Zündfunke | Veröffentlicht in MIZ 2/13 | Geschrieben von Redaktion MIZ

Zündfunke … 80 Jahre Hitler-Vatikan-Pakt / Humanistentag in Hamburg / Podium „Frau und Religion“ / GWUP-Konferenz / Kritische Islamkonferenz

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80 Jahre Hitler-Vatikan-Pakt

Vor 80 Jahren schloss der Vatikan mit
der NS-Regierung in Deutschland ein
weitreichendes Konkordat, welches
in wesentlichen Teilen bis heute seine
Gültigkeit behalten hat. Das Reichs­konkordat, aber auch das Verhältnis der beiden großen Kirchen in Deutschland zum Faschismus, waren Thema einer Tagung der in Bochum ansässigen Ruhrgebiets-Initiative Religionsfrei im Revier (RiR), die Mitte Juli in den Räumen des Bochumer ver.di Hauses stattfand.

Zunächst schilderte Hartmann Schimpf die Entwicklung des Ver­hältnisses zwischen Vatikan und Fa
schismus in Italien. In seinem Vortrag
wurde bald klar, dass sich die An­bandelung zwischen Faschismus und Vatikan so nicht nur in Deutschland zugetragen hatte, sondern im Vertrag zwischen Mussolini und dem Vatikan ihr Vorbild fand. Hartmann Schimpf hatte ebenfalls eine Ausstellung mit Bild- und Schriftdokumenten vorbereitet, die auch einen ganzen Vortragsraum belegt. So war es den Teilnehmern möglich, sich von den Quellen zu überzeugen.

In der inhaltlich von Gisela Neuland-
Kreuz angeregten und moderierten Dis­kussionsrunde wurden sehr interessiert die Auswirkungen des Reichskonkordats auf unseren heutigen Alltag erörtert.#

Nach gemeinsamem Mittagessen
ging es um kirchliche „Widerstands­kämpfer“. Martin Budich und Hartmann Schimpf demontierten mit Hilfe filmischer Dokumentationsausschnitte die immer wieder genannten Heroen. Danach blieb ein fader Nachgeschmack, wenn Namen wie Niemöller, von Galen oder Faulhaber fielen.

Um ein abgerundetes Bild der Kir­chen im Faschismus darzustellen, war auch ein Blick auf den Protestantismus nötig. Die evangelische Kirche in Deutschland, nach der Kaiserzeit ihres Oberhauptes beraubt, sah schon bald in Hitler die starke Persönlichkeit, die ihr zuletzt fehlte, um Führung und Einigung herbeizuführen und Luthers Antijudaismus passte prächtig zum Antisemitismus der Nazis.

Die zwei anschließenden Vorträge
von Lukas Mihr behandelten die Ge
schichte der Fuldaer Bischofskonfe­renz 1930-1945 und die Fluchthilfe­organisation für Nazis nach Ende der NS-Herrschaft in Europa.

Aus den Dokumenten der Fuldaer Bischofskonferenz lassen sich gut die Stimmungen und Einstellungen der Bischöfe zum Faschismus und gegen Kommunismus und Bolschewismus festmachen. Die nationalsozialistische Herrschaft wurde als das kleinere Übel angesehen und ließ sich hervorragend mit der biblischen Forderung nach Anerkennung jeder weltlichen Herrschaft, als von Gott gegeben, rechtfertigen.

Das ausgeklügelte Netzwerk von Fluchtrouten und -organisationen wird als „Rattenpfad“ beschrieben. Von CSI (heute CIA), Rotem Kreuz und Vatikan gestützt, bildete sich ein konspiratives Geflecht, welches die faschistischen Verbrecher Europas zu Hunderten in Anspruch nahmen, um der rechtlichen Verfolgung zu entgehen.

Zu den einzelnen Themengebieten gab es, als Intermezzo, Sketche von Armin und Anja Schreiner. Das aufgeweckte Kind stellte der „modern“ katholische Mutter immer unangenehmer werdende Fragen zur kirchlichen Geschichte im Nationalsozialismus. Mit Hilfe des Internets versucht Mutti Antworten zu finden und ist immer wieder erschrocken ob der historischen Tatsachen.

Näheres zu Inhalten und Quellen wird sukzessive auf http://religionsfrei-im-revier.de/konkordat/ veröffentlicht. Unter anderem wurden Bild und Tonaufnahmen gemacht, die bald abrufbar sein sollen.

Jörg Schnückel

Humanistentag in Hamburg

Anfang Mai diesen Jahres trafen sich nicht nur die Freunde der evangelischen Kirche in Hamburg. Neben dem lautstark medienbegleiteten Kirchentag fand in den Fliegenden Bauten der kleinere aber feinere Deutsche Humanistentag statt.

