Buchbesprechung | Veröffentlicht in MIZ 4/14 | Geschrieben von Christoph Lammers

Rezension von Johannes Fischler: New Cage – Esoterik 2.0

Wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt

Johannes Fischler: New Cage – Esoterik 2.0. Wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt. Molden Verlag, Wien 2013. 288 Seiten, gebunden, Euro 19,99, ISBN 978-3-85485-321-3

Mit einem Umsatz von 20 bis 25 Milliarden Euro pro Jahr allein in Deutschland ist die Esoterikbranche einer der boomenden Marktzweige der globalisierten Wirtschaft (nur so zum Vergleich: die deutsche Bierindustrie liegt mit einem Umsatz von 9 Milliarden Euro doch weit dahinter) und im Gegensatz zu vielen anderen Industriezweigen ein äußerst krisenfester Bereich. Man möchte sogar so weit gehen und sagen, je krisenhafter die Zeit, desto mehr wird Esoterisches konsumiert.

Eine nähere Betrachtung des weiten Feldes der Esoterik zeigt, warum sich dieser Bereich so überaus gewinnbringend – für einige wenige Anbieter_innen – entwickeln konnte. Es hat sich in diesem irrationalen Bereich in den letzten Jahren einiges verändert hat. Das Schmuddel-Image der 1960er bis 1980er ist längst Geschichte. Nicht die Gurus bestimmen den Markt, sondern das beste Angebot. Esoterik wird heute verkauft und vermarktet, als sei es ein Produkt unter vielen. Nicht nur das. Immer wieder werden neue Produkte entworfen und damit neue Abhängigkeiten geschaffen. Die Sucht nach Heil wird so auf einem konstant hohen Niveau gehalten. Aus Anhänger_innen werden Konsument_innen (Pro­sumer).

Der österreichische Psychologe und Marketingforscher Johannes Fischler hat sich mit seinem Buch New Cage. Esoterik 2.0 dieses Aspektes angenommen und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass wir alle Teil einer Gesellschaft sind, in der nicht nur Geistheilung, Reiki etc. konsumiert wird, sondern in welcher viele Menschen nach Heilsversprechungen suchen. Viele sehnen sich nach den Produkten von Apple, Google und Amazon und suchen darin ihr Heil – einer von wenigen aber entscheidenden Unterschieden zwischen diesseitigem und jenseitigem Heilsversprechen. Apple steht sinnbildlich für die Verquickung von kapitalistischem Erfolg und religiöser Ekstase. Der Firmenname Apple (engl. Apfel) wurde bewusst gewählt. Der Gründer der Firma, Steve Jobs, wurde von vielen als i-God angesehen.

In dem Buch geht Fischler einen
Schritt weiter und beschränkt sich
nicht auf die Darstellung des Konsum­verhaltens bzw. der Anpassung der Esoterikszene an das kapitalistische System. Seine Analyse, in Form eines mehrstufigen Programms entworfen (Schritt 1-10), wird aus der Perspektive derer erzählt, die sich in der Welt der Esoterik verlieren. Damit erweitert Fischler seine Analyse um einen wichtigen Baustein. In einem Interview mit dem österreichischen Standard erklärte er dazu: „Ich versuche, den Lesern anhand anderer Marketing-Bereiche nachvollziehbar zu machen, wie es den Leuten in diesen Traumwelten geht. Es ist mehr eine empathische Annäherung an eine Welt des esoterischen Konsumrauschs und der diesbezüglichen Marketing-Dramaturgie.“

Das überaus Interessante und An­regende an diesem Buch ist, dass Fischler seine Thesen immer wieder an der gesellschaftlichen Wirklichkeit ausrichtet und sie somit in die All­tagswirklichkeit einbettet, so dass die Leser_innen besser nachvollziehen können, worin die Problematik besteht. Es ist eine einfache, jedoch keinesfalls vereinfachende Darstellung dieser hochkomplexen Problematik.

Für die, die sich auf Fischlers Analyse einlassen, hinterlässt der Blick auf diesen totalitären Mindstyle des 21. Jahrhunderts einen unangenehmen Beigeschmack. In einer immer komplexer werdenden Welt scheint dieses totalitäre und zugleich geschlossene Weltsystem besser zu funktionieren als das aufgeklärte Weltbild der Wissenschaft. Mit dem Buch ist jedoch ein wichtiger Schritt zur Aufklärung getan.