Prisma | Veröffentlicht in MIZ 4/24 | Geschrieben von Frank Riegler

175 Jahre Geistesfreiheit in Bayern

Von der „deutschkatholischen Gemeinde“ zum „Bund für Geistesfreiheit“ (bfg)

Am 24. Dezember 1848 wird in Nürnberg die Freie christliche Gemeinde gegründet. Fünf weitere Gemeinden in Bayern folgen 1849 . Es ist die Geburtsstunde für eine Weltanschauungs­gemein­schaft, die sich den Zielen des säkularen Humanismus verpflichtet fühlt. Verbote und Unterdrückung behindern die Entfaltung eines freien Geistes. Trotzdem können die heute 11 Ortsgemeinschaften in diesem Jahr auf eine 175 Jahre alte Tradition aufbauen und aktiv für ihre Ziele eintreten.

Drei Meilensteine auf dem Weg zur Trennung von Staat und Kirche

1524/25, vor 500 Jahren, erhoben sich in Süddeutschland die Bauern, um gegen ihre Ausbeutung und Unterdrückung zu protestieren. Ziel der Proteste war neben dem Adel auch die Kirche. Die Klöster verlangten hohe Abgaben von den Bauern, weshalb diese in großer Armut lebten. Der Aufstand wurde am 15. Mai 1525 bei Frankenhausen und Anfang Juni bei Würzburg blutig niedergeschlagen.

1555 wurden in Augsburg zwischen Kaiser Ferdinand I. und den Reichsständen erstmals die Bedingungen für die Koexistenz von Protestanten und Katholiken im Römischen Reich festgeschrieben. Jetzt legten die Landesherren fest, welcher Konfession ihre Untertanen angehören mussten. Die konfessionellen Spannungen wurden dadurch nicht aufgehoben. 69 Jahre später begann der 30-jährige Krieg (1618–1648).
Zu Beginn des 19. Jahrhundert be­fand sich ein Drittel des heutigen Bayerns in Kirchenbesitz. Das letzte bedeutende Gesetz des Heiligen Römi­schen Reiches, der Reichs­deputa­tions­hauptschluss, wurde am 25. Februar 1803 im Alten Rathaus von Re­gens­burg gefasst.
Religionspolitische Folgen waren zum einen die bis heute bestehenden Entschädigungszahlungen für die Säkularisation; zum anderen erstmalig eine Toleranzpolitik gegenüber den zwei Konfessionen (Katholiken und Protestanten). In der Theorie konnte jetzt jede Person entscheiden, welcher Konfession sie angehören möchte. Juden und Nichtchristen waren von der Tolerierung ausgeschlossen.

Die Märzrevolution 1848

Die Märzrevolution 1848 war der Höhepunkt der Freiheitsbewegung, die für demokratische Rechte und die Trennung von Staat und Kirche eingetreten ist. Eine Errungenschaft der Märzrevolution war die Bildung einer Nationalversammlung, die in der Frankfurter Paulskirche tagte. Am 14. April 1849 verabschiedete sie eine Reichsverfassung, die als Meilenstein in der deutschen Verfassungsgeschichte gilt und Vorbild für alle weiteren demokratischen Verfassungen der Länder war.

In den §§ 144 bis 151 wird dokumentiert, dass es zu einer Trennung von Staat und Kirche kommen muss.

§ 144. Jeder Deutsche hat volle Glau­bens- und Gewissensfreiheit.
Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.

§ 145. Jeder Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Übung seiner Religion.
Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetze zu bestrafen.

§ 146. Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch thun.

§ 147. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.
Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche.
Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.

§ 148. Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden.

§ 149. Die Formel des Eides soll künftig lauten: „So wahr mir Gott helfe“.

§ 150. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilactes abhängig; die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civilactes stattfinden.
Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß.

§ 151. Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden geführt.1

Zu diesem Zeitpunkt war es praktisch nicht möglich, aus einer der beiden großen christlichen Kirchen auszutreten. Das Ergebnis wäre eine Vernichtung der eigenen Existenz gewesen. Kirche und Obrigkeitsstaat bildeten praktisch eine Einheit.