Nicht nur auf dem Podium stand in den vier Tagen so ziemlich Alles und Jeder, der in der säkularen, laizistischen und humanistischen Szene Rang und Namen hat; auch die aufgestellten Informationsstände zeigten, wie breit das Spektrum sein kann. Von der Jugendweihe bis zu den Verfechtern des bedingungslosen Grundeinkommens präsentierten sich etliche Organisationen und Gruppen den teilweise bis zu 700 Besuchern im Zelt.
An den ersten beiden Tagen führte der Journalist und gbs-Beirat Volker Panzer durch das enge Programm. Wie gut er das tat, zeigte sich auch daran, dass er mit Standing Ovations vom Publikum gefeiert wurde. Das haben nur wenige der Referenten erlebt.

Einer davon war der ehemalige Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau, der am dritten Abend vor vollbesetzem Haus sprach und aus dem Motto des Humanistentages „Gut ohne Gott“ einen fast kantischen Imperativ formulierte: „Sei gut, handle gut, ob mit oder ohne Gott, auf den Menschen kommt es an.“

Der Hamburger Regionalgruppe der Giordano Bruno Stiftung (gbs) und dem unermüdlichen Konny G. Neumann ist es gelungen, eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen, die vor allem zwei Dinge zeigte: Die säkulare Szene ist groß und umfangreich und hat etwas zu sagen. Wenn es nach den Veranstaltern gegangen wäre, hätte auch noch ein weiterer Tag mit interessanten Themen und Referenten gefüllt werden können. Und – das als Zweites – es war möglich, diese wahrlich heterogene Szene unter einem Dach, einem Label nicht nur zu versammeln, sondern sogar zu vereinen. Schon allein das dürfte als Erfolg gewertet werden.

Frank Nicolai

Ausführlich hat der Humanistische Pressedienst (hpd) über den Humanistentag berichtet:
http://hpd.de/node/15834
http://hpd.de/node/15839
http://hpd.de/node/15843
http://hpd.de/node/15854

Podium „Frau und Religion“

Die Evolutionären Humanisten Freiburg veranstalteten in Zusammenarbeit mit der Stabsstelle Gleichstellung der Pädagogischen Hochschule Freiburg am 9. Juli 2013 eine Podiumsdiskussion zum Thema „Frau und Religion“. Teil­nehmerinnen des Podiums waren die Katholische Theologin Ida Raming, Streiterin für die Gleichstellung der Frau innerhalb der Katholischen Kirche, Assunta Tammelleo, Erste Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit München,
sowie Journalistin und studierte Theo­login Daniela Wakonigg. Die ebenfalls eingeladenen Islamwissenschaftlerin Nilden Vardar sagte ihre Teilnahme wegen Krankheit kurzfristig ab.

Im Zentrum der Diskussion stand die Frage nach dem Verhältnis der großen Religionen gegenüber Frauen. Diskutiert wurde hierbei unter anderem, ob die Unterdrückung der Frau primär ein gesellschaftlich oder ein religiös motiviertes Phänomen sei. Ebenfalls verhandelt wurde die Frage, ob – und wenn ja warum – sich Frauen eher an Religionen gebunden fühlen als Männer.

GWUP-Konferenz

Um Pseudotherapien ging es auf der 
diesjährigen Konferenz der Gesell­schaft zur Untersuchung von Parawissen­schaften (GWUP). Der Schwerpunkt lag dabei auf der Kritik der Homöopathie. Deren wissenschaftliche Haltlosigkeit wurde in mehreren Beiträgen betont und anhand zahlreicher Beispiele veranschaulicht. Es gibt bislang auch
keine klinische Studie, welche eine Wirksamkeit homöopathischer Arznei
mittel nahelegen würde. Der Medizin­journalist Christian Weymayr ging sogar so weit, einen Ver­zicht auf weitere Untersuchungen zu fordern. Aufgrund der Fehleranfälligkeit klinischer Studien könten diese nicht als Beleg für scheinbare Wirkungen, die gegen gesichertes Wissen verstoßen, herangezogen werden.

Martin Lambeck, Autor des Buches Irrt die Physik?, verdeutlichte, dass wesentliche Grundlagen der Physik korri
giert werden müssten, wenn Homöo­pathika oder Anthroposophika in der
behaupteten Weise wirken würden.
Er geht davon aus, dass Alternativ­mediziner dann mit über 80 Nobel
preisen für bahnbrechende Entdeckun­gen auf dem Gebiet der Medizin ausgezeichnet werden müssten. Doch während in der Wissenschaft die Urenkel von Hahnemann und Steiner keine Beachtung finden, erfahren die „gesellschaftlich akzeptierten Parallelwissenschaften“ Unterstützung aus der Politik und sind mittlerweile sogar an deutschen Universitäten zu finden.

