Zündfunke | Veröffentlicht in MIZ 3/25 | Geschrieben von Redaktion MIZ

Zündfunke

... hpd-Journalistenpreis / Karl Popper-Tagung / Bauernkriegstagung / Kunstpreis Frecher Mario / Feuerbach-Tagung / Zentralrat-Infostand

hpd-Journalistenpreis

Dieses Jahr hatte der Humanistische Pressedienst (hpd) erstmals den von Helmut M. Selzer postum gestifteten Journalistenpreis ausgeschrieben; An­fang Oktober wurden im Rahmen der Kortizes-Tagung die Gewinner geehrt.

Als Thema waren die Werte der offenen Gesellschaft vorgegeben. Aus­gezeichnet wurden journalistische Texte, „die sich sowohl durch journalistische Brillanz auszeichnen, als auch Themen behandeln, die wir für entscheidend in der heutigen Zeit halten“, sagte hpd-Chefredakteurin Gisa Bodenstein auf der Preisverleihung. Den Hauptpreis erhielt Bernd Kastner für einen Artikel, der in der Süddeutschen Zeitung erschien: „Krieg in Nahost: Der Israel-Palästina-Konflikt wird in München nicht gelöst werden – trotzdem muss die Stadt mehr tun“. Der Text über einen Themenkomplex, der so kompliziert sei, wie kaum ein anderer, argumentiere „objektiv, abwägend“ und werbe für eine „konstruktive Streitkultur“ – damit plädiere er auch dafür, sich der „Werkzeuge der Offenen Gesellschaft zu bedienen“.

Der zweite Preis ging an Alexander Wolber, der erklärte, „Warum die offene Gesellschaft keine Spartiaten braucht“. Damit werde ein Trend anschaulich gemacht, der heute verstärkt zu beobachten sei: „die Verherrlichung einfacher Antworten, die romantische Überhöhung stammesgesellschaftli­cher Vorstellungen bei gleichzeitiger Verkennung der Bedeutung von Demo­kratie und Individualismus“. Der dritte Preis wurde an einen Text vergeben, der eigentlich zu umfangreich gewesen wäre. Die Jury hielt Thorsten Schmitz’ Beitrag über eine Berliner Grundschule, an der ein schwuler Lehrer von Kindern muslimischer Eltern gemobbt wurde, aber für so wichtig, dass sie einen Sonderpreis schuf.

Karl Popper-Tagung

Die Gesellschaft für kritische Philoso­phie hat in Zusammenarbeit mit der Humanistischen Akademie eine Tagung anlässlich des Erscheinens von Karl Poppers Werk Die offene Gesell­schaft und ihre Feinde durchgeführt. Ausgangspunkt der Debatten war die Erkenntnis, dass eine offene Gesell­schaft schnell verlorengehen kann, wenn sich zuwenige Menschen dafür einsetzen. Als wesentliche Elemente einer so zu bezeichnenden Gesellschaft seien „Individualismus, Aufklärung, Liberalismus, negativer Utilitarismus, Herrschaftskontrolle und ‘Stückwerk-Sozialtechnik’“ anzuführen.

Im Folgenden wurden zunächst die theoretische Grundlagen und Gefährdungen der offenen Gesell­schaft besprochen. Dabei ging es nach einem Impulsvortrag von Wulf Kellerwessel um die Frage, gegen welche politischen Konzepte sich Popper abgrenzte und inwieweit er mit seinen konkreten politischen Vor­stellungen (etwa seine Neigung zum Mehrheitswahlrecht) mit seinen theoretischen Überlegungen in Konflikt geriet.

Im zweiten Themenblock wurde er­örtert, wie die Freiheit verteidigt bzw. den Angriffen auf die offene Ge­sellschaft entgegengetreten werden könne. Ein Aspekt waren dabei die Herausforderungen, die durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz entstehen, etwa im Bereich der Überwachung oder durch die Verbreitung von Fehl­informationen.

