Wenige Jahre danach, 1970, editierte die (West-)Deutsche Post eine Sondermarke ohne Angabe eines Ausgabeanlasses mit der Darstellung eines stilisierten Kreuzes und dem Text „Das Evangelium allen Völkern“; der dazu gehörige Ersttagsstempel titelte „Weltmission“. Wohlgemerkt: Der Herausgeber der Marke ist nicht die Katholische Kirche, sondern die Bundesrepublik Deutschland, die durch das Ministerium für Finanzen für Markeninhalte verantwortlich ist.
Der ideologische Gehalt der genannten Briefmarke drängt die Beantwortung zweier Fragen auf:
- Ist der Missionsbefehl als authentische Aussage des historischen Jesus zu werten? Und
- Ist die thematische Aussage der Marke politisch korrekt? Dabei ist für uns die zweite Frage von größerer Bedeutung.
Etwas Theologie gefällig?
Der sog. Missions- oder Taufbefehl muss als Dichtung des Evangelisten Matthäus angesehen werden und hätte somit nicht als eine gültige Aufforderung zur Missionierung der Welt missbraucht werden dürfen. Die Begründung liegt auf der Hand: Jesus war lebenslang ein Jude, der die jüdischen Gesetze, die eine Missionierung von Heiden nicht vorsahen, voll respektierte. So hat er sich mehrfach gegen Heiden geäußert und sich gleichfalls für seine jüdischen Brüder eingesetzt (z.B. Mt. 10 u. 20). Die Formel „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ war zu Jesu Zeiten unbekannt und ist wohl eine viel spätere Kreation der heidenchristlichen Gemeinde um Matthäus. Dass Jesus getauft haben könnte, ist unbekannt; auch hat er seine Jünger nicht zum Taufen bewegt.
Durch den Taufbefehl wird der heidenchristliche Anspruch auf Weltherrschaft formuliert. Der Befehl war Taufpate bei jedem Kampf gegen die „Ungläubigen“, bei Zwangstaufen, bei der Unterdrückung und Vernichtung fremder Kulturen und Religionen, bei Kriegen und der Ausplünderung ferner Länder im Zeichen des Kreuzes.
Die Verwendung der ideologischen
Forderung „Das Evangelium allen Völkern“ auf einer Briefmarke machte diese zu einem in aller Welt sichtbaren Dokument staatskirchlichen Denkens in der Bundesrepublik Deutschland.
Die staatliche Neutralität in Weltanschauungsfragen wurde nicht gewährt; der Staat identifizierte sich mit einer bestimmten Religion und präsentierte sich so als Intimfreund der Kirche. Dies aber verstößt gegen das Grundgesetz und somit gegen die Interessen der Gesamtheit der Bürger unseres Landes.
Anmerkung
1 Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Vatikanisches Konzil I, Darmstadt, 2014, S. 209.