Beschneidungsdebatte
Zum Jahrestag der Verabschiedung des „Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“ fand am 12. Dezember in Berlin eine Pressekonferenz statt, auf der Kritiker des Gesetzes ihren Standpunkt verdeutlichten.
Als „auf ganzer Linie gescheitert“ bewerteten die anwesenden Kinderschützer und Ärzte das Gesetz mit Blick auf die Praxis. In einer vorab veröffentlichten Pressemitteilung hatte Alexander Bachl, Sprecher des Facharbeitskreises Beschneidungsbetroffener im MOGIS e.V., gefordert, dass eine Beschneidung ohne therapeutischen Nutzen nur von demjenigen entschieden werden dürfe, „der sein ganzes Leben lang mit den Folgen verbringen muss“. In diesem Zusammenhang sprach Bachl mit Blick auf das Gesetz von einer Entrechtung der Betroffenen.
Die Vertreter des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte und der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie konzentrierten sich auf medizinische Aspekte. Eine wichtige Forderung war die „umfassende Aufklärung des Jugendlichen (ohne Dabeisein der Eltern) über die Folgen der Vorhautentfernung“. Ihre Kritik richtete sich gegen die derzeit gängige Praxis, Beschneidungen ohne Anästhesie vorzunehmen. Da nicht-ärztliche Beschneider nicht befugt seien, eine Betäubung durchzuführen, erfolge gerade bei Säuglingen die Beschneidung „ohne Schmerzausschaltung“. Die hier oft verwendete Salbe sei zum einen nicht ausreichend und zum anderen für die Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren nicht zugelassen. Nach einer Erhebung der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin ist auch die Komplikationsrate, insbesondere Infektionen, die über die örtliche Wundinfektion hinausgehen und die Gesundheit des Patienten beeinträchtigen können, offenbar höher als bisher angenommen.
Auf der Pressekonferenz kam auch der Fall eines Mohels zur Sprache, der das Blut von der Wunde mit dem Mund abgesaugt haben soll. Die Einstellung des Strafverfahrens zeige, dass die im Gesetz festgelegten hygienischen Mindeststandards in der Praxis nicht eingehalten würden und der Staat auch kein großes Interesse zeige, diese durchzusetzen.
Die Terre des Femmes-Vorsitzende Irmingard Schewe-Gerigk erinnerte daran, dass es auch im Fall der Mädchenbeschneidung lange gedauert habe, bis ein öffentliches Bewusstsein entstanden sei. Insofern war allen Anwesenden klar, dass das letzte Wort in der Debatte noch nicht gesprochen ist.
ATHventslesungen
An drei Sonntagen im Dezember veranstalteten die Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg im Literaturhaus ihre ATHventslesungen. Den Auftakt machte Philipp Möller, der aus seinem im Januar erscheinenden Buch Bin isch Freak, oda was? las. Neben allerlei Durchschnittsfreaks präsentierte er in seiner Freakshow insbesondere Esoterikfreaks, Religionsfreaks und Ernährungsfreaks. Für letztere wäre sicherlich auch der sehr lebendige Vortrag von Udo Pollmer von Interesse gewesen, der über psychotrope Stoffe in Lebensmitteln referierte: „Opium fürs Volk“. Vor allem Würzmitteln wie Muskatnuss oder Safran enthalten Substanzen, die uns glücklich machen. Ums kirchliche Arbeitsrecht ging es in der Lesung von Corinna Gekeler. Deren Studie zu Diskriminierung bei Caritas. Diakonie & Co war im Sommer in einer stark erweiterten Fassung als Buch erschienen. Sie stellte die wichtigsten Ergebnisse daraus vor und zeigte, welche politischen Perspektiven sich derzeit ergeben, den Status quo zu ändern.
Kritik am ZDF
Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) hat die kürzlich gestartete Online-Plattform des ZDF God’s Cloud kritisiert. Sie sei ein typisches Beispiel für den „weithin interessengeleiteten und oberflächlichen“ Umgang der Kirchenredaktionen der öffentlich-rechtlichen Medien mit dem Thema Religion. Hinter der verlautbarten Zielsetzung von God’s Cloud, vermeintliches religiöses Wissen zu bewahren, sieht der IBKA-Vorsitzende René Hartmann eher die Absicht, „die massenhafte Abwendung von den Kirchen zu bremsen“. Mit Hinblick auf die Rundfunkräte, aber auch auf die Besetzung leitender Stellen in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten spricht Hartmann von einer „starken Präsenz von Vertretern der großen Kirchen in den Sendern“, die er als Garantie dafür ansieht, „dass eine wissenschaftliche und kritische Betrachtung bestenfalls in Ansätzen erkennbar ist. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf dem Versuch, alte Mythen in medientauglicher Verpackung zu präsentieren.“ Die Folge seien Produktionen mit klischeehaften Bildern und pseudokritischen Kommentaren. Als eigentliche Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien sieht Hartmann, das Thema Religion „auf unabhängige und kritische Weise zu beleuchten“.
Roland Ebert
Über 15 Jahre lang hat er regelmäßig für die MIZ geschrieben, sein letzter Aufsatz befasste sich mit dem Geschäft mit der Altenpflege und wie kirchliche Pflegeeinrichtungen dabei mitmischen. Unmittelbar nach der Auslieferung des Heftes ist Roland Ebert tödlich verunglückt.
Insgesamt hat Roland Ebert seit 1997 über 50 Artikel beigesteuert. Zumeist nahm er das Verhältnis des Staates zu den Religionsgemeinschaften in den Blick, wandte sich innenpolitischen Themen und sozialpolitischen Fragen zu. Durch sein umfangreiches, gut erschlossenes Zeitungsausschnittarchiv war es ihm möglich, personelle Verflechtungen und langfristig angelegte Argumentationslinien schnell zu recherchieren – anhand der zahlreichen Anmerkungen seiner Aufsätze war zu erahnen, welche Menge an Material er im Laufe der Jahre angesammelt hatte. Die Redaktion profitierte mehr als ein Jahrzehnt von seinen Recherchen, deren Ergebnisse er uns bei seinen wöchentlichen Besuchen im Verlag vorstellte.
Am 5. November war Roland Ebert bei uns im Verlag, um sich seine Belegexemplare der aktuellen MIZ abzuholen. Zwei Tage später wurde er von einer rückwärts fahrenden Kehrmaschine überrollt, als er mit seinem Fahrrad unterwegs war.