Bauernkriegstagung

Auf Anregung der humanistischen Akademie Deutschlands hatten sich weitere Veranstalter zusammengetan (Humanisten Baden-Württemberg und NRW sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung) und Anfang November eine Tagung Der Bauernkrieg und der Humanismus im humanistischen Zentrum Stuttgart organisiert. Ziel war es, über Ablauf und Hintergründe des Bauernkrieges zu informieren, neue Deutungsansätze kennenzulernen und zu diskutieren, was heute einen humanistischen Blick ausmachen könnte und sollte. Hierzu gehörte die Frage, ob Botschaften des zeitgenössischen Bildungshumanismus bei den Bauern „unten“ ankamen oder ob die Impulse doch eher vom linksreligiösen Strang der Reformation ausgingen.

In vielen Referaten wurde gleich zu Beginn auf die Unkorrektheit des Namens „deutscher Bauernkrieg“ verwiesen: Weder fanden bäuerliche Erhebungen nur in Deutschland statt, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas und Asiens, noch waren nur Bauern beteiligt. Und es wurde die „Gretchenfrage“ gestellt, ob Humanisten überhaupt ein Jubiläum würdigen sollten, das mit dem Begriff „Krieg“ beschrieben wird. „Der Aufstand des gemeinen Mannes“ wird in einer Reihe von Publikationen bevorzugt. In diesem Zusammenhang wurde dann auch auf die unterschiedliche Rezeption des Ereignisses in der DDR und der BRD verwiesen. Weiterhin zeigte sich, dass sich die Rezeption vor diesem Jubiläumsjahr vor allem mit regionalgeschichtlichen Ereignissen befasst hatte. Folgerichtig begann auch diese Veranstaltung mit einem lokalen Ereignisort – Böblingen. Hier fand im Mai 1525 eine der drei großen, für die Bauern traumatisch vernichtenden Entscheidungsschlachten statt. Heiner Jestrabek (Autor zahlreicher Bücher zu FreidenkerInnen und über den Bauernkrieg) ging zunächst auf weitere Details des Bauernkrieges im Südwesten ein und interpretierte die Memminger Zwölf Artikel als Vorläufer der humanistischen Menschenrechte.

Diese spielten auch im Vortrag von Viola Schubert-Lehnhardt (Philo­sophin) zum Thema „Frauen im Bauernkrieg“ eine Rolle. Die Referen­tin arbeitete heraus, was diese For­derungen für Frauen bedeutet hätten (mehr Mitsprache sowohl in kirchlichen als auch Angelegenheiten der Gemeinde, verbesserte soziale Stellung und vor allem bessere gesundheitliche Bedingungen, insbesondere bei der Geburt; Erleichterungen für die Arbeit der Hebammen). Nach wie vor ist der Blickwinkel auf die Situation der Frauen und ihre Beteiligung an den kriegerischen Handlungen unterbelichtet, obwohl es im Zusammenhang mit den Veranstaltungen im Jubiläumsjahr erfreulicherweise mehr Forschungen und Publikationen dazu gab. Bis auf wenige Ausnahmen (u.a. Margarete Renner, Hille Feigen, Ottilie Müntzer) sind die Frauen kaum namentlich bekannt. Häu­fig werden sie in Beschreibungen von ihren Beteiligungen an bestimmten Aktionen (vor allem bei der Plünderung von Klöstern und Vernichtung der dort vorhandenen Urkunden – dies war ein oft unterschätzter Aspekt der Angriffe auf Klöster) als „Mob“ oder „närrische Weiber“ verunglimpft. Sie waren jedoch in dieser Zeit häufig geschätzte Ratgeberinnen und Botinnen zwischen den einzelnen Haufen, vor allem aber mussten sie Haus und Hof versorgen, während die Männer „im Felde“ waren. Die ihnen in dieser Zeit zugestandenen Freiheiten wurden ihnen jedoch nach Ende des Bauernkrieges wieder genommen, sie gehören damit zu den Verliererinnen dieser Schlachten.

