Neulich | Veröffentlicht in MIZ 4/21 | Geschrieben von Gerhard Rampp

Neulich …

... am Ursprung der 
Fake News

kam dem Papst eine grandiose, geradezu göttliche Idee. Schon Ende April rief er zu einem Sturmgebet gegen die Pandemie auf. Einen „Gebets-Marathon“ hatte er sich Mai gewünscht: Gläubige in aller Welt sollten den Rosenkranz beten, „für ein Ende der Corona-Pandemie und ein Wiederaufleben des sozialen und wirtschaftlichen Lebens“, wie Radio Vatikan berichtete.

Wie die Geschichte weiterging, ist bekannt. Corona boomte so stark, dass die Gebetsheiler nicht einmal ihre übliche Ausrede anbringen konnten, Gott habe Corona gesandt, weil nicht genug zu ihm gebetet worden sei. So kam der Papst beim Jahresrückblick an Silvester auf eine originelle Idee: Die Gläubigen müssten Gott für das Jahr 2021 trotz Corona danken. Warum, bleibt unklar, aber damit räumte er ein, dass der angeblich allmächtige Gott logischerweise auch für Corona verantwortlich sein muss.

Nun hatten auch in der Vergangenheit religiöse Spitzenfunktionäre öfters „Gebetsoffensiven“ gestartet, mal für Regen bei Dürre, mal für Trockenheit nach Überschwemmungen. Das Ergeb­nis blieb offen, der Normal­zustand stellte sich nach einiger Zeit mit und ohne Gebete wieder ein. Das Erdbeben vor Lissabon mit nachfolgender Überschwemmung 1755 machte die Gläubigen besonders nachdenklich: Die reichen Klöster und Kirchen nahe dem Ufer verschwanden im Wasser, das Rotlichtviertel am Berghang blieb unversehrt. Ob Gott womöglich Prostitution eher duldete als priesterliche Knabenliebe?

Einen Erfolg muss man den Kirchen in diesen Zeiten jedoch lassen: Sie haben daran erinnert, dass der Begriff fake news zwar von Trumps Horden geprägt wurde, dass aber weder sie noch die Coronaleugner das Patentrecht für sich reklamieren können. Die Gemeinsamkeit aller Religionen besteht darin, dass sie Vermutungen und Hypothesen als Wahrheit verkaufen. Sobald Historiker oder Naturwissenschaftler ein Detail als unglaubhaft oder unmöglich klassifizieren, wird es eben zur „Legende“ – außer es rüttelt am Fundament. So wie etwa die Erkenntnis, dass nicht Jesus, sondern Paulus (der Jesus nie traf) das Christentum gegründet hat, während die überlebenden Jesus-Anhänger als Augenzeugen darauf bestanden, dass Jesus als Jude das Judentum reformieren, nicht aber eine neue außerjüdische Religion gründen wollte. Bekanntlich setzte sich Paulus durch, weil er, der griechischen und lateinischen Sprache mächtig, die „Medienmacht“ hatte und ausnutzte. Da er unmöglich im Römischen Reich eine Religion verbreiten konnte, deren Hauptfigur von Römern umgebracht wurde, wurden schon in den ersten Evangelien „die Juden“ als Schuldige hingestellt, obwohl nahezu alle Historiker diese Version als äußerst unwahrscheinlich ansehen.

An diesen wohl folgenschwersten Fake News der Geschichte rühren die Kirchen nicht – dagegen sind naive Corona-Gebete harmlos.