Buchbesprechung | Veröffentlicht in MIZ 3/19 | Geschrieben von Christoph Lammers

Rezension von Verschwörungsmythen.

Wie wir mit verdrehten Fakten für dumm verkauft werden

Hümmler, Holm: Verschwörungsmythen. Wie wir mit verdrehten Fakten für dumm verkauft werden. Hirzel Verlag, Stuttgart 2019. 223 Seiten, kartoniert, Euro 19,80, ISBN 978-3-7776-2780-9

Verschwörungsideologien haben dies
seits wie jenseits des Atlantiks Hoch­konjunktur. Während die AfD seit der Flüchtlingskrise 2015 von einer „Umvolkung“ bzw. einem „Bevölke­rungsaustausch“ spricht und damit die rassistisch-völkischen Ressentiments innerhalb der deutschen Gesellschaft bedient, hat der US-amerikanische Präsident Donald J. Trump alternative Fakten zu einem Instrument der Politik erhoben. Es gibt mittlerweile zahlreiche Politiker_innen, die diesem Beispiel folgen und damit der Gesellschaft erheblichen Schaden zufügen.

Verschwörungsmythen gehören offenbar zur Grundausstattung unseres Denkens. Was wahr ist und wahr sein darf, war schon immer hart umkämpft. Neu ist, dass das Internet als Instrument zur Verbreitung von Mythen eine immer größere Rolle zukommt. Waren die Verschwörungen lange Zeit einem kleinen Kreis von Menschen bekannt, die sich mit Büchern aus obskuren Kleinverlagen versorgten, sind Verschwörungen durch das Internetzeitalter zu einem Massenphänomen geworden.
Der Physiker und GWUP-Aktivist Holm Hümmler hat ein Buch vorgelegt, in welchem er ein paar der bekanntesten Verschwörungstheorien auf ihre Fakten hin abklopft und sie einer grundlegenden Prüfung unterzieht. Anhand von sechs Beispielen und in acht Kapiteln nähert sich Hümmler den alternativen Erzählungen an und hinterfragt die Grundannahmen der Mythen. Hümmler geht dabei wie ein Überzeugungstäter vor. Er ist sich sicher, dass Behauptungen überprüfbar und damit hinterfragbar sind. Sobald die Fakten auf dem Tisch liegen, können alle, die ihr geschultes Auge darauf werfen, zu einem Urteil kommen.

Und damit deckt Hümmler, wohl eher ungewollt, seine eigene Schwäche auf. Es geht weniger darum, dass sein Buch die gesellschaftlichen und psychologischen Aspekte nicht in den Blick nimmt. Es ist vielmehr die Naivität, mit der das Problem angegangen wird. Ein Beispiel: Die Washington Post konnte darlegen, dass Trump in seinen ersten knapp 1000 Tagen im Präsidentenamt 13.435 falsche oder irreführende Aussagen getätigt habe. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Trump weiterhin Präsident ist und der Gesellschaft immensen Schaden zufügt.

Nach der Lektüre des Buches sind die Leser_innen sicherlich um einige Erkenntnisse reicher. Was aber fehlt, ist der Bogen, der zu den Fragestellungen leitet, warum Menschen, trotz erdrückender Fakten an alternative Annahmen glauben? Was diese alternativen Fakten mit unserer Gesellschaft machen? Und was zu tun ist, damit AfD, Trump, Bolsonaro, Erdoğan oder wer auch immer nicht länger die politische Agenda setzen.

Insoweit gilt, was Hümmler im Vorwort schreibt: „Bleiben Sie neugierig und kritisch, gegenüber offiziellen Erklärungen, gegenüber den Behauptungen von Verschwörungs­gläubigen, gegenüber dem, was Sie hier lesen, vor allem aber gegenüber dem, was Sie schon längst zu wissen glauben.“ Dem ist nicht viel hinzu zu fügen.