Kortizes-Symposium
Um „Neuronale Perspektiven für den Umgang mit Neuem“ ging es Mitte April in Nürnberg bei dem populärwissenschaftlichen Symposium Was hält uns jung?.
Unter dem Dach von Kortizes, dem neuen Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs in Nürnberg, hatten Rainer Rosenzweig und Helmut Fink vom 13. bis 15. April elf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingeladen, über verschiedene Aspekte von Hirnalterung und neuronalem Jung-Bleiben zu referieren.
Zum Auftakt am Freitagabend konnte der Neurowissenschaftler und Berater Henning Beck das Publikum von über 250 Interessierten beruhigen: Computer seien zwar besser, wenn es um fehlerfreie Berechnungen und das schnelle Anwenden von Regeln gehe, die Domäne der Kreativität gehöre jedoch den Menschenhirnen.
Am Samstagvormittag erklärte die in Mainz forschende Neurobiologin Eva-Maria Albers, wie membranumhüllte Vesikel Neuronen gesund halten. In ihnen werden biologisch aktive Stoffe von Zelle zu Zelle transportiert. Die Biodemographie-Professorin Annette Baudisch aus dem dänischen Odense stellte anschließend neue Evolutionsmodelle vor, die mit einbeziehen, dass Altern keineswegs für alle biologischen Arten gleich ist oder immer ein stetes Bergab.
Der Ulmer Psychiater und Medienkritiker Manfred Spitzer warnte vor einer Epidemie der Einsamkeit, die in ihrer chronischen Form als Risikofaktor bedeutsamer sei als Übergewicht, Alkohol oder auch das Rauchen. Und der Musikphysiologe Eckart Altenmüller aus Hannover sprach über Hirn-Plastizität durch Musizieren – von Synapseneffizienz über Vermehrung der Nervenfortsätze bis hin zur Vergrößerung ganzer Hirnareale.
Die Medizinethikerin Sabine Müller von der Charité in Berlin kritisierte, dass die bei Parkinson erfolgreiche Tiefe Hirnstimulation ohne vorgeschaltete Tierversuche und gute klinische Studien auch bei anderen Krankheiten angewendet wird. Wie unsere Vorstellungen vom Altern das tatsächliche Altwerden beeinflussen, erklärte die Psychologin Anna Kornadt von der Universität Bielefeld.
Nachdem der Philosophieprofessor Harald Seubert mit Zitaten zahlreicher Dichter und Denker für die Pflege der Neugier als Lebenselixier geworben hatte, klang der Samstagabend mit den musikalischen Kompositionen von Pianist und Kortizes-Teammitglied Claus Gebert aus, der die prominente Jazz-Klarinettistin Rebecca Trescher für ein gemeinsames Konzert gewonnen hatte.
Zu Beginn des Sonntagsprogramms betonte der Neurobiologe Marin Korte, dass der Verlauf der Hirnalterung keineswegs schicksalhaft festgelegt ist, sondern stark durch Umwelt und einen gesunden Lebensstil beeinflussbar ist. Die Erlanger Philosophin Martina Schmidhuber mahnte, dass alterseigene positive Effekte übersehen würden, wenn gutes Altern nur mit möglichst gut erhaltener Jugendlichkeit assoziiert werde.
Der emeritierte Entwicklungspsychologe Rolf Oerter präsentierte eine Zusammenschau von evolutionären und kulturellen Faktoren, die für die menschliche Zukunft bedeutsam sind. Und bei der abschließenden Podiumsdiskussion sprachen sich Baudisch, Schmidhuber, Seubert und Oerter für eine Förderung von Hirngesundheit aus, aber gegen zu starke staatliche Eingriffe. Einig war man sich zudem, dass es nur das Individuum selbst sein kann, das sein Leben im Rückblick als gelungen bewerten kann.
Das nächste Kortizes-Symposium Hirn im Glück - Freude, Liebe, Hoffnung im Spiegel der Neurowissenschaft ist für das Wochenende 17.-19.5.2019, wieder im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, vorgesehen (http://kortizes.de/symposium/).
Brynja Adam-Radmanic
SkepKon in Köln
Auf der diesjährigen Skeptiker-Konferenz, die von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) ausgerichtet wird, wurde eine „Homöopathie-Challenge“ eröffnet: 50.000 Euro winken, wenn es gelingt, den homöopathischen Wirkstoff in unbeschrifteten Globuli-Fläschchen zu benennen. In der Homöopathie wird eine Grundsubstanz immer weiter verdünnt („potenziert“), was ihre Wirkung steigern soll. Da ab einer bestimmten Verdünnungsstufe rechnerisch kein Molekül der Ausgangssubstanz mehr vorhanden ist, geht die Homöopathie davon aus, dass „Informationen“ aus der ursprünglichen Substanz auf die Verdünnungen übergehen und dass dadurch die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel gewährleistet sei.
