Schwerpunktthema | Veröffentlicht in MIZ 1/12 | Geschrieben von Vera Muth

Kampagne GerDia ist angelaufen

Im September 2011 hatte die Mitgliederversammlung des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) beschlossen eine Kampagne zum Thema Kirche und Arbeitsrecht durchzuführen. Inzwischen ist die Kampagne Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz (GerDiA) zu einem Gemeinschaftsprojekt von Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und IBKA geworden. Sprecherin ist Ingrid Matthäus-Maier, die schon seit langer Zeit mit dem Thema Arbeitsrecht und Kirchen befasst ist.

Ende Februar 2012 ging die Homepage von GerDiA online (www.gerdia.de). Hier sind Kontaktadressen, allgemeine Informationen zum Thema wie auch Fallbeispiele religiöser Diskrimi­nierung zu finden. Betroffene können
sich an die Politolo­gin Corinna Gekeler
wenden, die derzeit im Auftrag des IBKA eine Studie zum Thema erstellt. Die Studie wird voraussichtlich im Herbst 2012 der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Schon im Februar 2011 gab es eine kleine Anfrage der Grünen zum Sonderweg der Kirchen im Arbeitsrecht, im Januar 2012 dann zur schleppenden Prüfpraxis im Zusammenhang mit der Aberkennung der Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP). Kirchliche Träger, Diakonie und Caritas, haben sich in den letzten Jahren, angeblich wegen des steigenden Konkurrenzdruckes, immer mehr unseriöser, den neuen Gesetzen neo­liberaler Marktwirtschaft gehorchender Methoden bedient, um Löhne zu drücken, haben gekündigt, outgesourct und über (teils von den Kirchen selbst gegründete) Subunternehmen zu
schlechteren Bedin­gungen wieder eingestellt. Zu streiken ist den Angestellten („Dienstnehmenden“) verboten, da man sich als eine durch den Glauben geeinte Dienstgemeinschaft mit gleichem Ziel, der Verkündigung, betrachtet. Und obwohl die meisten sozialen Einrichtungen weitestgehend aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden, muss immer noch „Kirche drin sein, wo Kirche drauf steht“.

Das führt auch dazu, dass Konfes­sionslose und Andersglaubende keine Anstellung bekommen. Auch wenn in einigen evangelischen Kirchen darüber diskutiert wird, Angehörige der sog. abrahamitischen Glaubensrichtungen, es ist vor allem von Muslimen die Rede, mit in ihr Boot der Verkündigung zu holen, so bedeutet dieser Schritt lediglich, dass der Kreis der Inklusion bzw. Exklusion erweitert, aber nicht grundsätzlich aufgehoben wird.

Informationen für alle Bundestagsabgeordneten

Im April 2011 stellte Die Linke einen Antrag, in dem sie die Bundesregierung aufforderte, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Grundrechte der Beschäftigten in Kirchen und kirchlichen Einrichtungen stärkt. Im Vorfeld der Anhörung zum kirchlichen Arbeitsrecht vor dem Ausschuss für Arbeit und Soziales, die am 26. März aufgrund des Antrags der Linken stattfand, wurden von GerDiA Schreiben an alle Bundestagsabgeordneten versendet. Darin fordert GerDiA, dass in Anbetracht der systematischen Diskriminierung Konfessionsloser die Sonderregelungen im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (§ 9 AGG) aufgehoben werden und dass die kirchliche Selbstverwaltung im Rahmen der für alle geltenden Gesetze erfolgen muss – so wie es im Grundgesetz geschrieben steht (Art. 140 GG / Art. 137 WRV). Die Reaktion von Seiten der Politik war positiv, GerDiA konnte durch das zusammengestellte Informationsmaterial zur Klärung der rechtlichen und politischen Situation beitragen.

