Schwerpunktthema | Veröffentlicht in MIZ 3/16 | Geschrieben von Bettina Bussmann

Wespennest Genderforschung

Philosophische Rückfragen

Als Philosophin liegen mir zwei Dinge besonders am 
Herzen. Zum einen die Aufgabe, junge Menschen und 
die Öffentlichkeit im Allgemeinen nach den Prinzipien der Aufklärung zu unterrichten. Mündigkeit, verstanden als die Fähigkeit, Probleme zu erkennen, zu reflektieren 
und den Mut zu haben, an gesellschaftlichen Debatten 
zu partizipieren, heißt im Geiste der Kritik die Urteils­
kraft zu schulen. Zum anderen muss diese Form der 
Aufklärung mit einem Philosophieverständnis erreicht 
werden, dass sich als Reflexions- und Integrationswissenschaft an den Erkenntnissen aus den anderen Wissenschaften orientiert, sowohl inhaltlich als auch in 
kritischer Funktion.

Diese beiden Anliegen waren grundlegend, als sich mein philosophisches Interesse an den Fragen nach dem Stellenwert der Genderforschung regte. Ich möchte im Anschluss an einigen Beispielen aufzeigen, dass erstens die Form der Auseinandersetzung in der Genderforschung den Prinzipien aufklärerischer Diskursformen widersprechen, und dass zweitens die inhaltlich-methodische Ausrichtung eines wichtigen Teilbereichs der Genderforschung einigen wissenschaftlichen und wissenschaftsphilosophischen Prinzipien widersprechen. Gerade, wenn man, wie ich selbst, eine Verfechterin der Geschlechtergerechtigkeit ist, muss man darauf achten, dass man durch die Form der Auseinandersetzung und durch fachliche Fehler und Ver­zerrungen diesem Ziel nicht schadet.

Die Situation: Attacken und Unkenntnis

Wie in vielen Bildungsein­richtungen wurden auch alle 
Fachbereiche an meiner Uni­versität angewiesen, mindestens eine Veranstaltung pro Semester anzubieten, in der genderspezifische Themen angesprochen werden. Auch schulische Curricula, Lehr­bücher zu bestimmten The­men und die Fachdidaktik greifen diese Thematik auf. Die Implementierung ist also in vollem Gange. Aber wer kennt sich hier aus? Auf welche Weise sollen Thematiken der Genderforschung unterrichtet werden? Selbst KollegInnen, Studierende, SchülerInnen und die breite Öffentlichkeit erst recht wissen oft nicht, was sich hinter der Unterscheidung „Sex“ und „Gender“ verbirgt und wie beides zusammenhängt. Was die Genderforschung überhaupt macht, ist den meisten vollkommen unbekannt. Statt einer sachlichen Aufklärung erleben sie aufgeregte, ja hysterische Debatten in den öffentlichen Medien, in denen man sich zum Teil übel beschimpft. Selbst in akademischen Kreisen werden die Diskurse immer schriller. So schreibt der Biologe Ulrich Kutschera in seinem kürzlich erschienenen Buch Das Gender-Paradoxon, der „Genderismus“ sei nichts weiter als „eine pseudowissenschaftliche Ersatzreligion gewisser weiblicher, meist homoerotisch veranlagter, kinderloser Personen, die mit ihrem biologischen Frau-Sein Probleme haben – für diese Aktivitäten privilegierter Damen werden staatliche Gelder in Millionenhöhe verausgabt, was wahrlich eine fragwürdige Zukunfstinvestition darstellt“.1 Doch auch die Gegenseite ist nicht zimperlich. Ilse Lenz schreibt im Tagesspiegel unter der Rubrik „Gender in der Forschung“: „Die Kritiker sind politisch zumeist im neoliberalen, rechtskonservativen und rechtsextremen Spektrum zu Hause. Sie befinden sich in fundamentalistischen kirchlichen Gruppen, unter Männerrechtlern, in der AfD oder bei Pegida, aber durchaus auch in der ‘bürgerlichen’ Presse.“