Ludwig Feuerbach

Aber der Boden war gut vorbereitet. 1830 erscheint Ludwig Feuerbachs Schrift Gedanken über Tod und Unsterblichkeit. Er veröffentlicht diese Schrift anonym wird aber wird schnell als Autor ausgemacht. Eine akademische Laufbahn an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen ist damit nicht mehr möglich. In dieser Schrift äußert er sich noch nicht zu der Frage, ob es einen Gott gibt.

Er stellt fest, dass die Unsterblichkeit eine Behauptung ist, um die Menschen in der Verwirklichung ihrer Wünsche auf das Jenseits zu vertrösten. Er schreibt: „Nur wenn der Mensch wieder erkennt, dass es nicht nur einen Scheintod, sondern einen wirklichen, wahrhaften Tod gibt, der vollständig das Leben des Individuums schließt, wird er den Muth fassen, ein neues Leben wieder zu beginnen, und das dringende Bedürfnis empfinden, absolut Wahrhaftes und Wesenhaftes, wirklich Unendliches, zum Vorwurf und Inhalt seiner gesamten Geistestätigkeit zu machen.“2
Das Buch Das Wesen der Religion, 1841 veröffentlicht, fand eine breite Öffentlichkeit. Als Religions­unter­suchung angelegt, erklärt Feuerbach das Verhältnis „Gott – Mensch“. Durch die Kritik von klerikaler Seite wird die Schrift weit verbreitet und begründet Feuerbachs Ruf als Materialist.
1848 hält er öffentliche Vorlesungen über Das Wesen der Religion in Heidel­berg. In seiner 20. Vorlesung sagt er: „Denn nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, wie es in der Bibel heißt, sondern der Mensch schuf, wie ich im Wesen des Christentums zeigte, Gott nach seinem Bilde.“3 Diese Schriften waren im Kreise des liberalen Bürgertums und der sozialistischen Bewegung bekannt. Die Kritik an der Kirche brauchte einen Mantel, der verhüllte, was viele dachten.

Die freireligiösen Gemeinden in Bayern

Johannes Ronge (1813–1887), katholischer Priester, war nach der Hinrichtung von Robert Blum im Jahre 1848 der Motor der Bildung von freireligiösen Gemeinden und Frauen-Vereinen. In Bayern gründeten sich 1849 freireligiöse Gemeinden in München, Nürnberg, Fürth, Erlangen, Altdorf, Schweinfurt und Oberndorf. Die Initiative ging von Johannes Ronge aus.

Über seine Motivation schreibt Ronge: „Als die deutschen Fürsten 1849 die im Jahre 1848 geleisteten Eide brachen, das Volk verrieten und die Patrioten mordeten, wäre es die Pflicht der christlichen Kirchen gewesen, gegen diese Treuebrüche und diese Grausamkeiten zu protestieren im Namen der Religion.“4 Demokratische Kritik an den bestehenden sozialen und autoritären Verhältnissen war immer nicht nur an die Fürsten und Könige gerichtet. Die Kirche war ein wichtiger Teil des feudalen Herrschaftssystems.
Die Freimaurer gingen da ihren Weg. Die Christen versuchten, die Kirche tatsächlich zu reformieren, zu demokratisieren. Die freireligiösen Gemeinden gingen einen Schritt weiter und begriffen Religionskritik als wichtigen Bestandteil ihrer Emanzi­pations­bewegung.
So nennen sich die in Bayern entstehenden Vereinigungen deutschkatholische, freie christliche oder freie religiöse Gemeinde. Derartige Gemein­schaften werden in Bayern als Privat­religionsgesellschaften anerkannt.

Verbot und Wiedergründung

1851 wird den freireligiösen Gemeinden durch königliches Dekret die Eigen­schaft als Religionsgemeinschaft aberkannt. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie Feuerbachs Philosophie als den wahren Grundstein der Zukunft betrachten und die Unsterblichkeit „wegdemonstrieren“. Auch die Tatsache, dass Frauen in den Vereinigungen ein Stimmrecht hatten, war ein Grund für das Verbot sämtlicher freichristlichen Gemeinden in Bayern.