Im Antrag der Linken geht es u.a. um die Abschaffung der sogenannten „Loyalitätspflichten“. Viele Menschen regen sich zu Recht über die mittel­alterliche Scharia auf, aber auch in der christlichen Community gibt es religiöse Sonderrechte und Strukturen, die nicht weniger mittelalterlich anmuten.Menschen die bei kirchlichen Trägern arbeiten, müssen sich dazu verpflichten, ihr Leben gemäß der christlichen Moral und Sitte zu führen. Sie werden in katholischen Einrichtungen gekündigt, weil sie eine neue Beziehung eingehen („Ehebruch“), wegen ihrer offen gelebten Homosexualität, aufgrund eines bekannt gewordenen Schwangerschaftsabbruches oder einer
frei geäußerten Meinung zur Religions­gemeinschaft oder gar zum Amt des Papstes. Ein Kirchenaustritt zieht auch in der evangelischen Kirche die Kündigung nach sich, obwohl ein solcher kein Indiz für einen „Abfall vom Glauben“ ist.

Die Fälle des ehemaligen Mit­arbeiter-Vertreters Stephan Karus aus Baden-Württemberg und einer
Kindergärtnerin aus Nordrhein-West­falen, beiden wurde wegen Ehebruchs gekündigt, haben gezeigt, dass es möglich ist, sich zu wehren und erfolgreich auf das Machtgebaren der
 Kirchen gegenüber
ihren „Dienstneh
­mern“ aufmerksam zu machen. Im Fall
der Kindergärtnerin haben die Eltern und Bürger von Rauschendorf nun sogar einen Trägerwechsel gefordert, da der Träger nicht im Sinne des Allgemeinwohls handelte. Von Interesse ist die Stellungnahme des Kirchengemeindeverbands „Königs­winter – Am Oelberg“. Hier wird – unter der Prämisse des Kindeswohls und mit dem Zuckerguss der Nächsten­liebe überzogen – versucht, die Kin­dergarten-Kolleginnen gegeneinander auszuspielen, wird denunziert und vor der Rückkehr des „Heidentums“ bei einem Wechsel des Trägers gewarnt. Abschließend stellt der Kir­chengemeindeverband die Frage, ob
eine einzige Person es wert sei, „einem
ganzen Kindergarten die Erziehung im Sinne der katholischen Werte­orientierung auf Dauer wegzunehmen und den nachwachsenden Kindern vorzuenthalten?“

Die Kampagne braucht Unterstützung

Öffentlichkeit für derartige Fälle soll auch über die Kampagne GerDiA hergestellt werden. Schicken Sie uns Artikel aus ihrer Lokalzeitung, wenn dort über Kündigungen berichtet wird, weil Menschen ihre „Loyalitätspflichten“ verletzt haben, oder Stellenanzeigen, in denen ausdrücklich eine Zugehörigkeit zur Kirche gefordert ist, auch wenn es um verkündungsferne
Tätigkeiten wie Com­puterwartung oder Raumpflege geht. Sie können die Kampagne unterstützen, indem Sie das Faltblatt von GerDiA verteilen, auf Büchertischen und Veranstaltungen oder als pdf im Internet. Machen Sie über Facebook auf uns aufmerksam oder stellen Sie eines unserer Banner auf Ihre Website.

Die Öffentlichkeitsarbeit von GerDiA führte bereits zu Anfragen wegen einer Zusammenarbeit von den Kritischen Dienstnehmerinnen in Kirchen e.V. (Kridik) und vom Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG) Berlin. Auch aus der Politik kamen zahlreiche positive Rückmeldungen mit der Bitte um Vernetzung.

Kontakt zur Sprecherin der Kampagne, Ingrid Matthäus-Maier, kann über die Kampagnenleitung aufgenommen werden (kampaleitung@gerdia.de)

Kontakt und Material:

Vera Muth
c/o Alibri Verlag
Ernsthofstr. 12
63739 Aschaffenburg
Fon (0174) 978 86 64
Email: kampaleitung@gerdia.de

Faltblatt als pdf und Banner: 
www.gerdia.de/node/86
GerDiA auf Facebook: www.facebook.com/kampagnegerdia.

Finanzielle Unterstützung bitte auf das Konto:
IBKA e.V., Stichwort „Kampa 2012“, 
Konto 3920-463, BLZ 440 100 46