Staat und Kirche | Veröffentlicht in MIZ 3/25 | Geschrieben von Gerhard Lein

Existenz eines Gottes absichern 
im Norden

Als Hamburger und somit Nachbar des Bundeslandes mit dem vor einigen Jahren verlorenen Spitzenplatz der glücklichsten Deutschen (so bewertet es seit Jahren die Uni Freiburg im Verbund mit der SKL), reibe ich mir die Augen: Zum dritten Mal wird in Schleswig-Holstein der Versuch gewagt, die Existenz eines Gottes verfassungsfest zu machen. Zweimal ist das schon gescheitert, beim ersten Versuch 2014 klappte es schon nicht, zuletzt im Jahre 2016 fehlte nur eine Stimme für die erforderliche Zweidrittelmehrheit 
im Landtag.

Seinerzeit hatte ein überparteiliches parlamentarisches Bündnis dieses Thema vorangebracht, kräftig unterstützt von den verschiedensten Reli­gions­gemeinschaften und Ver­bän­den. Diesmal ist’s anders, und parla­mentarisch wurde ein Entwurf ganz ohne Gott eingebracht. Die Landes­regierung hat einen von FDP und SSW (dänische Minderheit) mitgetragenen Antrag vorgelegt, dem die SPD in den meisten Punkten zustimmt (Drs 20/3684). Wegen eines grundsätzlichen Dissenses (Konflikt bei der geplanten umfassenden Digitalisierung ohne das Recht auf analogen Zugang zu staatlichen Diensten) trägt sie ihn aber nicht mehr mit. Auf der Landtagshomepage heißt es: „Die Koalitionsfraktionen sowie Liberale und SSW legen insgesamt zwölf Änderungsvorschläge vor. So sollen ‘die natürlichen Grundlagen des Lebens’ in die Präambel aufgenommen werden. Der Schutz des Klimas und der Artenvielfalt werden verankert, ebenso wie der ‘Schutz vor Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit’. Das ‘kulturel­le Erbe’ des Landes wird herausgestellt, 
‘einschließlich der jüdischen Kultur und der Kulturen der nationalen Minderheiten und Volksgruppen’. Zu­dem soll der Satz ‘Niemand darf wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden’ eingefügt werden.

Nanu, fragt sich der politisch wache Beobachter: Da ist doch im aktuellen parlamentarischen Verfahren nirgendwo von einem Gott die Rede. Hat die Fiktion des Allmächtigen gelernt aus dem zweimaligen Scheitern, auch im deutschen Norden endlich Verfassungsrang zu kriegen?

Vielleicht. Nicht aber sein Boden­personal. Es hat ein „Interreligiöses Bündnis“ von Christen, Juden und Mus­limen gebildet, das eine solche Verfassungs­änderung – nun von außen – erneut betreibt.

Die Homepage evangelisch.de weiß am 11. November zu berichten: „Zu den Initiatoren gehören die evangelische Nordkirche, das Erzbistum, die Jüdische Gemeinschaft Schleswig-Holstein, Jü­dische Gemeinden von Schleswig-Holstein, der Verein Schura – Islamische Religionsgemeinschaft, Ditib Nord und der Landesverband der islamischen Kulturzentren Norddeutschland zu den Unterstützenden.“ Die Bischöfin des Schleswig-Holstein-Sprengels der Nordkirche, Nora Stehn, lässt sich so ein: „Nur wenn wir diesen Weg gemeinsam gehen – Christinnen, Jüdinnen und Juden, Musliminnen oder auch diejenigen ohne religiöse Bindung – bleiben Toleranz, Dialog und Versöhnung lebendig.“ Will heißen: Nur wenn Säkulare, Konfessionsfreie und Atheisten, bereit sind, die Existenz eines Gottes zu akzeptieren, sind Toleranz, Dialog und Versöhnung gewährleistet. Welch eine empörend vermessene Aussage.

Sieben Landesverfassungen haben solche Gottesbezüge in z.T. sehr unterschiedlicher Aussagestärke (Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Thü­ringen; in Baden-Württemberg, Art. 12: „Die Jugend ist in Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächsten­liebe […] zu erziehen“). Sie stammen aus Zeiten, in denen noch eine große Mehrheit der Bürger religionsnah war. Neun Landesverfassungen erwähnen einen Gott nicht (neben den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen die Länder Sachsen, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und das Saarland).

Wie geht es nun weiter? Die erste Lesung des Gesetzentwurfs im schleswig-holsteinischen Landtag kam ohne die Gottes-Erwähnung aus. Die CDU hat aber schon mal vorsichtige Zustimmung signalisiert (Sympathie für eine solche „Demutsformel“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Koch, seine Kollegin Röttger spricht von einem „Appell an unser Gewissen“). Klare Ablehnung kommt vom grünen Koalitionspartner, Skepsis von den Fraktionen von SPD und FDP.

Im kommenden Jahr sind Landtags­wahlen. Man wird gespannt sein, wie die Parteien sich im aufziehenden Wahlkampf positionieren werden Noch stehen die zweite und die dritte Lesung aus. Ob es wohl zu einer möglichst einstimmigen Annahme kommt, wie in der ersten Lesung von Redner*innen erwartungsvoll ausgeführt wurde? Dann aber nur in Demut vor dem ganzen Volk und ohne Gott, sollten wir hoffen. So könnte Schleswig-Holstein sich auch bei der Uni Freiburg wieder um den Spitzenplatz des glücklichsten Bundeslandes bewerben. Unser einflussreicher Verband würde vielleicht sogar Unterstützung signalisieren.

Quellen

Artikel Gottesbezug in Schleswig-Holstein: Kirchen gehen Pakt mit Politischem Islam ein
hpd-Artikel Neuer Vorstoß für Gottesbezug in Kiel von Sebastian Schnelle
hpd-Kommentar Warum der angestrebte Gottesbezug in Schleswig-Holsteins Verfassung ein Angriff auf die säkulare Demokratie ist von Udo Endruscheit
taz-Artikel Kiel stellt mal wieder die Gretchenfrage von Esther Geisslinger
evangelisch.de-Artikel Gottesbezug bald in Landesverfassung von SH?
News Landtag Schleswig-Holstein