Buchbesprechung | Veröffentlicht in MIZ 2/20 | Geschrieben von Viola Schubert-Lehnhardt

Rezension von Stefan Busch: Rituale im Übergang

Über Taufen und Trauerfeiern in der konfessionsfreien Gesellschaft

Stefan Busch: Rituale im Übergang. Über Taufen und Trauerfeiern in der konfessionsfreien Gesellschaft. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Horst Groschopp. Aschaffenburg 2020, Alibri Verlag. 146 Seiten, kartoniert, Euro 17.-, ISBN 978-3-86569-211-5

Anstoß zu diesem Buch, so der Autor (Philosoph, Germanist und Historiker), war ein familiäres Dilemma: der Wunsch des Sohnes nach Taufe – in einer Familie, die sich aus der Kirche zurückgezogen hatte. Wie ein dokumentiertes Gespräch mit einem „kirchenfernen“ Paar zeigt, hat Stefan Busch damit ein für viele Familien relevantes Problem aufgegriffen. Für ihn begann damit das Nachdenken (und letztendlich Aufschreiben) über den Rückgang der Bedeutung von (christlicher) Religion in Deutschland bei gleichzeitiger Beibehaltung vieler ihrer Rituale. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären, was sind seine Ursachen? Der Autor beschreibt diese Entwicklung aus altbundesdeutscher Perspektive – Horst Groschopp (Kulturwissenschaftler) fügt in seinem Nachwort die Sichtweise aus den neuen Bundesländern an.

Das Buch beginnt mit einer Wegbeschreibung „in die konfessionsfreie Gesellschaft“ seit den 70er Jahren. Wie bei einem Philosophen nicht anders zu erwarten werden dabei auch die Begriffe „säkular“, „konfessionsfrei“ und „humanistisch“ beleuchtet. Das ist insofern wichtig, da diese in der Alltagskultur leider häufig undifferenziert verwandt werden und damit zu Verwirrung führen. Gleichzeitig erläutert er (S. 33), warum Kirchenaustritt nicht automatisch Eintritt in eine humanistisch-säkulare Organisation bedeutet. Damit steht auch die Frage nach deren Mandat bzw. erklärt sich die Illusion vieler VertreterInnen säkularer Einrichtungen bezüglich schnellen Mitgliederwachstums. Seiner Meinung nach wird Säkularisierung auch häufig mit Pluralisierung verwechselt (S. 45).

Weiterhin erläutert Busch, warum für viele Menschen zwar der „rituelle Vollzug“ wichtig ist, nicht aber dessen christliche Bedeutung. Dabei spiele nicht zuletzt die nichtkommerzielle Organisation kirchlicher ritueller Dienstleistungen eine Rolle. Diese Facette kann man momentan in Sachsen-Anhalt sehr gut an Hand einer steigenden Zahl von unentgeltlichen durch die katholische Kirche angebotenen „Lebenswendefeiern“ im Verhältnis zu den rückläufigen Zahlen für entgeltlich angebotene Jugendweihen bzw. -feiern beobachten. Während sich hier jedoch zumindest ein säkulares Ritual inzwischen fest etabliert hat, sieht dies bei der Taufe schon anders aus. Säkulare Namensgebungsfeiern finden eher marginal statt.

Der Autor hat daher mit seinen Überlegungen ein wichtiges Feld für Diskussionen eröffnet: Warum braucht eine Gesellschaft Rituale? Wie sollten diese im 21. Jahrhundert gestaltet werden? Welche Rolle spielen welche Institutionen dabei? – So gab es z.B. nach dem Schulmassaker in Erfurt Stimmen, die beklagt haben, dass die gemeinsame Trauerfeier für alle Betroffenen in einer Kirche mit deutlich dominierendem christlichen Ritus stattgefunden hat – welche anderen Orte hätte unsere moderne Gesellschaft anzubieten gehabt?

Beide Autoren eröffnen also ein weites Feld für spannende Debatten.