Woher die immer wieder behauptete und in Einzelfällen sicher auch zu­treffende „Wirkung“ unkonventioneller Verfahren kommen kann, erschloss sich aus dem Vortrag des Dermatologen Johannes Ring. Dieser war an zahlreichen Studien beteiligt, die solche Verfahren hinsichtlich ihrer Wirkung bei Allergie-Patienten in den Blick nahmen, darunter Bioresonanz, Kinesiologie, mehrfach ungesättigte Fettsäuren und eben auch Homöopathie. Neue therapeutische Perspektiven ergaben sich dabei nicht (mit Ausnahme der Akupunktur), aber auffällig war wie „erfolgreich“ die Placebo-Gruppe immer wieder abschnitt. Ring berichtete von Patienten, die ihm bis heute Postkarten zu Weihnachten schicken und für ihre Heilung danken – obwohl sie in der Studie der Kontrollgruppe zugeordnet waren. Er schließt daraus, dass gerade bei allergischen Erkrankungen die Suggestivkraft des Arztes von großer Bedeutung ist.

Die „freien Themen“ fanden sich diesmal hauptsächlich am Donnerstag, der wie immer als „Schnupperangebot“ konzipiert war. Alexa & Alexander Waschkau, stellten „Düstere Legenden“ vor, Sebastian Bartoschek befasste sich mit Geistern und Mark Benecke ging „Seltsamen Dingen“ auf den Grund. Sein Credo: drüber nachdenken ist nur der erste Schritt, wer wissen will, was genau los war, muss hingehen, teilnehmen, Sachen selbst ausprobieren – auch wenn’s komisch zu werden scheint. So lässt sich dann auch klären, ob eine Frau ihren Partner beim Liebesspiel mit ihren Brüsten ersticken kann (kein Comedy-Einfall: ein solcher Fall wurde vor kurzem vor einem deutschen Gericht verhandelt und es geht tatsächlich, allerdings, wie Mark Benecke zeigte, nur unter bestimmten Voraussetzungen). Daran hätte der die Konferenz beschließende Vortrag von Jessica Bahr über Sex-Mythen anschließen können. Doch der geriet zur Enttäuschung. Anstatt die eine oder andere kolportierte Vorstellung (z.B. Männer phantasieren gerne Sex mit mehreren Partnerinnen, Frauen tun das kaum) detailliert auseinanderzunehmen, ratterte die Referentin die in zwei Sätzen zusammengefassten Ergebnisse Dutzender von Studien herunter. Am Ende stand dann das Ergebnis, dass alles irgendwie ein bisschen stimmt, aber halt nicht wirklich genau und immer. Und das kommt bei einer Untersuchung von Mythen nicht völlig überraschend.

Kritische Islamkonferenz

Mitte Mai fand in Berlin die Neuauflage der Kritischen Islamkonferenz statt. Anders als bei der ersten Veranstaltung 2008 saßen diesmal liberale Muslime mit auf den Podien. Erklärtes Ziel war, gemeinsame Positionen herauszuarbeiten, die Perspektiven für eine Zusammenarbeit im Einsatz für eine säkulare Gesellschaft eröffnen könnten.

Die Diskussionen verliefen nicht
immer harmonisch, da im Publikum
offenbar eine Reihe von „Abendland­schützern“ saß, die Muslimen generell eine liberale Einstellung absprach. Die Betreffenden demonstrierten damit – wohl ungewollt –, dass Abgrenzung und Ausgrenzung zwei Seiten einer Medaille sind und sich gegenseitig verstärken. Das Festhalten an derartigem Lagerdenken, das Menschen nach ihrer Herkunft einteilt, wurden dann auch in zahlreichen Beiträgen, etwa von Zeliha Dikman (FraInFra), kritisiert.

Die Abschlusserklärung trägt den
Titel „Selbstbestimmung statt Gruppen­zwang“ und fordert, die Islam- und Integrationsdebatte neu zu justieren. Ein Ende der falschen Toleranz sei ebenso wichtig wie die Bekämpfung der Fremdenfeindlichkeit. Menschenrechte, die Trennung von Staat und Religion sowie vor allem individuelle Emanzipation seien Grundlage für eine gelingende Integration.

Der Text der Abschlusserklärung findet sich auf der Webseite der Kritischen Islamkonferenz unter: http://kritische-islamkonferenz.de/selbstbestimmung-statt-gruppenzwang/.