Wer wagt es denn überhaupt noch, sich in einem solchen Klima in die Debatte einzumischen? Dabei überdeckt die Form der Auseinandersetzung wichtige Fragen, die in der Genderdebatte gestellt werden müssen. Kritik an den theoretischen Grundfesten der Genderforschung bedeutet nicht, dass man per se gegen „Frauenforschung“ ist, was ich immer wieder höre. Jede WissenschaftlerIn – also natürlich auch die GenderforscherIn – muss sich kritischen Fragen stellen, um ihre Theorie zu testen und weiterzuentwickeln. Dies ist ein Gütekriterium wissenschaftlichen Arbeitens. Außerdem bedeutet Kritik auch nicht, dass die Position des/der KritikerIn wahr ist. Sie bedeutet zunächst das kritische Hinterfragen in Form von Argumenten und Tatsachenbehauptungen, die es zu prüfen gilt. Und auch wenn man sich Wissenschaftsbereiche vorstellen kann, in denen kritiklos vor sich hingeforscht wird – für die Philosophie bedeutet ein Verzicht auf kritische Prüfung ihren Tod. Die Philosophie lebt von der ethischen und erkenntnistheoretischen Kritik an Theorien, Systemen und Gesellschaften. Die damit verbundene Denkschulung ist eine notwendige Voraussetzung für freiheitlich-demokratische Gesellschaften. In diesem Sinne ist, wie Schmidt-Salomon sagt, „der freundlich-feindliche Widerstreit der Positionen wesentlicher Motor des gesellschaftlichen Fortschritts“. Stellen wir also einige Fragen.

Das Problem

Die „Gender studies“ beschäftigen sich 
mit Geschlecht und Geschlechterver­hältnissen in ihren sozialen und politischen Zusammenhängen. Schon hier 
taucht das erste Problem auf: Im Eng-
lischen wird zwischen Gender (Rollen­geschlecht) und Sex (Körpergeschlecht) unterschieden. In den meisten deutschsprachigen Arbeiten wird jedoch das Wort „Geschlecht“ verwendet, und es ist nicht immer klar, ob die Behauptungen zum Geschlecht sich nur auf Gender oder auch auf Sex beziehen. Das Fundament aller Diskussionen ist also der Unterschied zwischen Mann und Frau. Wir erleben ihn täglich, er manifestiert sich im Verhalten, in gesellschaftlichen Machtverhältnissen, in wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Kontexten, kurz: Er formt unsere Kultur. Eine Aufgabe der Genderforschung wird nun darin gesehen, das androzentrische Weltbild sowie Naturalisierungen von Geschlecht aufzuspüren, zu entlarven und zu bekämpfen. Denn beides seien Machtinstrumente, die zu Diskriminierungen und zu Missbrauch führen – wie wir in vielen frauenverachtenden Gesellschaften weltweit tagtäglich beobachten können. Und tatsächlich sind Zuschreibungen der Form „Frauen sind von Natur aus X, deshalb dürfen sie nicht Y bzw. müssen Z“ hochproblematisch.

PhilosophInnen sprechen hier vom naturalistischen Fehlschluss, da man aus einer Tatsache keine Vorschriften ableiten kann; nur weil die Natur zwei Geschlechter hervorgebracht hat, heißt das noch nicht, dass sich eine Gesellschaft daran ausrichten soll. Das Problem solcher Naturalisierungen liegt hier im erzieherischen und damit politischen Bereich. Die amerikanische Biowissenschaftlerin Anne Fausto-Sterling sagt treffend: „Wenn man einmal daran glaubt, daß es eine biologische Erklärung für ein gesellschaftliches Phänomen gibt [z.B. weniger Frauen wählen ein MINT-Studium, BB.], dann liegt es auch nahe, alle Bemühungen, die bestehende Situation zu ändern, für sinnlos zu halten.“2 Aus diesem Grund ist der Begriff „Natur“ für viele GenderforscherInnen ein Herrschaftsbegriff, der durch unzu­lässige Naturalisierungen eine Unveränderbarkeit der vorherrschenden gesellschaftlichen Ordnung zementiert. Wer dieses behauptet, muss sich allerdings auch mit der zugrundeliegenden fundamentalen naturwissenschaftlichen Frage auseinandersetzen: Gibt es eine festgelegte Natur von Mann und Frau und wenn ja: wodurch wird sie bestimmt? Denn ebenso wie es den naturalistischen Fehlschluss gibt, so gibt es den kulturalistischen Widerspruch, der gebietet, was nicht getan werden kann. Denn man kann nur sollen, was man auch kann, sprich: Wenn ein Mensch über bestimmte natürliche Eigenschaften und Verhaltensweisen verfügt, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben, dann kann eine Gesellschaft schwerlich von ihm verlangen, diese Natur abzulegen. Genau hier beginnt die Kampfzone zweier Lager, die man grob in die der Kulturalisten und die der Naturalisten einteilen kann. Die Kulturalisten behaupten, dass „Geschlecht“ (für viele sogar das Körpergeschlecht) gesellschaftlich konstruiert ist, während die Naturalisten davon ausgehen, dass es biologisch determiniert ist. Für die kulturalistisch ausgerichtete Genderforschung gilt es, die Zwangsheteronormativität, d.h. die unhinterfragte Norm eines binären Geschlechtssystems Mann/Frau, in den Theorien und Lehrbüchern aller Fächer aufzudecken. Für Naturalisten ist dieses binäre Geschlechtssystem allerdings grundlegend. Die XX-XY-Physiologie sei genetisch, hormonal, zerebral und daher auch im Verhalten sichtbar.