Trotzdem wirkten sie weiter. Auch dank einer stärker werdenden liberalen Opposition im bayerischen Landtag. Mit dem Neuaufbau der freien religiösen Gemeinde in Nürnberg und Fürth im Jahre 1859 begann die freireligiöse Bewegung in Bayern ihren Weg weiterzugehen.
Aus den bestehenden Gemeinden versammelten sich am 16. Juni 1859 die Delegierten aus Deutschland in Gotha und beschlossen ein gemeinsames Statut. Es wurde der Bund freireligiöser Gemeinden gegründet. Dem schlossen sich über 100 Gemeinden mit etwa 150.000 Mitgliedern an.
Während der eine Teil an einem reformierenden Christentum festhalten will, treten Andere, so auch die bayerischen Gemeinden, für einen säkularen Humanismus und den Anschluss an die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften ein. Die Schriften Feuerbachs bildeten eine wichtige Grundlage für diese Neuausrichtung. Denn Ludwig Feuerbach widerlegte aus philosophischer Sicht den Glauben an die Unsterblichkeit und die Existenz Gottes.
Die „freireligiösen“ Gemeinden Deutsch­lands sind somit die Zweck­nachfolger der deutschkatholischen, der freiprotestantischen, der freien und der freien religiösen Gemeinden Deutschlands.

Charles Darwin

Naturwissenschaftlich machte ein Werk Furore, das am 24.11.1859 in England erschien. Die Entstehung der Arten von Charles Darwin. Er begründete die Evolutionstheorie, die bis heute in ihrem Kern Bestand hat und zerstörte damit die biblische Geschichte von der Schöpfung.

Nach der Bibel formte Gott aus Lehm den ersten Menschen, natürlich einen Mann. Seiner entnommenen Rippe verdankt die christliche Gemeinschaft: die Frau. Das Ereignis liegt nach der Überzeugung der Kreationisten (Vertreter der Schöpfungstheorie) etwa 4000 bis 6000 Jahre zurück. 2009 präsentierten Paläanthropologen der Welt die 4,4 Millionen Jahre alte „Ardi“ – die älteste bekannte Ur-Ahnin des modernen Menschen. Das Skelett wurde nördlich von Adis Abeba (Äthiopien) gefunden. Ähnlich wie Feuerbach musste sich Darwin mit den Anfeindungen seitens klerikaler Kreise auseinandersetzen. Glaube steht gegen Wissenschaft. Und weil der Glaube von Gott kommt, hat er Vorfahrt.
Als Ludwig Feuerbach am 13.9.1872 in Nürnberg stirbt und zwei Tage später auf dem Johannisfriedhof beerdigt wird, bilden mehr als 5000 Teilnehmer einen Trauerzug. Die Tageschronik vom 15. September 1872 berichtet: „Die auf heute Nachmittag 4 Uhr angesetzte Begräbnisfeier Dr. Ludwig Feuerbach setzte, wie bei der Verehrung, welche dem berühmten Gelehrten auch in allen Kreisen der Bevölkerung geweiht wurde, vorauszusehen war, die ganze Stadt in Bewegung.“5
Der Anschluss an die Entwicklung der modernen Wissenschaften und der säkulare Humanismus verankern sich im liberalen Bürgertum und der sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Arbeiterbewegung des 19. Jahr­hunderts.

Das Weimarer Kartell

1907 gründet sich in Weimar das Weimarer Kartell. Es war der Versuch, die verschiedenen freireligiösen Or­ganisationen im deutschen Reich in einem Dachverband zu vereinen und gemeinsame Ziele zu formulieren: Feuerbestattung, weltliche Eidleistung, Lehrfreiheit, Bekenntnisfreiheit, Aner­kennung freier Gemeinschaften und deren Religionsunterricht. Das Komitee Konfessionslos forderte die kulturtötende Macht der Kirchen zu brechen und propagierte den massenhaften zivilrechtlichen Austritt aus den vom Staate geschützten Religionsgemeinschaften.6

Im Weimarer Kartell waren die bürgerlichen Verbände dominierend. Viele davon nur religionskritisch, wenige säkular ausgerichtet. Die proletarischen Verbände wurden durch die Sozialdemokraten vertreten. Schließlich hatten die Arbeiter einen materiellen Grund, den Kirchen den Rücken zu kehren. Die Kirchensteuer war auf 20% der allgemeinen Steuerschuld heraufgesetzt worden. Kirchensteuerämter und staatliche Finanzämter arbeiten Hand in Hand.

