Neulich | Veröffentlicht in MIZ 2/19 | Geschrieben von Daniela Wakonigg

Neulich …

… in Norwegen

Mutter Kirche als Hüterin der Moral – ein PR-Image, das sich schier unausrottbar hält. Man fragt sich nur warum. Und ich spiele hier ausnahmsweise einmal nicht auf den Missbrauchsskandal an. Bekanntlich hat der Herr in den Zehn Geboten nicht explizit den sexuellen Missbrauch kleiner Kinder untersagt, weswegen selbiges im christlichen Moralkodex wohl nicht für jedermann eindeutig zu verorten ist. Beim Lügen jedoch war Gott Jahwe eindeutig. Das mag er nämlich nicht. Im Gegensatz zu Gottes irdischen Franchisepartnern, die aus diesem Grund schon immer probate Mittel und Wege fanden, das lästige Regelwerk ihres CEOs zu umgehen. Neulich erst flog in Norwegen eine dieser kreativen moralischen Umgehungsstraßen mit großem Knall auf.

In den vergangenen Jahren erlebte die katholische Kirche in Norwegen ein erhebliches Wachstum. Stolz verkündete der Bischof von Oslo im vergangenen Jahr, dass die Zahl der in Norwegen registrierten Katholiken von 42.000 im Jahr 2005 auf 177.000 im Jahr 2018 gestiegen sei. Dieser Wachstumstrend erstaunte viele. Nicht nur, weil die katholische Kirche in anderen europäischen Ländern rasant an Mitgliedern verliert, sondern ebenfalls weil der Abwärtstrend in dem skandinavischen Land auch die evangelisch-lutherische Kirche betrifft. Ihr gehören in Norwegen als ehemaliger Staatskirche die meisten Christen an.

Doch wie sich herausstellte, verdankte die katholische Kirche in Norwegen den rasanten Mitglieder­zuwachs nicht einer wundersamen Wiederentdeckung des Katholizismus, sondern einem kreativen Trick – oder besser: einer dreisten Schummelei. Das Bistum Oslo, das die Mitglieder für ganz Norwegen verwaltet, ließ Mitarbeiter die Telefonbücher des Landes nach Namen durchforsten, die spanisch oder polnisch klangen – also nach einer Herkunft aus Ländern, in denen die Katholiken-Rate hoch ist. Diese Namen ergänzte das Bistum Oslo um ebenfalls recherchierte Adressdaten sowie Sozialversicherungsnummern und registrierte die Menschen aus dem Telefonbuch ohne deren Wissen als Mitglieder der katholischen Kirche von Norwegen. Nicht aus Sorge um das Seelenheil dieser Menschen, falls sie dereinst an der Himmelspforte ohne korrekte katholische Registrierung eintreffen sollten, nein, offenbar aus schierer Geldgier. Denn durch die zusätzlich registrierten Mitglieder stiegen auch die staatlichen Zuschüsse an das Bistum um mehrere Millionen an.

Zum Unglück der Kirche befand sich unter den solchermaßen Registrierten auch ein Vorstandsmitglied eines großen humanistischen Verbands in Norwegen. Als die Humanistin mit polnischem Namen von ihrer Zwangs­registrierung erfuhr, wandte sie sich an die Justiz. Eine Razzia im Bistum Oslo und eine Anklage wegen Betrugs gegen den zuständigen Bischof folgten. Über vier Millionen Euro muss das Bistum nun an die Staatskasse zurückzahlen und zusätzlich eine Strafe von gut 200.000 Euro. Ob die katholische Kirche nun wenigstens in Norwegen vom Laster der Habgier kuriert ist, wissen die Götter.