Im Bundesverfassungsgericht
Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ist Ende November eine Delegation von Vertretern der säkularen Verbände von sechs der am Bundesverfassungsgericht tätigen Richter empfangen worden. Das Gespräch hatte zusätzliche Brisanz gewonnen, weil wenige Tage zuvor ein Beschluss des Zweiten Senats bekannt geworden war, der die diskriminierende Beschäftigungspraxis in Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft weitestgehend bestätigt hatte (vgl. dazu den Beitrag von Corinna Gekeler, S. 22 ff.).
Zur Abordnung gehörten neben dem SPD-Politiker Rolf Schwanitz noch Michael Bauer (Humanistischer Verband Deutschlands), Gerhard Czermak (Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten bzw. Bund für Geistesfreiheit), Helmut Fink (Koordinierungsrat säkularer Organisationen), Carsten Frerk (Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland), Ingrid Matthäus-Maier (Kampagne Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz) und Michael Schmidt-Salomon (Giordano-Bruno-Stiftung). Da es die erste Begegnung dieser Art war, gab es keinen inhaltlichen Schwerpunkt, vielmehr wurde das gesamte Feld der kirchlichen Privilegierung und der Verstöße gegen die Trennung von Staat und Kirchen zumindest kurz angesprochen: ob Kreuze in öffentlichen Räumen, die sog. „Staatsleistungen“, der staatliche Kirchensteuereinzug und der daraus resultierende Vermerk der Religionszugehörigkeit in den Steuer daten, Militärseelsorge oder Theologische Fakultäten. Ausführlicher wurde über das Kirchliche Arbeitsrecht und seine diskriminierenden Folgen gesprochen, wobei es hier erwartungsgemäß zu keiner Annäherung kam, da die Vorstellungen doch recht weit auseinanderlagen.
An einem anderen Themenbereich zeigte sich dann, wie schwierig es sein wird, als Konfessionslose gemeinsame Interessenvertretung zu betreiben. Denn für die Zukunft der öffentlichen Schulen bestehen in den Verbänden unterschiedliche Konzepte. Während der HVD seinen Lebenskunde-Unterricht mit gleichen Rechten neben den konfessionellen Religionsunterricht gestellt sehen möchte, bevorzugt der IBKA das laizistische Modell, religiös-weltanschauliche Unterweisungen als Privatveranstaltungen anzusehen. Und auch in der Frage, ob ein für alle Schülerinnen und Schüler gemeinsamer Ethikunterricht (ohne Abmeldemöglichkeit) eine sinnvolle Alternative zum Status quo darstellt, herrscht keineswegs Einigkeit.
So gesehen war der Besuch beim Bundesverfassungsgericht zwar ein historischer Moment, weil erstmals überhaupt die mittlerweile größte Bevölkerungsgruppe wahrgenommen wurde, und angesichts der regelmäßigen Konsultationen mit Kirchenvertretern erscheint es angemessen, solche Treffen regelmäßig einzufordern, um die eigene Position den Verfassungsrichtern darlegen zu können. Ob dieser Meinungsaustausch über das symbolpolitische Signal hinaus, dass Konfessionslose nicht länger völlig übergangen werden, politische Wirkung entfalten wird, bleibt abzuwarten.
10 Jahre gbs
Mit einem Festakt in der Nationalbibliothek zu Frankfurt feierte die Giorda- no-Bruno-Stiftung (gbs) im November ihr zehnjähriges Bestehen. Der Abend begann mit einem 45-minütigen, Hoffnung Mensch betitelten Film über die Geschichte der gbs und die Traditionen des evolutionären Humanismus, an die sie anschließt. Von Ricarda Hinz in Szene gesetzt zeigte das Video zahlreiche Kampagnen, die von der gbs im vergangenen Jahrzehnt durchgeführt wurden oder an denen sie beteiligt war: der Einsatz für die Verteidigung der Evolutionstheorie und vor allem die Suche nach didaktischen Konzepten, diese in der Grundschule zu vermitteln, das Eintreten für Selbstbestimmung in der „Beschneidungsdebatte“ oder der Diskussion um Suizidhilfe, die Förde rung der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (FoWiD), die Kritischen Islamkonferenzen.
Im weiteren Verlauf des Abends gab es nach der Politik noch reichlich Wissenschaft und Kunst. Volker Sommer glänzte mit hochinteressanten Ausführungen über den Weg der Ameisen, Ralf König begeisterte das Publikum mit seiner Version von Max und Moritz und am Ende spielte eine gbs-All Star-Band den Monty Python-Klassiker Always look on the bright side of life. Im Anschluss an den Programmteil konnten die über 300 anwesenden Beiräte, Fördermitglieder und Wegbegleiter der gbs sich am Rande des Buffets austauschen, wie sie die zehn Jahre Denkfabrik des evolutionären Humanismus erlebt haben.
Das Goldene Brett 2014
Träger des diesjährigen Goldenen Brettes, eines ironischen Negativpreises für den größten antiwissenschaftlichen Unfug des Jahres, ist der Popsänger Xavier Naidoo. Die von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) Wien verliehene Auszeichnung erhielt er wegen seiner Nähe zum Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“ und zahlreicher verschwörungstheoretischer Äußerungen. Damit setzte Naidoo sich gegen die Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen Barbara Steffens und den Impfgegner-Verein Netzwerk Impfentscheid durch, die es ebenfalls auf die Shortlist geschafft hatten.
Zur Begründung verwies die Jury darauf, dass „Xavier Naidoos große Popularität ... insbesondere junge Menschen in eine abstruse Gedankenwelt aus unhaltbaren Behauptungen, in denen Hass und Angst mehr zählen als Fakten“, führe. Zwar sei es richtig, politische Ereignisse und die Berichterstattung darüber skeptisch zu hinterfragen, doch die Plumpheit der von Naidoo bedienten Verschwörungstheorien verhindere geradezu eine kritische Auseinandersetzung mit Missständen und Manipulation. Das sei auch an der „Truther-Szene“ erkennbar, die sich in ihrem Glauben an im Geheimen wirkende politische Mächte gegen rationale Gegenargumente abschottet. Naidoo werde zur „Einstiegsdroge der Irrationalität, die mit pathetischer Musik beginnt und bei Chemtrails und Weltverschwörungs-Paranoia endet“.