreligiösen Kooperation mit unserem Kircheninstitut einrichtet, mit dem wir …
MIZ: Sie haben ein Kircheninstitut für das Pastafaritum?
Joseph Capellini: Ja, natürlich. Es heißt „Kircheninstitut“. Ohne Zusatz. Da weiß sowieso jeder, dass unsere Kirche gemeint ist. Mit diesem Namen unterstreichen wir seit jeher unsere zentrale Stellung im theologischen Diskurs. Man findet alles Weitere auf kircheninsti- tut.de. Im Buch nenne ich zudem mehrere Personen des öffentlichen Lebens, die sich bisher nicht offen zu unserem Glauben bekannt haben und nun mit wichtigen Impulse zum Diskurs beitragen.
MIZ: Und wie wollen Sie diesen Diskurs voranbringen – in Theologie, Gesellschaft und Öffentlichkeit?
Joseph Capellini: Das Allerwichtigste ist mir, Brücken zwischen den Religionen zu bauen. Das ist keineswegs auf das Pastafaritum und das Christentum beschränkt – aus der islamischen Welt würdige ich mehrere vielversprechende Ansätze. Im Buch entwerfe ich eine Pax Pastafariana und beschreibe, wie wir sie durch Dialog mit allen Religionen erreichen können. Ich bin überzeugt, dass die theologischen Fundamente, die ich freigelegt habe, zeigen, dass im Pastafaritum eine feste Basis für den interreligiösen Dialog besteht.
Entschieden wende ich mich jedoch gegen jede negative Pastafarologie. Wir erwarten Solidarität in der Gesellschaft angesichts militanten Antipastafarianismus’, zunehmender Pastafariphobie und der Auswüchse des antipastafarischen Rassismus.
Ich bin zuversichtlich. Wir befinden uns im Frühpastafaritum und stehen noch ganz am Anfang eines langen theologischen und gesellschaftlichen Prozesses. Mein Buch versteht sich als erster Beitrag dazu – offen für theologische Weiterführung und eine breite gesellschaftliche Debatte über die Rolle der Religionen.
MIZ: Vielen Dank für das Gespräch.