Die Wissenschaft sieht das seit jeher skeptisch und alle bisherigen Studien brachten keine Hinweise auf eine Wirksamkeit homöopathischer Medikamente im Hochpozentbereich. Die Challenge der GWUP ist ein Angebot an alle Homöopathie-Befürworter, die nun demonstrieren können, dass es möglich ist auch potenzierte Arzneien voneinander zu unterscheiden.
War der erste Tag, das sogenannte Skeptical, vor allem grundlegenden Themen und unterhaltsamer Präsentation vorbehalten, ging es an den folgenden beiden Tagen um Themen von politischer Bedeutung. Neben der Medizin, diesmal mit dem Schwerpunkt Osteopathie, ging es um die Landwirtschaft. Die Steigerung der Erträge – angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung immer noch von Bedeutung – wurde nicht zuletzt erzielt durch den Einsatz von Kunstdünger, Schädlingsbekämpfungsmitteln und Gentechnik und sieht sich deshalb fortwährender Kritik ausgesetzt. In den Vorträgen wurde diese Kritik eher kritisch gesehen, weil sie oft die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien nicht berücksichtigt. Es bedarf keiner prophetischen Gabe, um zu prognostizieren, dass das Thema auf den nächsten SkepKons wiederkehren und kontrovers diskutiert werden wird.
Ansonsten ging es um Fakten & Fake, um die Replizierbarkeit von Testergebnissen in der Psychologie oder um Testverfahren in der Personalarbeit. Wer die Konferenz verpasst hat, kann übrigens einige der Vorträge trotzdem ansehen, da sie mittlerweile in sehr guter Qualität auf dem YouTube-Kanal der GWUP dokumentiert sind.
Laizismus-Kolloquium
Am 16. Dezember 2017 fand im lothringischen Metz ein von den französischen Freidenkern (FNLP) organisiertes Kolloquium statt. Auf dieser Tagung referierten Teilnehmer von zehn verschiedenen europäischen Nationen. Ziel der Tagung war es, die Aushöhlung des verfassungsgemäßen Laizismus durch die christlichen Amtskirchen, vor allem durch die katholische, aufzuzeigen und zu unterbinden. Diese eint sämtlich weltweit der Versuch, ihre Privilegien zu erhalten, zu erweitern und vorzugsweise die in Frankreich 1789 und 1905 verlorene Macht im Staat zurückzugewinnen. Hier versuchen die christlichen Kirchen gerade, in einem „interreligiösen Dialog“, der neuerdings auch die Moslems einbezieht, von den drei nordöstlichen Départements mit historisch bedingtem „konkordatärem“ Sonderstatus (Reichsland „Elsass-Lothringen“) aus, den Laizismus in den benachbarten Gebieten der Région „Großer Osten“ und in Frankreich überhaupt zu unterwandern (vgl. Heinke Först, Französische Sondergebiete, in MIZ 3/17).
Als Mittel kirchlicher Bevormundung erweisen sich vor allem die Konkordate – nicht nur in Frankreich. Mittelalterlich geradezu ist der Vertrag der griechisch-orthodoxen Staatskirche mit der Republik, deren höchster Vertreter ostentativ vor dem Metropoliten zu Kreuze kriecht. Erschreckend das polnische Konkordat von 1993, das den Katholizismus ermutigt, in Justiz, in den Medien, im Bildungswesen, in den Krankenhäusern, bei der Familienplanung und auf den Friedhöfen unverblümt zu zeigen, wer das Sagen hat. Konkordatäre Privilegienwirtschaft herrscht in Spanien auch nach Franco. Und sie herrscht nachhaltig in Italien, wo spätestens mit den Lateranverträgen 1929 dem Papst der Schulterschluss mit Mussolini als dem ersten faschistischen Diktator gelang.
Im Vortrag des IBKA-Referenten wurde die ausschlaggebende Rolle des Katholizismus bei der Machtergreifung Hitlers dargestellt, der das Reichskonkordat 1933 abschloss, das die Vorrechte des Vatikans zementiert, die alle Steuerzahler nach wie vor zu finanzieren haben. Lediglich das konfessionell stark gemischte Schottland und das liberalere Finnland scheinen dem kirchlichen Expansionsdrang zu trotzen.
Ein relativ fester Grund in Europa erschien den Tagungsteilnehmern der real existierende französische Laizismus, der das Vermächtnis der Aufklärung gegen den Klerikalismus entschlossen verteidigt. Woher kommt diese besondere Sensibilität und gut organisierte Gegenwehr in Frankreich? Wohl sicherlich aus dem Bewusstsein heraus, dass die Laizität 1789 und 1905 als ein kostbares Gut nicht nur mühsam und mutig erkämpft wurde, sondern dass sie im vereinten Europa auch erhalten werden muss. Die Laizität, weil sie eben keine Religion oder andere Ideologie ist, sondern die Voraussetzung für jegliche Weltanschauung, solange diese nicht privilegiert ist und solange sie als die Freiheit der einzelnen nicht die Freiheit der anderen verletzt. Die Laizität, denn sie bedeutet Freiheit und Gleichheit!
Hartmann Schimpf