Verbot und „Auferstehung“

Ab 1933 wurden die freireligiösen Gemeinden Bayern verboten. 1946 fand die Wiedergründungen der bayerischen Ortsgemeinschaften statt. Am 5. Oktober 1947 wurde auf einem Kongress in Nürnberg die Freireligiöse Landesgemeinde Bayern gegründet, am 4. Dezember 1947 erhielt sie den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.). In den 1960er Jahren erfolgte die Umbenennung in Bund für Geistesfreiheit.

Machterhalt der Kirchen

Die Kirchen haben es in den letzten 175 Jahren geschafft, die enge Bindung zwischen Staat und Kirche immer neu anzupassen. Im 18. und 19. Jahrhundert folgten sie bedingungslos den Fürsten, Königen und Kaisern. In der Weimarer Republik arrangierten sie sich mit den Bedingungen einer bürgerlich-demokratischen Republik. Der rote Teppich für die nationalsozialistischen Machthaber wurde schon in der Weimarer Republik ausgerollt. Durch das Reichskonkordat sicherte sie ihren Einfluss und ihre Einnahmen. Nach 1945 schuf sie über die „Rattenlinie“ den Verbrechern des NS-Staates die Möglichkeit, sich einer Strafverfolgung durch Flucht, überwiegend in lateinamerikanische Länder, zu entziehen.

Im Freistaat Bayern sind die Privi­legien der Kirchen durch Kon­kordat und Staatsverträge gesichert. Die Verfassung des Freistaates Bayern hat viele Gesetze (Dogmen) der christ­lichen Kirchen übernommen. Mit „Gott mit dir, du Land der Bayern …“ beginnt die bayerische Hymne.

Mitgliederschwund — abnehmender Einfluss?

Trotzdem ist der Einfluss der Kirchen auf die staatlichen Institutionen und auf die Zivilgesellschaft im Schwinden begriffen. In den bayerischen Großstädten sind weniger als 50% der Bevölkerung Mitglied in den christlichen Kirchen.

Homosexualität ist nicht mehr strafbar. Die Rechtsgrundlagen für einen Schwangerschaftsabbruch vorhanden. Frauen sind auch dann voll geschäftsfähig, wenn sie verheiratet sind. Der § 180 StGB, auch als Kuppeleiparagraph bekannt, gilt seit dem 7. Juni 1973 nicht mehr für Erwachsene. Der Änderung stimmten SPD und FDP zu, die CDU-CSU-Fraktion stimmte gegen die Abschaffung.
Religion wird im Alltagsleben von vielen Menschen kaum noch wahrgenommen. Die staatlichen Stellen haben da noch erheblichen Nachholbedarf. Kein gemeindliches Feuerwehrauto kann sich einer Segnung durch die Kirchen bei der Inbetriebnahme ent­ziehen. In den Dienstgebäuden des Freistaates Bayern hängen im Ein­gangs­bereich Kreuze. Kaum ein Klassen­zimmer in staatlichen Schulen, in dem kein Kreuz hängt. Kaum ein Krankenzimmer in staatlichen oder kommunalen Krankenhäusern kommt ohne Kreuz aus.
Alles christliche Symbole, die die Steuerzahler, auch wenn sie konfessionsfrei sind, mitfinanzieren müssen. Weiter geht das mit den Gehältern der kirchlichen Würdenträger, die aus den staatlichen Steuereinnahmen finanziert werden. Theologische Fakultäten an den bayerischen Universitäten bilden das Spitzenpersonal der Kirchen aus. Lehrer werden in Sachen Religion ausgebildet. Der Religionsunterricht auch an den staatlichen Schulen wird über Steuergelder finanziert.
Einem besonderen Zwang sind die Beschäftigten bei den Religions­gemeinschaften und der mit ihnen verbundenen Wohlfahrtsverbände und Rettungs­dienste (z.B. Caritas, Diakonie, Malteser, Johanniter, etc) ausgesetzt. Dort gilt das Betriebsverfassungsgesetz nicht, die Arbeitsbedingungen sind durch einseitiges Arbeitgeberdekret (Stichwort: Dritter Weg) festgelegt. Erst das Bundesverfassungsgericht musste klären, dass die Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft kein Ausschlussgrund für ein Beschäfti­gungsverhältnis bei kirchlichen Trä­gern ist.
Ein trauriger Rückschritt war im Dezember 2012 die Verabschiedung des „Beschneidungsparagraphen“ 1631d im Bürgerlichen Gesetzbuch. An eben jener Stelle, die Kindern das Recht auf gewaltfreie Erziehung zuspricht, wurde eine Ausnahme eingefügt: Eltern dürfen in die medizinisch nicht indizierte Amputation der Vorhaut des „männlichen“ Kindes einwilligen. Auch wenn der Paragraph dafür keine religiöse oder sonstige Begründung oder Erklärung der Eltern verlangt, ist klar, dass der Staat eingeknickt ist gegenüber dem Druck von Religionsgemeinschaften. Den religiösen Bedürfnissen von Erwachsenen wurde an dieser Stelle mehr Gewicht gegeben als dem Recht des Kindes auf Unversehrtheit und Selbstbestimmung. Als Rückschritt ist dieser neue Paragraph deshalb zu verstehen, weil „Beschneidung“ von Kindern aller Geschlechter bis dato als strafbare Körperverletzung galt, wie das „Kölner Urteil“ es am 7. Mai 2012 gezeigt hatte.

