Zündfunke | Veröffentlicht in MIZ 1/08 | Geschrieben von Redaktion MIZ

Zündfunke … Religionskritischer Arbeitskreis / Blasphemie-Preis / Giordano Bruno-Denkmal / Feuerbach-Preis / August Bebel in Freiburg / Bundesprüfstelle / Religionsfreie Zonen / Ethik ohne Kirche / IBKA gegen Lohndumping / Schreibwettbewerb / Fundamentalismus – Integration? /

Religionskritischer Arbeitskreis

In Wiesbaden haben der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und die Freireligiöse Gemeinde einen Religionskritischen Arbeitskreis ins Leben gerufen, der einmal im Monat einen Vortragsabend durchführen wird. Dabei wird es hauptsächlich um eine grundlegende Kritik der Religionen und ihrer gesellschaftlichen Folgen gehen. Zwar sei es durchaus das Ziel, in die Gesellschaft hineinzuwirken, doch da sich aus den Fundamenten alles weitere ableite, solle die Religions- und nicht die Kirchenkritik im Vordergrund stehen. Mit dem Arbeitskreis ist auch eine neue Anlaufstelle im Rhein-Main-Gebiet geschaffen worden, so dass Interessierte sich über die Arbeit zweier in ihren Ansätzen doch sehr unterschiedlicher Verbände aus dem säkularen Spektrum informieren können.

Beim ersten Vortrag im Februar diskutierten etwa ein Dutzend Teilnehmer lebhaft über die Frage, ob am „Wesen der Weltreligionen“ die Welt genesen solle. Holger Behr von der Freireligiösen Gemeinde hatte eine kurze Einführung gegeben, in der er auf die zahlreichen höchst problematischen Inhalte der großen Religionen hinwies und die Notwendigkeit einer weltlichen Ethik postulierte. Letztere Forderung fand zwar einhellige Zustimmung, keine Einigkeit hingegen herrschte darüber, ob Religionen als „Unheilsbotschaften“ erkannt werden müssten oder ob nicht Vorstellungen von Gott denkbar seien, die menschenfreundlich wirken (eine Teilnehmerin wollte die alten matriarchalen Kulte so deuten).

Der zweite Vortragsabend im März hatte die „weltanschaulichen, politischen und religiösen Ursachen des Terrorismus“ zum Thema; Anfang April stand eine Diskussion über die „Integrationsvereinbarung zwischen der Stadt Wiesbaden und Islamischen Gemeinden“ auf dem Programm.

Die Veranstaltungen finden jeweils am zweiten Dienstag im Monat in den Räumen der Freireligiösen Gemeinde Wiesbaden, Rheinstraße 78, statt; Beginn ist um 18 Uhr. Kontakt über Ruth Hofbauer, Fon (0611) 811 00 52.

Blasphemie-Preis

Der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München hat einen Kunstpreis für Werke, die „Blasphemie“ zum Inhalt haben, ausgelobt: „Gesucht werden Kunstwerke, die humorvoll und intelligent übernatürliche (= meist religiöse) Vorstellungen auf die Schippe nehmen und so geeignet sind, deren Alleinvertretungsanspruch (...) zu unterminieren und somit die Freiheit von Gesellschaft und Kunst zu fördern.“ Bis 31.7.2008 können derart „blasphemische“ Arbeiten eingereicht werden, für die Formate gibt es nahezu keine Beschränkungen. Zeichnungen, Skulpturen und Texte sind ebenso zugelassen wie Filme, Musikstücke oder Aktionen. Lediglich eine Beschränkung des Umfangs ist vorgesehen: „Bei Filmen, Kunstaktionen, Musik-, Kabarett- und Theaterstücken sollten diese in digitaler Form per DVD oder CD eingereicht werden, maximale Spieldauer 5 Minuten, bei Texten und Cartoons müssen diese in max. 5 Minuten vorzulesen bzw. erfassbar sein.“

Die eingesandten Arbeiten sollen auf der Webseite www.frechermario.org präsentiert werden. Die Preisverleihung ist für den 11. Oktober in München vorgesehen. Für die Jury sind zahlreiche prominente Künstlerinnen und Publizisten angefragt. Als Preisgeld sind 3.000 Euro hinterlegt, die unter den drei besten Einsendungen aufgeteilt werden. Allerdings hofft der bfg durch Spende und die Beteiligung anderer säkularer Verbände die Summe noch aufstocken zu können.

