Die meisten Menschen, die sich den Weg aus einem frühkindlich aufgedrückten Glaubenssystem erkämpft haben, wissen mehr über ihre Ex-Religion als deren Anhänger. Versuchen nun Gläubige, mit ihnen trotzdem ein Missionsgespräch zu führen oder ihnen salbungsvoll Gebete aufzudrängen, auf dass ihre arme Seele doch wieder zum rechten Weg zurückfinden möge, so reagieren Ungläubige nicht selten genervt.
Dass dies nicht nur ein subjektiver Eindruck ist, sondern wirklich den Tatsachen entspricht, stellten jüngst zwei Forscherinnen aus den USA unter wissenschaftlichen Bedingungen fest. Und zwar untersuchten sie Reaktionen auf die im englischsprachigen Raum gebräuchliche Floskel „Thoughts and Prayers“ („Gedanken und Gebete“), die dort nach jeder Naturkatastrophe, jedem Terroranschlag und jedem persönlichen Schicksalsschlag gebräuchlich ist. Im Deutschen würden dem am ehesten die Floskeln „Ich denke an Sie“ und „Ich bete für Sie“ entsprechen. Meistens sind es religiöse Menschen, die versuchen, ihr Mitgefühl auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen, ohne dabei auf die weltanschauliche Haltung ihres Gegenübers Rücksicht zu nehmen.
Doch wie empfinden Atheisten die aufgedrängten Gebete? Diese Frage wollten die Wissenschaftlerinnen Linda Thunström von der University of Wyoming und Shiri Noy von der Denison University mit einer von ihnen konzipierten speziellen Umfrage klären. Ökonomin Thunström und Soziologin Noy befragten Opfer des Hurrikans Florence, der im vergangenen Jahr den US-Bundesstaat North Carolina verwüstet hatte. Für ihre Teilnahme erhielten die Befragten eine Bezahlung sowie weitere 5 US-Dollar, die allein für die Nutzung innerhalb des Befragungsprojekts vorgesehen waren. Das Geld konnte verwendet werden, um „Gedanken“ von irgendeinem Christen oder irgendeinem Atheisten zu erhalten oder alternativ „Gebete“ von irgendeinem Christen oder einem Priester.
Der Versuch ergab, dass Christen Gebete von Priestern höher wertschätzten als Gebete von anderen zufällig ausgewählten Christen. Atheisten dagegen zahlten Geld, um den „Gedanken und Gebeten“ von Christen zu entgehen. Im Durchschnitt 1,66 US-Dollar war es ihnen wert, das Gebet eines Priesters zu verhindern, und sogar 3,54 US-Dollar, die Gebete zufällig ausgewählter Christen zu vermeiden. Gedanken von ihnen unbekannten Nicht-Religiösen waren ihnen egal.
Floskeln wie „Ich bete für Sie“ sind für Atheisten nach den Ergebnissen dieses Versuchs also nicht nur bedeutungslos, nein, Atheisten fühlen sich von gängigen Gebetsfloskeln wie „Thoughts and Prayers“ so sehr genervt, dass sie es sich sogar etwas kosten lassen würden, wenn ihnen nach einer persönlichen Katastrophe keine Gebete offeriert werden.
Ein Ergebnis, das deutlich zeigt, dass es in Wahrheit nicht die religiösen Gefühle von Gläubigen sind, die unter Schutz gestellt werden müssen, sondern die nicht-religiösen Gefühle von Atheisten! Zwinkersmiley.