Neulich | Veröffentlicht in MIZ 4/23 | Geschrieben von Daniela Wakonigg

Neulich …

... vor dem Kölner Dom

„Ein Blitzableiter auf einem Kirch­turm ist das denkbar stärkste Miss­trauens­votum gegen den lieben Gott“ – ein Bonmot des spitzzüngigen österreichischen Schriftstellers Karl Kraus. Ich musste unwillkürlich daran denken, als ich im Fernsehen die Berichte über den letzten Weihnachtsgottesdienst im Kölner Dom sah. Die Angst vor einem islamistischen Terroranschlag hatte dazu geführt, dass im und vor dem Dom ein immenses Polizeiaufgebot anzutreffen war. Darüber hinaus sah sich jeder Gottesdienstbesucher mit einem verschärften Bodycheck konfrontiert. Besucher und Kirchenverantwortliche bedankten sich bei der Staatsmacht für ihren Schutz.

Betrachtet man die Entstehung der Religion in der Menschheitsgeschichte, so zeigt sich, dass ein zentraler Job aller Gottheiten stets die Schutzfunktion war. Meine Götter sollen mich davor beschützen, dass du mir Übles antust. Kann ich dem Übel entgehen, so ist das ein Beweis für die Stärke meiner Götter. Verliere ich gegen dich, so zeigt sich, dass deine Götter stärker sind als meine. So in etwa lief es jahrtausendelang, nachdem der Mensch die Götter erfunden hatte. Bis heute hat das Prinzip Bestand. Vor Schlachten und Fußballspielen wird von Religiösen gern die eigene Gottheit angefleht, dass ich gewinnen und der andere verlieren möge.

Wer solche Bilder sieht wie Weih­nachten am Kölner Dom, ahnt jedoch, dass dieses Denkmodell hierzulande langsam aber sicher schwindet. An die Allmacht des christlichen Gottes glauben schon längst nicht mal mehr seine kirchgehenden Anhänger. Vor echten Gefahren fühlt sich der Gläubige deutlich besser geschützt durch Polizei und Staatsschutz als durch „Vater Unser“ und „Ave Maria“. Und das ist auch gut so! Denn es zeigt, dass der Schritt nicht mehr groß ist zu der Erkenntnis, dass dieser Gott als Schutzmacht nichts taugt, weil er schlicht nicht existiert.

Bedauerlicherweise sind da allerdings auch noch die anderen. Die islamistischen Anschlagsfanatiker. Für sie ist ihr Gott gefühlt so real, dass er alles vorbestimmt und die „Rechtgläubigen“ (vermeintlich) schützt. Ein starker Gott, für den man selbstverständlich auch sein Leben opfert, um anderen die Stärke des eigenen Gottes zu beweisen und dem eigenen Gott die Stärke des eigenen Glaubens. Jungsteinzeitliches Denken lässt grüßen.

Manchmal möchte man sie nehmen und schütteln, bis endlich ihr Verstand richtig funktioniert. Diejenigen, die auf Teufel komm raus an ihrem Gott festhalten, obwohl sie ihm weniger zutrauen als Polizei und Blitzableitern. Und noch mehr die Jungsteinzeitler mit den Sprengstoffgürteln.

Aber vielleicht bin ich einfach zu ungeduldig. Wahrscheinlich geht alles nur in kleinen Schritten. Warten wir also zunächst auf Blitzableiter an Minaretten und sehen dann weiter.