Richard Faber (Kunst- und Kultur­soziologe) lenkte den Blick auf einige 
Kunstwerke aus der Zeit des Bauern­kriegs und auf ihre späte angemessene Würdigung. Die Bei­träge von Friederike Habermann (Ökonomin, Historikerin) und Wolfgang Hees (Biobauer, Vorsit­zender der AG bäuerliche Landwirt­schaft Württemberg) kreisten dann um die brisanten sozioökonomischen Fragen und Anknüpfungspunkte der Bauernproteste für die Gegenwart und führten zu lebhaften Diskussionen. In der Abschlussdiskussion versuchte Johannes Schwill (Präsident des HVD NRW) die humanistischen Aspekte zu bündeln.

Viola Schubert-Lehnhardt

Kunstpreis Frecher Mario

Zum mittlerweile siebten Mal hatte der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München im Sommer seinen Kunstpreis Der Freche Mario ausgeschrieben. Dieser soll dazu ermutigen, die sog. immer­währenden Wahrheiten und Autori­täten zu hinterfragen und das Ergeb­nis dieser Hinterfragung künstlerisch 
darzustellen. „Ausgezeichnet werden Kunstwerke, die sich mit Glauben, Esoterik, Weltanschauungen, Religio­nen und geschlossenen Welt­bildern auseinandersetzen“, heißt es dazu.

Diesmal reichten 287 Künstlerinnen und Künstler über 1000 Beiträge ein. Der mit 3000 Euro dotierte erste Preis geht an die „Intervention“ Bad Beuys go Africa des Künstler*innenkollektivs Frankfurter Hauptschule. Außerdem wurden 10 weitere Kunstwerke – darunter Geschichten, Karikaturen, Lieder, Sketche oder Gedichte – ausgezeichnet.

Eine Liste mit Links zu den jeweiligen Kunst­werken findet sich auf der Webseite des bfg München.

Feuerbach-Tagung

Auf einem Tagesseminar der Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft in Nürnberg ging es um die Frage, welche Bedeutung Feuerbach für die Gegenwart hat.

Ein Aspekt war dabei, dass die Entwicklung des modernen, emanzipatorischen Bildungsgedankens aus den Theorien des Vormärz von Feuerbach inspiriert worden sei. Andreas Arndt sah Feuerbachs Eigenständigkeit in dessen Versuch, in einer komplexen politisch-gesellschaftlichen Situation zu intervenieren.

Feuerbachs religionskritische Positionen hingegen hätten nach Ein­schät­zung des Vorsitzenden des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Bayern, Frank Riegler, keine Spreng­kraft mehr – schlicht weil Religion für die Mehrheit der Bevölkerung kaum noch von Bedeutung sei – auch wenn sich dies nicht im Abbau kirchlicher Privilegien niederschlage.

Zentralrat-Infostand

Der Zentralrat der Konfessionsfreien war auf dem Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit 2025 in Saarbrücken mit einem Infostand vertreten. Zwölf Leute aus unterschiedlichen Mitglieds­verbänden antworteten auf Fragen, sprachen die vorbeischlendernden Leute aber auch gezielt an und bat sie um eine Stellungnahme zu religions­politischen Fragen. Da dies durch Anbringen eines bunten Flummis unter der bevorzugten Antwort getan werden konnte, wurde diese niedrigschwellige Möglichkeit zur Meinungsäußerung häufig genutzt. Dabei zeigte sich, dass die Ansichten über Religion zwar weit auseinandergehen, die Forderung nach einer Trennung von Politik und Religion aber große Zustimmung findet.

Es gab auch Begegnungen mit kirchlicher und politischer Prominenz: mit Bischof Stephan Ackermann, dem ehemaligen Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, sprach Zentralratsvorsitzender Philipp Möller über sexuelle Gewalt in kirchlichen Einrichtungen und mit der Vorsitzenden der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem ehe-
maligen SPD-Kanzlerkandidaten Martin 
Schulz, über säkulare Mehr­heiten in Europa. Am Ende des Tages kam Möller zu einem positiven Fazit: „Es gibt in Deutschland absolute Mehr­heiten für einen weltanschaulich neu­tralen Staat – Sonderrechte für Reli­gionsgemeinschaften sind endgültig nicht mehr gewollt.“

Ein ausführlicher Bericht findet sich auf der Webseite des Zentralrates der Konfessionsfreien.