Die Einsendung der Kunstwerke soll erfolgen an: bfg München, Valleystraße 27, 81371 München, Blasphemie@frechermario.org. Weitere Infos unter: www.frechermario.org. Spendenkonto bfg München, Konto 1815-801, Postbank München, BLZ 700 100 80 (Stichwort _Frecher Mario_).

Religionsfreie Zonen

Für Karfreitag hatte der nordrhein-westfälische Landesverband des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) zu einer „Religionsfreien Zone“ nach Köln ins Filmhaus eingeladen. „Für alle, die sich Heidenspaß und vernunftgeleitetes Denken auch an einem verordneten ‘stillen Feiertag’ nicht verbieten lassen“, wie es im Ankündigungsflugblatt hieß, wurden zwei Filme und jede Menge Information geboten.

Wie auch bei ähnlichen Veranstaltungen des bfg München sollte ins Bewusstsein gerufen werden, dass die Feiertagsgesetze der Bundesländer für den Karfreitag ein weitgehendes Feierverbot verfügen. In Nordrhein-Westfalen sind die Restriktionen besonders rigide, von Gründonnerstag 18 Uhr bis Ostersamstag 6 Uhr darf kein Fest mit Tanz und Musik außerhalb einer Privatwohnung stattfinden. Selbst eine private Feier in einer Gaststätte oder einem Vereinsheim ist in dieser Zeit nicht möglich. Gegen diese Regelungen, die dazu führen, dass konfessionslose Bürgerinnen und Bürger ihr Privatleben nach Glaubensvorstellungen der christlichen Kirchen ausrichten müssen, protestierte der IBKA mit der Religionsfreien Zone.
Auf eine Party im großen Stil verzichteten die Organisatoren aus taktischen Überlegungen. „Es bringt nichts, wenn wir gleich beim ersten Mal mit einem Verbot belegt werden“, erklärt Ponitka, schließlich soll es die Veranstaltung in Zukunft jedes Jahr geben und dazu müsse sie erst einmal etabliert werden. So gab es diesmal nur zwei Filme. Der erste, „Wer den Wind sät“, thematisierte den Konflikt um die Evolutionstheorie im Schulunterricht. Obwohl der Streifen über fünfzig Jahre auf dem Buckel hat und auf einem wahren Fall aus den 1920ern basiert, erschien er hochaktuell angesichts all der Versuche, Schöpfungsvorstellungen in den Biologieunterricht hineinzubringen. Der zweite Film transportierte keine weltanschauliche Botschaft, aber als die Kömodie „Sterben für Anfänger“ lief, kam im Kinosaal richtig Partystimmung auf. Auch Filme müssen, den Buchstaben des Gesetzes nach, vom Kultusministerium geprüft werden, ob sie zur Aufführung am Karfreitag geeignet erscheinen – den Programmzeitschriften nach zu urteilen kommt diese Bestimmung aber offenbar kaum zur Anwendung. Trotzdem besteht die gesetzliche Möglichkeit und kann somit jederzeit (und willkürlich) angewendet werden.

IBKA-Landessprecher Rainer Ponitka war mit dem Abend zufrieden und kündigte an, auch für nächstes Jahr wieder passende Filme auszusuchen.

Auch in München fand am Karfreitag eine vom Bund für Geistesfreiheit (bfg) München organisierte Religionsfreie Zone in Form einer Freigeistigen Filmnacht statt. Neben den Klassikern Chocolat und Wer früher stirbt ist länger tot, die auch in den vergangenen Jahren bereits gezeigt worden waren, gab es für die rund 100 Besucher auch noch den beschlagnahmten Film Wer glaubt, ist nicht allein über eine politische Aktion zum Papstbesuch 2006 und Die Mitarbeiter der Wahrheit, eine satirische Doku-Soap von Marcel Seehuber. Zwischen den Filmen gab es – wie immer in München – reichlich Schokolade und Diskussionen im Kino und im darüber gelegenen Restaurant Foyer.

