Doch nicht nur die Tatsache, dass es dieses Magazin noch immer gibt und, so möchte ich hoffen, auch in den nächsten 50 Jahren noch geben wird, ist überraschend. Ein Blick zurück in die vielen Beiträge des Magazins zeigt, dass manche politische Kämpfe, die damals ausgefochten wurden, keinesfalls erledigt sind. Soll heißen, gesellschaftlicher Fortschritt ist kein Selbstläufer. Wir sollten uns hüten, uns auf diesen Lorbeeren und dem bereits Erreichten ausruhen zu wollen – dazu aber später mehr.
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich vieles an der MIZ verändert. (Chef)Redakteur_innen kamen und gingen, das Layout (innen wie außen) wurde moderner und durch das Erstarken der Sozialen Medien hat sich im digitalen Bereich ebenfalls einiges getan. Mit der neu gestalteten Webseite versuchen wir, das Printmedium durch ein digitales Angebot zu stärken und so ein internet-affines Publikum zu erreichen.
Was sich über die Jahre nicht verändert hat, ist die Arbeit im Maschinenraum des Magazins. Dort geht es um die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die MIZ funktioniert und von den Verantwortlichen zum Laufen gebracht wird.
Im Mittelpunkt steht das Zusammenspiel von ehrenamtlich arbeitender Redaktion und Herausgeber des Magazins. Dieses Zusammenspiel hat sich über die Jahre bewährt und wurde kontinuierlich gefestigt. Weder redaktionelle Umbrüche noch Veränderungen innerhalb der Herausgeberschaft haben daran etwas ändern können. Dem Herausgeber, dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA e.V.) kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Er besitzt die „Richtlinienkompetenz“, setzt somit den politischen Rahmen, in dem sich die Redaktion bewegen soll und darf, ermöglicht der Redaktion zugleich, unabhängig zu arbeiten.
Die Verbundenheit mit dem Verband wirft aber auch eine wichtige Frage auf, die Auswirkungen auf die politische Arbeit der Redaktion hat. Wie nah muss bzw. sollte die MIZ inhaltlich am Herausgeber sein? Denn als Verlautbarungsorgan des IBKA taugt die MIZ nicht. Und daraus ergibt sich eine weitere Frage: Wie offen kann bzw. darf das Magazin für andere „Mitspieler_innen“ im säkularen Feld sein?
Die zweite Frage ist insoweit wichtig, als dass die säkulare Szene keinesfalls so homogen bzw. geschlossen ist, wie manche es sich (von außen betrachtet) vorstellen oder gar (von innen her gedacht) wünschen. Auf dem weiten Feld der religionsfreien Gemengelage gibt es Akteur_innen mit sehr unterschiedlichen, zum Teil sich diametral gegenüberstehenden Positionen und Forderungen zu Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das reicht von der Frage der Privilegien für Weltanschauungsgemeinschaften über individuelle Rechte und Lebensentwürfe bis hin zur Frage der Religionskritik.
Dass das so ist, muss nicht unbedingt schlecht sein – ganz im Gegenteil. Eine offene, demokratische und weltanschaulich plurale Gesellschaft lebt von der Vielfalt der Perspektiven. Und nicht von der Einfalt der Religiotie oder vom Diktat religiöser Überheblichkeit. Doch es zeigt zugleich die Grenzen auf, in denen sich die unterschiedlichen Akteur_innen bewegen.
Die MIZ erscheint bis heute als Vierteljahresmagazin. Das bringt es mit sich, dass aktuelle bzw. tagespolitische Themen nur in einem begrenzten Umfang dargestellt und erörtert werden können. Diese Tatsache wirft Fragen auf, die sich die Redaktion immer wieder aufs Neue stellen muss: Wo liegen die Schwerpunkte in der politischen Berichterstattung? Wo liegen die Grenzen bei dem Themenschwerpunkt? Wie können Themen kontinuierlich erörtert werden, ohne den Eindruck zu erwecken, das Magazin würde immer wieder dasselbe zu dem Thema schreiben? Gerade als kleines Magazin mit einer begrenzten Reichweite und begrenzten Ressourcen geht es in erster Linie darum, einen ersten thematischen Aufschlag zu machen und ein Thema in die säkulare Szene hineinzutragen, um so eine breite gesellschaftliche Diskussion anzustoßen.
Thematisch hat sich im Laufe der Jahre einiges verändert. Die Verflechtung von Staat und christlichen Kirchen stand lange Zeit im Mittelpunkt der Analysen. Mit der Veränderung der gesellschaftlichen Wirklichkeit kamen neue Themenfelder hinzu, die stärker in den Fokus gerieten. Stellvertretend hierfür seien der politische Islam, Esoterik, Paramedizin aber auch die Auseinandersetzung um Geschlechterrollen, reproduktive Rechte und die Selbstbestimmung des Menschen am Ende seines Lebens genannt.
Wie wichtig es ist, sich thematisch breit(er) aufzustellen und der säkularen Szene eine Stimme in der Gesellschaft zu geben, zeigt sich u.a. daran, dass bereits erstrittene Rechte wieder verstärkt in Frage gestellt werden. Mit dem weltweiten Erstarken autoritärer Parteien und Strömungen, der zunehmenden Wissenschaftsfeindlichkeit und dem irrational anmutenden identitätspolitischen Diskurs (links wie rechts) droht das Ziel einer aufgeklärten, pluralen und religionsfreien Gesellschaft in weite Ferne zu rücken. Es ist daher unsere Aufgabe als MIZ-Redaktion, nicht nur der säkularen Szene eine Stimme zu geben, sondern gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen und Kritik an den reaktionären Heilsbringer_innen und ihren menschenfeindlichen Unheilsbotschaften zu üben. In diesem Sinne, Geschichte wird gemacht!