Der bfg in Bayern nimmt politisch Einfluss

Der bfg München hat vor dem Bun­desverfassungsgericht mit seiner Klage gegen das bayerische Feier­tagsgesetz erreicht, dass an christlichen Feiertagen (z.B. Karfreitag, Aller­heiligen) kein uneingeschränktes Tanzverbot mehr gilt. In den letzten Jahren haben bfg-Ortsgemeinschaften unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual“ freigeistige Veranstal­tungen am Karfreitag in mehreren bayerischen Städten organisiert.

Eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungs­gerichtes, wonach das Anbringen von Kreuzen in den Amtsgebäuden des Freistaates Bayern rechtens ist, ist eingereicht.
Im täglichen Leben haben sich Um­gangsformen herausgebildet, die den christlichen Dogmen diametral ent­gegenstehen. Homosexualität beider Geschlechter wird gelebt. Außer­ehe­liche Beziehungen sind eine Nor­malität. Über sexuelle Enthalt­sam­keit vor der Ehe wird nur noch geschmunzelt.
Der bfg Bayern ist Mitglied im Zentralrat der Konfessionsfreien. Mit der Gründung des Zentralrates im Jahre 2021 ist nach der Bildung des Weimarer Kartells im Jahre 1907 ein wichtiger Schritt unternommen worden, um den konfessionsfreien Verbänden auch auf der Bundesebene Gehör zu verschaffen. Das Gremium hat 12 Chancen für eine offene Gesellschaft formuliert.7
Der bfg Bayern ist eine Weltanschau­ungsgemeinschaft in der Tradition der europäischen Aufklärung, eine In­teressensvertretung der Konfessions­freien.8

Politische Ziele

Seit 175 Jahren setzt sich der bfg bzw. seine Vorläuferorganisationen für die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ein, für die Trennung von Staat und Kirche. Im Einzelnen heißt das:

– Gleiche Rechte für alle Arbeitneh­merInnen – auch in den kirchlichen Einrichtungen
– die Ablösung der Historischen Staatsleistungen
– die Abschaffung des konfessionell gebundenen Religionsunterrichts – humanistische Bildung für Alle
– den Schutz von Kindern aller Geschlechter vor schädlichen Bräuchen, wie sie z.B. im §1631d BGB aufgeweicht worden sind
– die Wahrung weltanschaulicher Neutralität in Gesetzen und staat­lichen Einrichtungen

Anmerkungen

1 www.verfassungen.de (Pauskirchen­verfassung 1848).
2 Gedanken über Tod und Unsterblichkeit, 
F. Fommanns Verlag Stuttgart 1903, S. 12.
3 Ludwig Feuerbach, Gesammelte Werke, Band 6, Akademieverlag Berlin 1967, S. 212.
4 Bund Freireligiöser Gemeinden Deutsch­lands – Freie Religionsgemeinschaften (Hrsg.): die freireligiöse bewegung – wesen und auftrag, 1959 im Eigenverlag, S. 38.
5 Alfred Kröner in: Aufklärung und Kritik 2/2012, S. 224.
6 Horst Groschopp, Dissidenten, Dietz-Verlag Bonn 1997, S. 189.
7 www.konfessionsfrei.de
8 www.bfg-bayern.de