LeserINNENbriefe | Veröffentlicht in MIZ 1/19 | Geschrieben von Redaktion MIZ

LeserINNENbriefe

Zu Christoph Lammers, Der Kampf um das säkulare Erbe (MIZ 3/18)

Ihrer historischen Betrachtung kann ich nur teilweise zustimmen. Auch beim mehrmaligen Lesen des Artikels habe ich den Eindruck, dass Sie gar nicht bemerkt haben, dass es in Deutschland ab Mai und Oktober 1949 zwei deutsche Staaten gegeben hat, in denen auf unterschiedliche Weise das Thema Säkularisierung in den Staaten betrieben wurde. In Ihrem Beitrag betrachten Sie die Entwicklung ausschließlich in der „alten BRD“ und vergessen, dass in der DDR eine andere historische Entwicklung stattgefunden hat.

In der Verfassung der DDR war die Trennung zwischen Staat und Kirche festgeschrieben. Bei der Verfassungsänderung 1969 habe ich dem auch zugestimmt. In den Schulen gab es keinen Religionsunterricht und auch kein Pseudo-Fach Ethik. Ich musste, getrieben von meinen Eltern, zum Religionsunterricht ins Pfarramt gehen. Da ich das Alte und Neue Testament für frei erfunden, sprich als Märchen, definiert habe, haben mich meine Eltern genötigt, das war 1963. Nachdem 18 geworden war, in der DDR wurde man damit volljährig, bin ich zum Notar gegangen und habe meinen Austritt aus der Kirche erklärt, dies war kostenlos. Die Kirchensteuer musste die Kirche damals selbst eintreiben, da ich nie aus eigener Entscheidung in die Kirche eingetreten war, habe ich auch keine Kirchensteuer bezahlt.

Dieses säkulare Erbe in der DDR wird von Ihnen mit keinem Wort erwähnt. Auch wenn Sie die 1968er-Bewegung für den Säkularisierungsprozess positiv bewerten, für die Atheisten und Konfessionslosen in der DDR war das Jahr 1990 ein Rückschritt. Da es in Deutschland keine Organisation gibt, weder HVD, IBKA , GBS oder HU, die gemeinsam und einheitlich die Interessen der Atheisten und Konfessionslosen vertritt, wird der Einfluss und die Macht aller anderen religiösen Gruppen und Gemeinschaften immer stärker. Es gibt nicht mal mehr eine Partei, die man als Atheist wählen kann. Ich kenne hunderte starke Atheisten, die aber nicht wissen, wo und wie sie sich einheitlichorganisieren und mitarbeiten können. Dies liegt an alten Strukturen, die lieber für sich kämpfen und die neue Herausforderung in einer globalisierten Welt nicht erkennen.

Hartmut Köthe, Niederzimmern