Zündfunke | Veröffentlicht in MIZ 4/13 | Geschrieben von Redaktion MIZ

Zündfunke … Beschneidungsdebatte / ATHventslesungen / Kritik am ZDF / Roland Ebert

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Beschneidungsdebatte

Zum Jahrestag der Verabschiedung des
„Gesetzes über den Umfang der Perso­nensorge bei einer Beschneidung des
männlichen Kindes“ fand am 12. De­zember in Berlin eine Presse­konferenz statt, auf der Kritiker des Gesetzes ihren Standpunkt verdeutlichten.

Als „auf ganzer Linie gescheitert“
bewerteten die anwesenden Kinder­schützer und Ärzte das Gesetz mit Blick auf die Praxis. In einer vorab veröffentlichten Pressemitteilung hatte Alexander Bachl, Sprecher des Facharbeits­kreises Beschneidungsbetroffener im
MOGIS e.V., gefordert, dass eine Be­schneidung ohne therapeutischen Nut­zen nur von demjenigen entschieden werden dürfe, „der sein ganzes Leben lang mit den Folgen verbringen muss“. In diesem Zusammenhang sprach Bachl mit Blick auf das Gesetz von einer Entrechtung der Betroffenen.

Die Vertreter des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte und der
 Deut­schen Gesellschaft für Kinderchi­rurgie konzen­trierten sich auf medizinische Aspekte. Eine wichtige Forderung war die „umfassende Aufklärung des 
Jugendlichen (ohne Dabeisein der
Eltern) über die Folgen der Vorhaut­entfernung“. Ihre Kritik richtete sich gegen die derzeit gängige Praxis, Beschneidungen ohne Anästhesie vorzunehmen. Da nicht-ärztliche Beschneider nicht befugt seien, eine Betäubung durchzuführen, erfolge gerade bei Säuglingen die Beschneidung „ohne Schmerzausschaltung“. Die hier oft verwendete Salbe sei zum einen nicht ausreichend und zum anderen für die
Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren nicht zugelassen. Nach einer Er­hebung der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin ist auch die Komplikationsrate, insbesondere
Infektionen, die über die örtliche Wundinfektion hinausgehen und die Gesundheit des Patienten beeinträchtigen können, offenbar höher als bisher angenommen.

Auf der Pressekonferenz kam auch der Fall eines Mohels zur Sprache, der das Blut von der Wunde mit dem Mund abgesaugt haben soll. Die Einstellung des Strafverfahrens zeige, dass die im Gesetz festgelegten hygienischen Mindeststandards in der Praxis nicht eingehalten würden und der Staat auch kein großes Interesse zeige, diese durchzusetzen.

Die Terre des Femmes-Vorsitzende Irmingard Schewe-Gerigk erinnerte daran, dass es auch im Fall der Mädchen­beschneidung lange gedauert habe, bis ein öffentliches Bewusstsein entstanden sei. Insofern war allen Anwesenden klar, dass das letzte Wort in der Debatte noch nicht gesprochen ist.

ATHventslesungen

An drei Sonntagen im Dezember veranstalteten die Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg im Literaturhaus ihre ATHventslesungen. Den Auftakt machte Philipp Möller, der aus seinem im Januar erscheinenden Buch Bin isch Freak, oda was? las. Neben allerlei Durchschnittsfreaks präsentierte er in seiner Freakshow insbesondere Esoterikfreaks, Religionsfreaks und Ernährungsfreaks. Für letztere wäre sicherlich auch der sehr lebendige Vortrag von Udo Pollmer von Interesse gewesen, der über psychotrope Stoffe in Lebensmitteln referierte: „Opium fürs Volk“. Vor allem Würzmitteln wie Muskatnuss oder Safran enthalten Substanzen, die uns glücklich machen. Ums kirchliche Arbeitsrecht ging es in der Lesung von Corinna Gekeler. Deren Studie zu Diskriminierung bei Caritas. Diakonie & Co war im Sommer in einer stark erweiterten Fassung als Buch erschienen. Sie stellte die wichtigsten Ergebnisse daraus vor und zeigte, welche politischen Perspektiven sich derzeit ergeben, den Status quo zu ändern.

Kritik am ZDF

Der Internationale Bund der Konfes­sionslosen und Atheisten (IBKA) hat die kürzlich gestartete Online-Plattform des ZDF God’s Cloud kritisiert. Sie sei ein typisches Beispiel für den „weithin interessengeleiteten und oberflächlichen“ Umgang der Kirchenredaktionen der öffentlich-rechtlichen Medien mit dem Thema Religion. Hinter der verlautbarten Zielsetzung von God’s Cloud, vermeintliches religiöses Wissen zu bewahren, sieht der IBKA-Vorsitzende René Hartmann eher die Absicht, „die massenhafte Abwendung von den Kirchen zu bremsen“. Mit Hinblick auf die Rundfunkräte, aber auch auf die Besetzung leitender Stellen in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten spricht Hartmann von einer „starken Präsenz von Vertretern der großen Kirchen in den Sendern“, die er als Garantie dafür ansieht, „dass eine wissenschaftliche und kritische Betrachtung bestenfalls in Ansätzen erkennbar ist. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf dem Ver­such, alte Mythen in medientauglicher Verpackung zu präsentieren.“ Die Folge seien Produktionen mit klischeehaften Bildern und pseudokritischen Kom­mentaren. Als eigentliche Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien sieht Hartmann, das Thema Religion „auf unabhängige und kritische Weise zu beleuchten“.

Roland Ebert

Über 15 Jahre lang hat er regelmäßig für die MIZ geschrieben, sein letzter Aufsatz befasste sich mit dem Geschäft mit der Altenpflege und wie kirchliche Pflegeeinrichtungen dabei mitmischen. Unmittelbar nach der Auslieferung des Heftes ist Roland Ebert tödlich verunglückt.

Insgesamt hat Roland Ebert seit 1997 über 50 Artikel beigesteuert. Zumeist nahm er das Verhältnis des Staates zu den Religionsgemeinschaften in den Blick, wandte sich innenpolitischen Themen und sozialpolitischen Fragen zu. Durch sein umfangreiches, gut erschlossenes Zeitungsausschnittarchiv war es ihm möglich, personelle Ver­flechtungen und langfristig angelegte Argumentationslinien schnell zu recherchieren – anhand der zahlreichen Anmerkungen seiner Aufsätze war zu erahnen, welche Menge an Material er im Laufe der Jahre angesammelt hatte. Die Redaktion profitierte mehr als ein Jahrzehnt von seinen Recherchen, deren Ergebnisse er uns bei seinen wöchentlichen Besuchen im Verlag vorstellte.

Am 5. November war Roland Ebert
bei uns im Verlag, um sich seine Beleg­exemplare der aktuellen MIZ abzuholen. Zwei Tage später wurde er von einer rückwärts fahrenden Kehrmaschine überrollt, als er mit seinem Fahrrad unterwegs war.