Es verwundert deshalb nicht, dass die Biologin und Genderforscherin Kerstin Palm eine „eigenartige Dis­krepanz zwischen einer völligen Ab­wesenheit der Gender-Thematik in den Naturwissenschaften auf der einen Seite und einem recht gut ausgearbeiteten diesbezüglichen Forschungsfeld auf der anderen Seite“ feststellt.3 Zu 
unterschiedlich sind a) die theoreti­schen Grundannahmen und b) die Forschungsmethoden beider Lager. An dieser Stelle geht es nicht mehr um die gesellschaftspolitische Frage 
der Institutionalisierung des Themas Geschlechtergerechtigkeit und das Be­mühen um eine gerechtere Gesellschaft, sondern um die Frage, welche Methoden wir für legitim halten, um Erkenntnisse über die Welt zu erlangen. Schauen wir uns die Bildungsaufgaben in Schule und Universität an, so steht fest, dass wir der wissenschaftlichen Methode einen besonderen Stellenwert zumessen. Wenn es also um die Frage geht, wie die biologische Natur von Mann und Frau entstanden und wie sie aufgebaut ist, dann wenden wir uns z.B. an die verschiedenen Biowissenschaften, die Psychologie, die Neurowissenschaften, die interdisziplinär vernetzt sind und einen Konsens über zulässige, erfolgversprechende Forschungsmethoden haben. Diese Grundlage ist Status quo in den Bildungscurricula, Lehrwerken und in der internationalen Forschung. Unsere SchülerInnen durchlaufen eine 
zwölf- bis dreizehnjährige Ausbildung, in der sie im wesentlichen Erkennt­nissen aus diesen Disziplinen erlernen.

Aus den Gender-Curricula für Bachelor- und Masterstudiengängen ist als Kritik allerdings zu hören, dieses sei „Mainstream-Wissenschaft“, sie sei „geschlechtsblind“ und bedarf anderer Methoden, um androzentrische Positionen in den Wissenschaften aufzudecken. Dazu zählen Methoden wie die Dekonstruktion, die Psychoanalyse, die Phänomenologie und diverse hermeneutische Methoden. Die Forderung lautet, dass „Geschlecht“ mit eben diesen Methoden als Analyse- und Erkenntnisinstrument in allen Wissenschaftsbereichen untersucht werden soll. Die zwei folgenden Beispiele zeigen auf, wie aus der Perspektive der Genderforschung naturwissenschaftliche Ergebnisse und Theorien interpretiert werden sollen. Es sind Vorschläge an Lehrende, die – das muss betont werden – die vorgeschlagenen Methoden oft ablehnen bzw. überhaupt nicht beherrschen. Die Frage ist also: Müssen wir diese Methoden erlernen oder sind sind sie für diese Bereiche abzulehnen?

Zwei Beispiele

Biologie: „Fokussiert werden die biologischen Paradigmen, Vornahmen, die vermittelte Herstellung von Geschlecht und die symbolische Ebene der Geschlechterdifferenzen. Dabei werden die Dichotomien in der Biologie analysiert, wie etwas Körper/Geist, Natur/Kultur, Passivität/Aktivität, die geschlechtskodiert und in einem hierarchischen Verhältnis angeordnet sind. So sind die ersten Positionen weiblich markiert und die letzten männlich belegt und höhergestellt. Diese Struktur findet in den Subtexten biologischer Erzählungen einen Ausdruck. Sei es der aktive männliche Geist, der die Geheimnisse der weiblichen passiven Natur enthüllt, das heldenhafte Spermium, das alle widrigen Umstände überwindet und, seine Konkurrenten ausstechend, eine Eizelle wachküsst. Oder seien es die Androgene, die während der Embryogenese für die Weiterentwicklung vom weiblichen zum männlichen Gehirn sorgt. […] Viele geschlechterperspektivische Studien verstehen die Biologie als ein gesellschaftliches Unternehmen und das von ihm produzierte Wissen als gesellschaftlich, kulturell geprägtes Produkt. […] Der Einbezug sozialer, kultureller, politischer und persönlicher Faktoren in die Analysen wird dabei nicht als Vorwurf einer ‘schlechten Wissenschaft’, sondern als verbesserte Form von Objektivität verstanden.“4