Auf die manchmal vorgebrachte Frage, ob es denn nichts Wichtigeres gäbe, als zusätzliche Party-Tage zu erstreiten, hat bfg-Vorsitzende Assunta Tammelleo eine eindeutige Antwort: Wenn man den ganzen ‘Tanz’ auf die Absicht, mehr feiern zu dürfen, reduziert, wäre der Einwand berechtigt. Aber es gehe darum „die gesamten ‘Verhältnisse’ zum ‘tanzen’ zu bringen“! Denn das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland bringt es nicht nur mit sich, dass an bestimmten „stillen“ Tagen bürgerliche Rechte eingeschränkt werden; die Benachteiligung des konfessionslosen Drittels der Bevölkerung zeigt sich in zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen.

Insofern hat der bfg München, nach dem Verbot von Live-Musik bei der Religionsfreien Zone 2007, den Rechtsweg nicht mit dem vorrangigen Ziel beschritten, irgendwann an einem Karfreitag ein Konzert veranstalten zu können. Es geht vielmehr darum, anhand des Feiertagsgesetzes zu thematisieren, dass der Staat in vielfacher Hinsicht ungläubige Bürgerinnen und Bürger zur Einhaltung religiöser Verhaltensregeln zwingt. Das Bayerische Verwaltungsgericht hat in dieser Sache am 12. März übrigens – erwartungsgemäß – entschieden, dass das behördliche Verbot nicht rechtswidrig war, eine Revision jedoch zugelassen. Der bfg hat bereits angekündigt, in die nächste Instanz zu gehen.

Ethik ohne Kirche

Der Frage nach einer „Ethik ohne Kirche“ ging Ende Januar ein Wochenendseminar des Dachverbands Freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW) nach. Im Zentrum der Kritik stand der konfessionelle Religionsunterricht, der als hinderlich für eine gesellschaftliche Integration bewertet wurde, weil der Klassenverband hier nach Konfessionen aufgeteilt wird. Bereits zuvor hatte der DFW den Deutschen Bundestag in einer Petition aufgefordert, Artikel 7, Absatz 3 des Grundgesetzes, der den Religionsunterricht als „ordentliches Lehrfach“ ausweist, ersatzlos zu streichen. Nicht die Ausdehnung dieses Privilegs auf weitere Religionsgemeinschaften, sondern die Einführung eines „integrativen Pflichtfaches zum ethischen, sozialen und interkulturellen Lernen“ sei zielführend, wenn es um die Vermittlung gemeinsamer Werte gehe. Unklar blieb letztlich allerdings die Grundlage der eigenen Position. In Abgrenzung zur Idee eines „Weltethos“ auf der Basis der Weltreligionen (Hans Küng) postulierte der DFW ein Weltethos in Form der im Zuge der Aufklärung entwickelten Menschenrechte. Der Begriff der Religion findet dann aber doch Erwähnung, wenn gegen Küngs Projekt eine „Ethik der Religion oder eine Religion der Ethik“ positiv abgehoben wird.
Zu den Ergebnissen der Tagung gehört aber auch ein ganz konkretes Vorhaben. So ist geplant, an alle Kultusministerien die Frage zu richten, welche Lehrpläne und Studienordnungen in der Lehrerausbildung die Menschenrechte als Lernziel enthalten. Außerdem sollen die Ergebnisse einer Befragung der Kultusminister hinsichtlich der Umsetzung des Ethikunterrichts in den Ländern, die der Fachverband Ethik durchgeführt hat, ausgewertet werden.

IBKA gegen Lohndumping

Aus Anlass der Debatte um Mindestlöhne auch in kirchlichen Betrieben hat der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) die einschlägigen arbeitsrechtlichen Sonderregelungen kritisiert. Die Ablehnung des Mindestlohns durch die kirchlichen Arbeitgeber zeige, „dass sie sich die Option von Dumpinglöhnen offenhalten wollen“, heißt es in einer Pressemitteilung. Beim zunehmenden Wettbewerb im Sozialbereich sei eine Verschlechterung der Bedingungen für kirchliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu befürchten. Dass kirchliche Unternehmen vom allgemein geltenden Arbeitsrecht ausgenommen seien, eröffne ihnen dabei Möglichkeiten, über die andere Arbeitgeber nicht verfügten.

