Homöopathie für Skeptiker
Irene Schlingensiepen gehört zu den so genannten „bekehrten“ Schulmedizi- ner_innen, die nach einer sie „berührenden Einzelfallgeschichte“ ihr Verhältnis zur Homöopathie grundlegend veränderte. Sie verschweigt nicht, dass diese Einzelfallgeschichte einen ihrer Söhne betraf, so dass eine zukünftige positive Bewertung der Homöopathie relativ wahrscheinlich, Kritik an dieser eher unwahrscheinlich war. Für unbedarfte Leser_innen wirkt diese, so auch alle anderen Einzelfallgeschichten, die sie im Buch wiederkehrend darstellt, wie ein Beleg für die Wirkmächtigkeit der Homöopathie. Für die (wahren) Skeptiker hingegen, ist die Aneinanderreihung von Einzelfällen sowie von der Auflistung der angeblich stichhaltigen Forschungsergebnisse in diesem Buch, ein Ärgernis. Das Buch kommt, ähnlich wie das Machwerk Evolution, ein kritisches Lehrbuch der kreationistischen Gemeinschaft Wort und Wissen e.V., sehr seriös daher. Es mischt gekonnt Einzelerfahrungen von Patient_innen mit eigenen Eindrücken und vermeintlich seriösen Studien.
Doch trotz dieser Vorgehensweise (FAQs, Glossar und einer Literaturliste inklusive) bleibt das Buch nicht mehr als ein weiterer Versuch, die Homöopathie gegen die Schulmedizin und deren Probleme auszuspielen. Die Antwort auf unser marodes Gesundheitssystem ist ein gutes, evidenzbasiertes und egalitäres Gesundheitssystem und nicht die Gleichstellung von Zuckerkügelchen mit evidenzbasierter Medizin.
Irene Schlingensiepen / Mark-Alexander Brysch: Homöopathie für Skeptiker. Wie sie wirkt, warum sie heilt, was belegt ist. Verlag O.W. Barth, München 2014. 186 Seiten, gebunden, Euro 16,99, ISBN 978-3-426-29225-9
Ein Demagoge bei REMID
Der Religionswissenschaftliche Medien- und Informationsdienst (REMID) steht eigentlich für die Bereitstellung sachlicher Informationen über allen möglichen Religionen. Besonderen Schwerpunkt legt der Verein dabei auf den Aspekt „Religionsfreiheit“, insbesondere wenn es um Minderheitenreligionen geht. Manchmal kollidiert diese Perspektive mit religionskritischen Betrachtungsweisen (vor allem wenn die Vorstellungen von Religion einen identitären Einschlag annehmen). Im Dezember ist im REMID-Blog nun ein Text von Vorstandsmitglied Christoph Wagenseil erschienen, der die MIZ in demagogischer Weise in die Nähe von Pegida & Co. rückt.
Unter der bezeichnenden Überschrift „Darf man den Islam kritisieren?“ macht sich der Autor auf, „Islamophobie“ zu definieren. Am Ende des Artikels ist allerdings weder eine nachvollziehbare Definition geliefert noch die Ausgangsfrage beantwortet. Dafür bemüht er sich nach Kräften, MIZ und den Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) als Herausgeber zu diffamieren.
Allein schon die Datenbasis spricht seinem „religionswissenschaftlichen“ Anspruch Hohn. Die MIZ befasst sich seit Ende der 1980er Jahre mit diversen Facetten des Themas Islam, hat sogar mehrere Schwerpunkte darauf verwendet. Wagenseil bezieht sich auf ein einziges Heft. Allein dies offenbart, dass es ihm nicht im Geringsten darum ging, die Position der MIZ herauszuarbeiten und zu kritisieren. Verdeutlicht wird dies noch durch sein Vorgehen, MIZ mit der Bürgerbewegung Pax Europa in Beziehung zu setzen. Diese gehört zu den Unterzeichnern eines „Wiener Appells“ – den die MIZ weder unterzeichnet noch abgedruckt hat noch war sie an der diesem zugrundeliegenden Konferenz beteiligt. Aber sie hat in der Rubrik Zündfunke einen Bericht über diese abgedruckt. Der „Wissenschaftler“ Wagenseil bringt nun nicht etwa die Mitunterzeichner des Appells oder die Veranstalter der Konferenz mit Pax Europa in Beziehung, diese bleiben sämtlich ungenannt, sondern die MIZ.
Ähnlich demagogisch geht es weiter. So unterstellt Wagenseil der MIZ, in einem Blätterwald-Beitrag eine „allgemeine Zuschreibung ‘religiöser Gewalt’ an ‘den’ Islam“, zudem „ohne irgendeine geographische Spezifikation“; woraus er messerscharf schließt: „Also scheint es auch um Opfer religiö- ser Gewalt durch Muslime in Deutschland zu gehen.“ Das freilich ist, gelinde gesagt, eine Verdrehung dessen, was dort tatsächlich steht: Kritisiert wird der Migrationsforscher Klaus J. Bade, der von der Neuen Osnabrücker Zeitung mit der Aussage zitiert wird, Islam und die für zahlreicher Menschenrechtsverletzungen und Morde verantwortliche Miliz Islamischer Staat hätten soviel miteinander zu tun wie „eine Kuh mit dem Klavierspiel“. Damit ist nicht nur der geographische Bezug klar, sondern es wird auch ganz konkret die Tätergruppe benannt. Hier drängt sich der Eindruck auf, dass Wagenseil die Aussagen in dem Beitrag absichtlich falsch darstellt.
Aber vielleicht ist Wagenseil auch nur intellektuell überfordert, wenn es um politische Einschätzungen geht. So beruft sich der „Religionswissenschaft- ler“ bei seiner Bewertung islamistischer Organisationen – ausgerechnet – auf den Verfassungsschutz und beeilt sich mitzuteilen, dass dieser für Gülen und Milli Görüs „Entwarnung“ gegeben habe. Noch peinlicher sind Wagenseils Äußerungen hinsichtlich der Anzeige eines Milli Görüs-Funktionärs gegen den Kabarettisten Dieter Nuhr. Ganz unschuldig fragt er: „Was macht es für einen Unterschied, ob der die Religionsbeleidigung anzeigende Muslim dieser oder jener muslimischen Richtung angehört?“ – Doch auch hier ging es in MIZ um einen völlig anderen Punkt, nämlich darum, dass es einer Zeitungsredaktion auffallen müsste, dass der „anzeigende Muslim“ in der Öffentlichkeitsarbeit von Milli Görüs tätig war und es sich somit weniger um die Anzeige einer „Religionsbeleidigung“ gehandelt hat als um eine PR-Aktion. Denn dass die Anzeige ohne jede Erfolgs- aussicht war, wussten alle, die sich je mit dem entsprechenden Paragraphen des Strafgesetzbuches befasst haben – und auch Wagenseil hätte es wissen können, denn zum Zeitpunkt, als sein Beitrag veröffentlicht wurde, war das Ermittlungsverfahren längst eingestellt. Aber der Mann aus dem REMID-Vorstand hat offenbar seine eigene Auffassung, was wissenschaftliches Arbeiten ist.
Eine ausführlichere Würdigung Christoph Wagen seils findet sich auf www.alibri-blog.de.