Buchbesprechung | Veröffentlicht in MIZ 4/16 | Geschrieben von Christoph Lammers

Rezension von Karl Hepfer: Verschwörungstheorien

Eine philosophische Kritik der Unvernunft

Karl Hepfer: Verschwörungstheorien. Eine philosophische Kritik der Unvernunft. Transcript Verlag, Bielefeld 2015. 189 Seiten, kartoniert, Euro 24,99 Euro, ISBN 978-3-8376-3102-9

Wer sich in den Tiefen der sozialen 
Netzwerke im Internet bewegt, findet, 
neben den klassischen Informations­angeboten, weitere Plattformen, die sich 
der (vermeintlichen) Wahrheitsfindung verschrieben haben. Ob Kennedy-Attentat, Mondlandung, Impfung, Chem-
trails oder der Anschlag auf die Re­daktion von Charlie Hebdo. Hinter der 
öffentlichen Geschichte verbergen sich 
Vertuschungsaktionen, Halbwahrheiten und Lügen, die es aufzudecken gilt.

Karl Hepfer, Privatdozent für Phi­losophie an der Universität Erfurt hat 
sich auf die Suche nach einer Erklä­rung für dieses Phänomen gemacht. Herausgekommen ist ein über-
aus lesenswertes Buch zu der Thematik. 
Hepfer geht es in seiner zweiteiligen 
Arbeit „um theoretische Grundstruk­turen“ und um die Frage, wie Ver­schwörungstheorien „unsere Wahrneh­mung der Wirklichkeit formen“. Mit einer Fülle von Beispielen bietet der Autor einen Überblick über die verschiedenen Formen der Ver­schwörungen – reale, vermutete, fiktive und mythische.

Interessant ist Hepfers Arbeit schon 
deshalb, weil er einen Grund für den Er-
folg anbietet: „Weil sie gekonnt an entwicklungsgeschicht­ich ältere und 
unter anderen Bedin­gungen einst sehr erfolgreicher Bewäl­tigungsstrategien des Menschen anknüpfen.“ Es ist also die Sehnsucht nach einer Kom­plexitätsreduktion, die Menschen zu Verschwörungstheorien führt.

Lange Zeit galten die Religionen als 
Garanten der Komplexitätsreduktion. Ihr Ordnungssystem war darauf angelegt, den Menschen mit Vorschriften, Verboten und Strafmaßnahmen ein gottgefälliges Leben aufzunötigen. Doch je tiefer die Wissenschaft in ihr Gefilde vordringt, umso häufiger versagt die Religion als Erklärungsansatz. Die Zunahme an Komplexität führt zu einer Unübersichtlichkeit, die weder von den Religionsgemeinschaften, dem Staat noch von den Medien befriedigend erklärt und bewältigt wird. 
Die Folge davon ist im Internet mit wenigen Klicks zu beobachten: Ver­schwörungstheorien machen sich die Unübersichtlichkeit zu eigen, decken (vermeintliche) Ungereimtheiten auf, führen eine analogisch funktionierende Argumentationskette hinzu und diffamieren Kritiker_innen dieses geschlossenen Weltbildes.

Das Problem liegt für Hepfer auf der Hand: „Je größer die Bereitschaft der Leute wird, hermetischen Denk­systemen zuzuneigen, desto garstiger wird es.“ Der Erfolg ist vorprogrammiert, denn Menschen überlassen sich und ihr Leben nur sehr ungern dem Zufall. Für alles wird eine Erklärung verlangt. Der Verschwörungstheoretiker sammelt Daten, passt diese dem bereits im Vorfeld formulierten Ergebnis an und fügt die Quellen hinzu, die gerade noch so zur Erklärung passen.

Hepfer lehnt es jedoch ab, Verschwö­rungstheorien reflexhaft abzulehnen bzw. sie in das Reich der Mythen zu verbannen. Sich jedoch allein darauf 
zu beziehen, wie es immer mehr Men­schen tun, ist nicht nur zum Schaden für den Einzelnen, sondern auch zum Schaden für die Gesellschaft.