Schreibwettbewerb

Auf Athpedia, der säkularen Internet-Enzyklopädie, findet derzeit ein Schreibwettwerb statt. Dafür können neue oder wesentlich erweiterte Stichwörter, die bis 31. Mai eingestellt werden, zur Nominierung vorgeschlagen werden. Eine Jury wird anschließend die Artikel bewerten und das Ergebnis bis Ende Juni bekanntgeben. Für die besten acht Beiträge winken Buchpreise.

Der Wettbewerb soll sowohl bisherige Autorinnen & Autoren der Athpedia zusätzlich motivieren als auch das Online-Lexikon bekannter machen und somit neue Beiträge gewinnen. Derzeit finden sich Athpedia mehrere hundert Artikel zu Begriffen, Personen und Organisationen.

Weitere Informationen inclusive einer Schritt-für- Schritt-Anleitung unter: http://athpedia.de/wiki/ Athpedia:Schreibwettbewerb

Gewaltfreiheit

Am 25. Januar wurde unter dem Titel „Weltlicher Humanismus und Gewaltfreiheit“ das Buch Kriegsdienste verweigern – Pazifismus aktuell. Libertäre und humanistische Positionen im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte vorgestellt. Auf Einladung der Bibliothek der Freien und der Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK) kamen über 50 Interessierte, um mit den Buchautoren, von denen die Hälfte anwesend war, zu diskutieren. Als Verfasser des Vorwortes betonte Bruno Osuch vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) das gemeinsame Engagement für eine Zivil-Gesellschaft. Harry Hoffmann, IDK-Mitglied seit über 50 Jahren, begründete seine Position als anti-religiöser totaler Kriegsdienstverweigerer. Helga Weber und Wolfgang Zucht, aktiv im Herausgeberkreis der Zeitschrift Graswurzelrevolution, referierten ausführlich die Einflüsse des indischen Atheisten Gora auf Mahatma Gandhi, der in seinen letzten Lebensjahren religiöse Dogmen veränderte und sich humanistischen Positionen zuwendete (im Buch selbst schreibt dazu auch Mark Lindley). Durch den Abend führte der Herausgeber des Buches Wolfram Beyer und bemerkte, dass für eine gewaltfreie Gesellschaft auch das gesellige Beisammensein von Bedeutung sei. Dazu hatte die IDK Getränke und Essen organisiert und befreundete Musiker/innen spielten traditionelle französische Musik zum Ausklang des Abends. Die aktuelle Buchveröffentlichung ist die zweite Zusammenarbeit zwischen IDK und HVD LV Berlin. Im Jahr 2000 veröffentlichten diese beiden Organisationen bereits eine Hommage an Ossip K. Flechtheim.

Wolfram Beyer (Hrsg.): Kriegsdienste verweigern – Pazifismus aktuell. Libertäre und humanistische Positionen. Berlin: Oppo-Verlag 2007. 155 Seiten, kartoniert, Euro 16.-, ISBN 978-3-926880-16-1

Fundamentalismus – Integration?

