Zündfunke | Veröffentlicht in MIZ 4/16 | Geschrieben von Redaktion MIZ

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Sozialstaat statt Charity

Der nordrhein-westfälische Landesver­band des Internationalen Bundes der 
Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) 
hat sich für eine Stärkung des Sozial­staates und gegen den Trend zu Charity-Systemen ausgesprochen. „Es ist eine 
originäre Aufgabe des Staates die sozialen Grundrechte seiner Bürger zu sichern und die entsprechende Infrastruktur in Eigenregie bereitzustel­len. Künftig müssen Bildung, Mobi­lität und Kommunikation zusätzlich zu 
Lebensunterhalt und Gesundheitsfür­sorge für alle Bürger gewährleistet sein“, sagte Landesverbandssprecher Rainer Ponitka. Gerade Ende des Jahres sei zu beobachten, dass die Zahl der Spendenaufrufe von privaten karitativen Organisationen stark anwachse. Die soziale Sicherheit des Einzelnen dürfe aber nicht von der Spendenbereitschaft der Bevölkerung abhängen. „Sicherheit muss in einer modernen Gesellschaft garantiert sein. Nur mit Menschen, die 
frei von Existenzängsten sind, lässt sich 
ein demokratisches Gemeinwesen aufrecht erhalten“, so der Lan­desverbands­sprecher weiter.

Auf der Webseite des IBKA (www.ibka.org) findet sich zu dem Thema ein weiterführender Artikel. Darin verweist Werner Hager auf das Problem, dass immer noch bei vielen Menschen der Eindruck vorherrscht, dass Caritas und Diakonie als private Charity-Organisationen für die sozialen Leistungen verantwortlich sind, während diese tatsächlich weitestgehend vom Staat finanziert werden. Dies führe dazu, dass die Akzeptanz von Charity-Systemen allgemein gestärkt werde.
Als wichtiger Kritikpunkt wird angeführt, dass Menschen, die Hilfe in Anspruch nehmen wollen, als Bittsteller (und nicht als Träger von Grundrechten) an die Wohltätigkeitsorganisationen herantreten müssen. Ob intendiert oder 
nicht, so Werner Hagers Fazit, Charity-Systeme seien „Akteure bei der kommunitaristischen Infragestellung eines 
auf das Individuum bezogenen Ver­ständnisses von Freiheit“.

Für eine Interessenvertretung der 
Konfessionslosen ergebe sich die Auf­gabe, „Vorstellungen zu entwickeln, wie Sozialsysteme aussehen können, die One Law for All genügen“.

KORSO-Pressekonferenz

Der Koordinierungsrat säkularer Orga­nisationen (KORSO) hat im neunten 
Jahr seines Bestehens auf einer Pressekonferenz seine gemeinsamen Wert­vorstellungen und Interessen vorgestellt. In seinem Eingangsstatement erläuterte KORSO-Vorsitzender Helmut Fink, dass in etwa zehn Jahren mehr als die Hälfte der Bevölkerung keiner der beiden großen Kirchen angehören werde. Obwohl die Konfessionslosen heute bereits die größte Bevölkerungsgruppe stellen, seien sie in Medien und Politik bislang unterrepräsentiert.

Als ein gemeinsames Interesse der Säkularen nannte Fink, die weltanschauliche Neutralität des Staates einzufordern. Der Staat dürfe einzelne Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften nicht privilegieren, da dies einen fairen „Wettbewerb“ verhindere. Als konkretes Anliegen nannte er eine angemessene Vertretung in den Medienräten.

Anschließend stellte der Rechtsanwalt Thomas Heinrichs die von ihm im 
Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erarbeitete Studie „Welt­anschauung als Diskriminierungsgrund“ vor. Um das Thema Sterbehilfe ging 
es in den Ausführungen von Gita Neu
mann. Die Leiterin der Bundeszentral­stelle Patientenverfügung beim Huma­nistischen Verband Deutschlands (HVD) nannte die vor einem Jahr erfolgte gesetzliche Neuregelung der Suizidhilfe als Beispiel für einen übermäßigen Einfluss kirchlicher Organisationen die Politik.

Gedenkdebatte

Nach dem Anschlag auf den Weih­nachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz hatten der Senat von Berlin wie auch die Bundesregierung auf einen offiziellen Trauerakt verzichtet und sich der Trauerfeier der evangelischen Gemeinde der Gedächtniskirche ange
schlossen. Der Präsident des Huma­nistischen Verbandes (HVD) Berlin-Brandenburg, Jan Gabriel, hat in der Debatte um das öffentliche Gedenken gefordert, die religiös-weltanschaulichen Vielfalt der Opfer und ihrer Familien zu beachten. Damit reagierte 
er auch auf Überlegungen, eine Ge­denktafel an oder bei der Gedächtnis­kirche anzubringen. Nach seiner Auf­fassung sollten Stadt und Bezirk darü
ber nachdenken, „im öffentlichen Be­reich des Platzes ... eine neutrale Mög­lichkeit des Gedenkens“ zu schaffen.

Schon früher waren im säkularen 
Spektrum Stimmen laut geworden, die in „einem nationalen Trauergottes­dienst“ zu solchen Anlässen eine Vereinnahmung der nichtchristlichen Bevölkerung sahen. Dementsprechend befürwortete der HVD eine „interkulturelle staatliche Zeremonie ..., die einem Staatsakt in der weltanschaulich vielfältigen Gesellschaft gerecht wird.“ Eine Feierstunde bei der Aufstellung einer Gedenktafel wäre dafür der geeignete Rahmen.

IBKA-Preis für Ateizm Derneği

Alle zwei Jahre verleiht der Internatio­nale Bund der Konfessionslosen und 
Atheisten (IBKA) einen Preis an eine 
Person oder Organisation, die sich in 
herausragender Weise um Weltanschauungsfreiheit oder Selbstbestim­mung, die Trennung von Staat und Kirche oder die Aufklärung über Religion, die Bereitstellung nichtreligiöser pädagogischer oder sozia­ler Angebote oder humanitäre Hilfs­maßnahmen verdient gemacht haben. In den vergangenen Jahren waren Greg Graffin, die Buskampagne, Taslima Nasrin und die Nesin-Stiftung unter den Preisträgern.

Dieses Jahr geht der Preis mit dem Namen Sapio an den türkischen atheistischen Verein Ateizm Derneği. Dieser bemüht sich, trotz des reaktionären Umbaus der türkischen Gesellschaft durch Präsident Erdoğan und seine AKP die Interessen der nichtreligiösen Bevölkerung in der Türkei zu vertreten (vgl. auch den Beitrag von Arzu Toker in diesem Heft).
Die Preisverleihung wird am 3. Juni im Kölner Comedia-Theater im Rahmen eines Festaktes zum 40-jährigen Be­stehen des IBKA stattfinden.