Physik: „Ein Wasserstoffatom beispielsweise besteht aus einem Atom­kern, einem Proton, das aus drei Ele­mentarteilchen der Gruppe der Quarks zusammengesetzt ist, und einem, die­sen Kern umkreisenden, Elektron, welches zur Gruppe der Leptonen ge-
hört. Diese Elementarteilchen Lepto­nen und Quarks werden nun jeweils paarweise angeordnet und wiederum je ein Leptonenpärchen und ein Quarkspärchen zu einer Vierergruppe zusammengefasst. Insgesamt sind die 
Elementarteilchen in jeweils drei Vie-
rergruppen, in sogenannte Generatio­nen der Familien von Leptonen und 
Quarks unterteilt. Zur ersten Familie gehören quasi als Eltern das Up-Quark (mit Quarkeigenschaft Flavour +1/2) und das Down-Quark (mit Flavour -1/2) sowie die beiden viel kleineren Leptonen Elektron und Elektron-Neutrino. Auf­fällig ist nicht nur, dass heteronormative Vorstellungen von hierarchisch angeordnetem Paar und (Klein-)Familie als Vorbild für die Systematisierung der Elementarteilchen verwendet wurden, sondern auch, dass zunächst genau diese Ordnung positiviert wurde, bevor zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich alle zwölf Teilchen und physikalische Begründungen für ihre Anordnung gefunden werden konnten. Und auch hier gilt wieder der Umkehrschluss. Sind heteronormative Vorstellungen von sozialen Verhältnissen eingeschrieben in das Standardmodell der Elementarteilchenphysik, werden damit auf sehr subtile Weise Aussagen über die Natürlichkeit und Universalität von Zweigeschlechtlichkeit und heterosexuellem Begehren getroffen.“5

Rückfragen an die Genderforschung

1. Kritik an an den Methoden der Welterschließung gibt es nicht erst seit der Genderforschung. Genau genommen ist sie 2500 Jahre alt und beginnt in der Antike mit der philosophischen Frage, ob unser Erkennen nur ein Spiel um Worte und Macht ist (Relativismus) oder ein Ringen um Wirklichkeitserkenntnis. Ganz abgesehen davon, dass in den Schulbüchern keine „Erzählungen“ von wachgeküssten Eizellen mehr zu finden sind, bleibt die Frage, ob die angebotenen Analysen der GenderforscherInnen zu einer „verbesserten“ Objektivität führen. Dazu müsste zunächst einmal die Frage gestellt werden, was Objektivität eigentlich ist und in welcher Hinsicht diese Untersuchungen sie verbessern. Hierzu gibt es sicherlich interessante Beiträge, z.B. von der Biologin Donna Haraway, die anhand konkreter Feldstudien im Bereich der Primatenforschung aufzeigt, dass Frauen und Männer Affenverhalten unterschiedlich beobachten und bewerten und dass durch die Beobachtung von Frauen die bestehenden Theorien (neue empirische Daten, neue Hypothesen) verbessert werden. Aber sie hebt in erster Linie hervor, dass daraus folgen sollte, dass sich Frauen stärker an wissenschaftlichen Diskursen beteiligen sollen, da sie dadurch die Wissenschaft bereichern und verändern. Einer Bewertung und einem Vergleich der Theorien enthält sie sich jedoch, so dass die Frage nach „Wahrheit“ und „Objektivität“ erneut im Raum steht. Was folgt aus der Feststellung, dass Personen bestimmter Herkunft zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas herausfinden (Genesis) für die Frage, ob diese Erkenntnisse auch wahr sind? (Geltung)