„Islam: Fundamentalismus oder Integration?“ lautete der Titel einer Diskussionsveranstaltung der Humanistischen Union (HU) in Frankfurt. Im Café Wiesengrund stellten zunächst die zwei Podiumsteilnehmer ihre Thesen vor. Der an der Fachhochschule des Bundes lehrende Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber verwies darauf, dass es nicht so einfach sei, die Grenze zwischen „Islam“ (als Religion) und „Islamismus“ (als politische Ideologie) zu ziehen, da die jüngste der drei großen monotheistischen Religionen mit dem ausdrücklichen Anspruch auftrete, die Gesellschaft zu ordnen. Viele der islamistischen Positionen seien in den religiösen Texten angelegt (es geht also weniger um „Missbrauch“ der Religion als um eine bestimmte Interpretation). Insofern stelle sich die Frage, ob der Islam demokratiekompatibel sei. In der differenzierten Antwort Pfahl-Traughbers wurde die Ambivalenz der Religionen deutlich: Einerseits steht im Islam die „Gottessouveränität“ über der „Volkssouveränität“, die Auffassung des Islam als ganzheitliche, gesellschaftsprägende Lebensweise kollidiert mit Grundrechten, Pluralismus und Säkularität. Andererseits finden sich auch in (einzelnen) islamischen Staaten demokratische Strukturen und die in den westlichen Ländern lebenden Muslime, die ihren individuellen Glauben mit einem Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit können, zeigen, dass auch diese Interpretation des Islam geschichtswirksam werden kann. Die „Gretchenfrage“ in diesem Zusammenhang sei, ob im Konfliktfall letztlich die Glaubensinhalte oder die Menschenrechte Vorrang haben.
Turgut Yüksel, hessischer SPD-Landtagsabgeordneter und Gründer der Initiative säkularer und laizistischer Bürgerinnen und Bürgern aus islamisch geprägten Herkunftsländern (ISL) vertrat die Auffassung, dass 85% der in Deutschland lebenden Muslime integriert seien. Zudem seien viele Zustände, für die als Ursache der Islam wahrgenommen wird, wie etwa die patriarchalischen Familienstrukturen, auch in nichtislamischen Gesellschaften festzustellen. Allerdings sei es fraglich, ob die Verbände, die nun bei der „Islamkonferenz“ am Tisch sitzen, tatsächlich die in Deutschland lebenden Muslime bzw. sogar sämtliche Einwanderer aus islamisch geprägten Ländern repräsentieren können. An diese Organisationen müssten konkrete Fragen gestellt werden, wie sie es mit den Freiheitrechten der Individuen halten.
An die einleitenden Referate schloss sich eine lebendige, teilweise sogar etwas zerfahrene Diskussion an, die sich hauptsächlich um eine Bewertung des Islam drehte. Der Aspekt der Integration trat dabei etwas in den Hintergrund. Bei einer diesbezüglichen Frage immerhin zeigte sich das von Peter Menne (HU Frankfurt) moderierte Podium einig: der von Innenminister Schäuble angekündigte islamische Religionsunterricht, dürfte hier kaum positive Wirkung entfalten. Wenn eine Gruppe von Schülern aus dem Klassenverband herausgenommen werde, erhalte sie dadurch immer eine Sonderrolle, meinte Armin Pfahl-Traughber und illustrierte dies mit einem Beispiel aus eigener Anschauung. Natürlich sei es sinnvoll, wenn Kinder etwas über den Islam wissen, ergänzte Turgut Yüksel, aber das gelte für alle Schüler. Er würde einen islamkundlichen Unterricht bevorzugen, in dem Wissen und nicht Glaubensinhalte vermittelt werden.

Giordano Bruno-Denkmal

Dutzende Interessierter nahmen an der Enthüllung des Giordano Bruno-Denkmals in Berlin am Eingang Bahn Tower am Potsdamer Platz teil. Die Skulptur, geschaffen vom Berliner Bildhauer Alexander Polzin ist sechs Meter groß und zeigt eine kopfunter hängende Menschenfigur, das Inbild eines nackten, gequälten Körpers mit überstreckten Füßen, Armen und Händen. Das Denkmal versinnbildlicht das Ende des 1548 im süditalientischen Nola geborenen Gelehrten Giordano Bruno, der am 17. Februar 1600 auf betreiben der katholischen Kirche in Rom auf dem Scheiterhaufen hingerichtet wurde. Ernst Salcher, Vorstandsmitglied der Giordano Bruno Stiftung nannte die Skulptur „kein Werk der ästhetischen Beiläufigkeit, sondern der gezielten Irritation“. Zwar sei der Tod des Philosophen lange her, doch brauchen auch heute „nötiger denn je Menschen, die das Recht auf Geistesfreiheit verteidigen und den Gebrauch der Vernunft als den einzig richtigen Weg ansehen, um eine friedlichere, bessere und gerechtere Welt zu erreichen“.
Begleitet wurde die Aufstellung des Denkmals von einem zweitägigen Kolloquium „Turning Traditions Upside Down – Rethinking Giordano Bruno’s Enlightenment“ und einer Podiumsdiskussion, auf der ausgelotet wurde, was uns der Philosoph aus Nola heute noch zu sagen hat. Auch wenn die Einschätzungen im Detail auseinandergingen, herrschte Einigkeit, dass Bruno dem wissenschaftlichen Denken wichtige Anstöße gegeben hat und als Querdenker auch heute noch Beachtung verdient. Die ausgewählten Textpassagen, die der Schauspieler Ulrich Matthes rezitierte, legten den Schwerpunkt hingegen auf Brunos Kritik der zeitgenössischen Theologie: „Entfesselt und frei, wohlgemut, sehe ich in Nichts einen Beweger.“ Diese sollten freilich nicht dazu verleiten zu übersehen, dass Bruno ein tiefgläubiger Mystiker war.

