Buchbesprechung | Veröffentlicht in MIZ 1/22 | Geschrieben von Christoph Horst

Rezension von Flasch Katholische Wegbereiter

Kurt Flasch: Katholische Wegbereiter des Natio­nalsozialismus. Michael Schmaus, Joseph Lortz, Josef Pieper. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2021, 192 Seiten, kartoniert, Euro 24,80, ISBN 978-3-465-02706-5

In Warum ich kein Christ bin (2014) distanziert sich Kurt Flasch vom Chris­tentum als widersprüchlichem und intellektuell unredlichem Ge­dan­kengebäude ohne die Kirche als Verwaltungsapparat zu kritisieren. Er habe den organisierten Katho­lizismus in Gestalt persönlicher Be­zie­hungen durchaus positiv kennen gelernt. Mit seiner Schrift über die katholischen Wegbereiter des Natio­nalsozialismus beschäftigt er sich nun mit den Schattenseiten der institutio­nalisierten Theologie und zeigt, wie die behandelten Theoretiker den Nationalsozialismus begrüßt und damit für Katholiken wählbar und unterstützenswert gemacht haben.

Es gehörte 1933 zur selbst gesetzten Aufgabe der Theologen Michael Schmaus, Joseph Lortz und Josef Pieper, alle Autoren der Schriftenreihe Reich und Kirche im Aschendorff-Verlag, an­fangs skeptische Katholiken vom Natio­nalsozialismus zu überzeugen, nachdem Hitler sich demonstrativ kirchenfreundlich gab. Für den Raum Münster, in dem sie wirkten war dies eine Arbeit zur Schwächung der Zentrumspartei, der sich viele Katholiken verbunden fühlten. Das Konkordat erleichterte die Arbeit, der Vatikan ließ das Zentrum fallen. Schmaus, Lortz und Pieper machen wie ihre von Flasch behandelten rechtskatholischen Vordenker Carl Schmitt, Franz von Papen und Theodor Eschenburg insbesondere auf die gemeinsamen Gegenspieler von katholischer Kirche und faschistischem Staat aufmerksam: Liberalismus. Kommunismus, Frauenemanzipation und alles, was sich nicht mit einem angestrebten Zurück in eine gottesfürchtige Ständeordnung vereinbaren lässt. Für die Bezüge der Nationalsozialisten auf das Mittelalter hat Flasch nur Spott über. Auf diesem Gebiet hat er sich als herausragender Kenner erwiesen und erkennt, dass dem Zurück ins Früher vor allem ein phantasiertes Wunschbild zugrunde liegt.

Vor allem der Kommunismus wird von Reich und Kirche als gemein­samer Gegner geradezu zelebriert. Joseph Piepers Broschüre beispiels­weise lobt, wie die nationalsozialis­tische Arbeitsordnung den Klassenkampf überwinden will und damit Forde­run­gen der Enzyklika erfüllt. National­sozialismus und katholische Kirche bringen gegen Kommunismus und Liberalismus ihren irrationalen Er­kenntnisbegriff in Stellung: Anstelle des Argumentierens und Analysierens soll das Bekennen treten.

Besonders stark argumentiert Flasch als Sprachkritiker, wenn er auf die „Einbräunung der Terminologie“ (S. 96) aufmerksam macht. Die zitierten Theologen schreiben ab 1933 Urkraft anstatt Kraft, aus einem Gewitter wird ein brausendes Gewitter u.v.m. In Schmaus’ Satz „Die Kirche spricht zu naturgewachsenen Gemeinschaften ihr überzeugtes und entschlossenes Ja“ (S. 78) kritisiert Flasch nicht nur die Biologisierung des Sozialen sondern auch das Pathos der Bejahung, die nicht nur als solche stehen kann, sondern überzeugt und entschlossen sein muss. Die Vereinigung von nationalsozialistischer und katholischer Bewegung ging in der Sprache schnell voran. Hier entdeckt Flasch auch das Ende des Rationalismus, fortan wird mystisch empfunden. Beispielsweise, wenn Lortz von „blutleeren“ Darstellungen spricht. Flasch schreibt dazu: „Bei Gedanken frage ich, ob sie wahr oder falsch, neu oder alt sind, nicht ob sie Blut bergen.“ (S. 103)

Nach 1945 war für die drei Ka­tho­liken in ihrer bundesdeutschen Karriere alles auf einmal ganz anders gemeint gewesen. 1950 schrieb Lortz noch immer gegen den Liberalismus, diesmal aber mit dem Argument, er habe zu Hitler geführt – den Lortz in der Zeit des Nationalsozialismus noch als Überwinder des Liberalismus gefeiert hatte.

Flasch hat nicht nur drei vergessene Reaktionäre einem breiteren Publikum in Erinnerung gerufen. Er hat auch ein wichtiges Stück Akademiegeschichte geschrieben, indem er zeigt, wie leicht sich Teile der Theologie damit getan haben, sich der Barbarei anzudienen.