2. Daran anschließend stellt sich 
die Frage, was aus der Metaphern-
untersuchung des Elementarteilchen­modells folgen soll. Die Geschichte der Menschheit ist tatsächlich eine männliche, und auch den empirisch arbeitenden WissenschaftlerInnen ist mittlerweile bekannt, dass unser „Wissen“ von WEIRD people erschaffen wird: Sie sind White, Educated, Industrialized, Rich und Democratic. Und in vielen Bereichen auch Male. Aber sagt das etwas über die Wahrheit des Modells aus oder über die Fruchtbarkeit einer Metapher? Geht es um die Einführung von gendergerechter Sprachverwendung bei der nicht-mathematischen Beschreibung von Modellen? Oder um den wenig erstaunlichen Hinweis, dass unsere Gesellschaft zum Großteil in heterosexuellen Partnerschaften lebt und sich dieses Faktum in der Verwendung von Metaphern niederschlägt?

3. Es gibt zwei Extrempositionen, die es zu vermeiden gilt. Naturalisten, die behaupten, unsere Erkenntnisse über die Natur seien völlig unabhängig von unserer kulturellen Praxis, und Kulturalisten, die behaupten, dass unsere Erkenntnisse über die Natur rein geistige Schöpfungen und sozial konstruiert seien. Wenn GenderforscherInnen sich ausschließlich der letzten Position anschließen, ist eine erfolgversprechende Zusammenarbeit mit vielen Wissenschaftsbereichen nicht möglich. Denn das Methodenrepertoire des 
Sozialkonstruktivismus ist umstritten 
und kann nicht in allen Disziplinen angewendet werden. Interdisziplinäre Zusammenarbeit kann nur gelingen, 
wenn es einen Konsens in der For­schungsfrage, dem Erkenntnisgegen­stand und/oder der Erkenntnismethode gibt. Das auffallende Ausblenden von Forschungsergebnissen z.B. aus den 
Bereichen Soziobiologie, Evolutions-
biologie, Sozial- und Entwicklungs­psychologie in der Genderforschung machen deutlich, dass bestimmte Wissenschaftsbereiche aufgrund ihrer hohen „Naturalisierungsdichte“ ausgeschlossen werden. Es sind aber gerade Erkenntnisse aus diesen Bereichen, die unsere SchülerInnen und Studierenden in ihrer Ausbildung erlernen.

4. Damit steht folgender Vorwurf im Raum: Hier wird wissenschaftliche Praxis auf gesellschaftspolitische Praxis reduziert und sie setzt sich damit dem Ideologieverdacht aus. Ja – Kinder erwerben ihre Geschlechtsidentität durch kulturelle Normen, die Rollenbilder vorgeben (Genesis). Aber daraus folgt nicht ohne weiteres, dass diese kulturellen Normen ohne jeden biologischen Bezug Geltung haben. Hier entsteht die Gefahr einer unwissenschaftlichen, indoktrinierenden Erziehung (z.B. „Mythos Familie“).

Fazit: Genderforschung bedeutet nicht Feminismus oder Frauenförderung und sollte das von ihr selbst gesetzte Ziel einer inter- und transdisziplinären Forschung konsequent verfolgen. Hierzu gehört, einen zweifelhaften, wissenschaftsphilosophisch nicht haltbaren Kulturalismus und Relativismus zu vermeiden. Das Geschlecht darf bei der Verfolgung meiner Lebensziele keine diskriminierende Rolle spielen, was aber die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der Klassifikation „Geschlecht“ angeht, so dürfen diese nicht polemisierend ignoriert werden und in einem Geschlechterkampf enden.

Anmerkungen

1 Kutschera, U.: Das Gender-Paradoxon. Mann und Frau als evolvierte Menschentypen. LIT, Berlin 2016.
2 Fausto-Sterling, A.: Gefangene des Ge­schlechts? Was biologische Theorien über Mann und Frau sagen. München 1988. S. 21.
3 Palm, K.: Gender - eine unbekannte Katego­rie in den Naturwissenschaften? In: Frey Steffen, T./ Rosenthal, C./ Väth, A: Gender Studies. Wissenschaftstheorien und Gesell­schaftskritik. Würzburg 2004. S. 97.
4 http://www.gender-curricula.com/gender-curricula/gender-curricula-detailansicht/
?uid=10&casegroup=4&cHash=1429585797
5 Götschel, H./Niemeyer, D.: Naturwissen­schaften und Gender in der Hochschule. Aktuelle Forschung und erfolgreiche Um­setzung in der Lehre. Mössingen-Talheim 2009. S. 789