Einen ausführlichen Bericht über die Veranstaltungen finden Sie unter: http://hpd.de/node4026

Feuerbach-Preis

Der Rechtsphilosoph Norbert Hoerster ist mit dem Ludwig-Feuerbach-Preis des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Augsburg ausgezeichnet worden. Anfang Februar wurde Hoerster mit einem Festakt für seine Verdienste um eine freigeistige Kultur geehrt. Mit seinen Arbeiten über eine säkulare Ethik unter Verzicht auf metaphysische Annahmen habe der Preisträger Feuerbachs Motto „Willst du Gutes tun, dann tue es für den Menschen“ umgesetzt, so der bfg-Vorsitzende Dietmar Michalke. Neben seinen religionskritischen Werken seien vor allem seine allgemeinverständlichen bio- und medizinethischen Abhandlungen zu nennen. Hoerster habe damit zur Versachlichung der Debatten um Embryonen-Schutz, Sterbehilfe oder Präimplantations-Diagnostik beigetragen und dabei auch den Konflikt mit den Kirchen, die hier das Definitionsmonopol für sich beanspruchten, nicht gescheut. Dass Hoerster daraufhin in den 1990er Jahren massiven Anfeindungen ausgesetzt war und letztlich sogar der Universität den Rücken kehrte, anstatt von seinen Thesen Abstand zu nehmen, stelle ihn in die Reihe der bedeutenden Denker, gegen die aufgrund ihrer Ablehnung kirchlicher Moralvorstellungen Kampagnen inszeniert wurden. Möglicherweise gebot es die Höflichkeit dem Preisträger gegenüber, unerwähnt zu lassen, dass einige der damaligen Positionen und Denkkategorien Hoersters auch innerhalb der säkularen Szene heftig umstritten waren und sind.

Der Laudator Franz-Josef Wetz, Profesor an der Pädagogischen Hochschule von Schwäbisch-Gmünd, lobte Hoersters Pränanz und Knappheit in den Formulierungen, seine unnachgiebige Ablehnung von Kompromissen auf Kosten der logischen Konsistenz und seine Gabe, Gedanken zuende zu denken. Hoersters Religionskritik allerdings erschien Wetz überflüssig, denn es gebe nichts mehr am Christentum, das noch widerlegt werden müsse. Die meisten Menschen hätten sich nicht nur vom Glauben verabschiedet, sondern sie hätten sich sogar vom „Abschied verabschiedet“ und wüssten gar nicht, dass sie Atheisten seien. Nur weil der Preisträger in Bayern lebe, finde dieser Teil seines Wirkens noch eine gewisse Beachtung, mutmaßte Wetz.

Hoerster ging in seiner Dankesrede auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ein und betonte den Unterschied zwischen seiner Haltung zur Sterbehilfe und der NS-Euthanasie. Während er von der freien Entscheidung der Betroffenen ausgehe, sei den Euthanasieopfern der Tod aufgezwungen worden. Zentral ist für Hoerster der Begriff des Überlebens-Interesses: Erst ein Wesen mit den intellektuellen Fähigkeiten, sich die Zukunft vorzustellen, könne ein solches entwickeln und dieses sei zu schützen. Dies bedeute jedoch nicht, dass mit Lebewesen ohne Überlebens-Interesse nach Belieben verfahren werden dürfe. Auch die Behauptung, er befürworte die aktive Sterbehilfe, wies Hoerster zurück; er trete lediglich für deren Straffreiheit ein.

August Bebel in Freiburg

Unter der Überschrift „Die moderne Kultur ist eine antichristliche“ lud die Freiburger Ortsgruppe des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) zu einer Veranstaltung mit Heiner Jestrabek ein. Der Vorsitzende des Deutschen Freidenker-Verbandes Ostwürttemberg stellte im Jos-Fritz-Café in Freiburg August Bebel vor, von dem das Zitat stammt und dessen religionskritische Schriften er herausgegeben hat.
Stellvertretend für die IBKA-Ortsgruppe verwies Arno Ehret nach der Begrüßung der Veranstaltungsteilnehmer als „passende Einstimmung“ auf den Glückwunsch der SPD Breisgau-Hochschwarzwald an den Erzbischof Robert Zollitsch anlässlich seiner Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. „Die Katholische Kirche und die SPD“, so heißt es darin, „verbindet der Einsatz für die Bürgerinnen und Bürger, gerade aber für die Menschen in unserer Gesellschaft, die die Hilfe anderer benötigen. So ist es auch immer wieder wichtig, dass wir SozialdemokratInnen uns in den demokratischen Gremien unseres Landes dafür einbringen, dass die nötigen Finanzmittel für kirchlich betriebene Einrichtungen bereitgestellt werden.“

Wie weit sich die SPD mit dieser Haltung von den früheren Positionen der Sozialdemokraten entfernt hat, macht Heiner Jestrabek in seinen Ausführungen zu August Bebels Leben und Wirken deutlich. Zunächst stellte der Referent den Zuhörern die Person August Bebel vor: 1840 in Köln-Deutz geboren und schon früh Vollwaise, absolvierte eine Drechslerlehre und bestand 1864 die Meisterprüfung in Leipzig. Er trat dort dem Arbeiterbildungsverein bei und schloss eine Freundschaft mit Wilhelm Liebknecht, die lebenslang hielt. Er war Mitbegründer der Sächsischen Volkspartei und trat 1869 der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Eisenach bei. In früheren Schriften und Parlamentsreden forderte er erstmalig die Trennung von Kirche und Staat sowie die Trennung von Schule und Kirche. Heiner Jestrabek zitierte einige entsprechende Passagen und verwies hierzu auf weitere wichtige Bemerkungen Bebels zum Thema Kirche und Religion, welche in in seinem Buch noch detailierter ausgeführt sind.
Die mutigen Stellungnahmen und Parlamentsreden wurden Bebel als „Verbreitung staatsgefährdener Lehren“ ausgelegt und brachten ihm viele Haftstrafen ein. Hierdurch fand er allerdings reichlich Zeit zum Lesen und Schreiben. Sein meistgelesenes Buch in Deutschland war Die Frau und der Sozialismus eine Auseinandersetzung über das Leben in der Familie, Fragen der Bildung und die politische Benachteiligung der Frauen; ein “Bestseller” zu der damaligen Zeit, als den Interessen der Frauen die kirchlichen Dogmen eindeutig entgegen standen. 1913 starb August Bebel in Zürich; 50.000 Menschen gaben ihm das letzte Geleit.

Bei der anschließenden Diskussion wurde zunächst die geringe Teilnehmerzahl angesichts des sehr interessanten Themas bedauert. Man fragte sich, wieso die Konfessionslosen, die in Deutschland inzwischen ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, so wenig wahrgenommen werden (auch in den Medien). Offenbar scheinen die Konfessionslosen kein eigenes Konzept zur Durchsetzung ihrer Interessen zu entwickeln und dadurch den „Religösen“ das Feld zu überlassen.

Irmgard Koll

Bundesprüfstelle

Keine vier Wochen, nachdem das „Ferkelbuch“ von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien unter die Lupe genommen wurde, hat sich dort eine interessante personelle Veränderung ergeben. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat auf Vorschlag des Bundes Freireligiöser Gemeinden Deutschlands (BFGD) Volker Mueller, Präsident des Dachverbandes Freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW), zum Beisitzer und Frau Renate Bauer, Landessprecherin der Freireligiösen Landesgemeinde Pfalz, zur stellvertretenden Beisitzerin der Gruppe der Kirchen, der jüdischen Kultusgemeinden und anderer Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, ernannt. Die Amtszeit begann am 1. April 2008 und dauert drei Jahre.