Buchbesprechung | Veröffentlicht in MIZ 1/14 | Geschrieben von Christoph Lammers

Rezension von Wolfgang Wippermann: Fundamentalismus.

Ra­dikale Strömungen in den Weltreligionen

Wolfgang Wippermann: Fundamentalismus. Ra­dikale Strömungen in den Weltreligionen. Verlag Herder, Freiburg i. Br. 2013. 176 Seiten, gebunden, Euro 16,99, ISBN 978-3-451-30476-7

Heutzutage gehört es zum Publikations-
verzeichnis eines jeden Geisteswis­senschaftlers dazu, etwas zum Thema Fundamentalismus veröffentlicht zu haben. Dies war nicht immer so.

Bis Ende der 1990er galt das Thema Fundamentalismus – insbesondere im Zusammenhang mit Religion – als eher unspektakulär. Den Religionswissenschaftler_innen in Deutschland, mehrheitlich Theologen, blieb es vorbehalten, die Religionen von Macht und Gewalt freizusprechen. In den Geistes- und Sozialwissenschaften fanden sich nur wenige, die sich kritisch zum Verhältnis von Politik und Religion äußerten und nach einem Zusammenhang von Moderne und religiösem Fundamentalismus fragten.

Nach 9-11 hat sich diese Situation insoweit gewandelt, als dass das Interesse an Religion, insbesondere an den fundamentalistischen Strömungen innerhalb derselbigen, rasant anstieg. Vorstellungen und Einstellungen rückten zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses und es wurde nicht länger vom Ende der Religion, sondern von dem Beginn eines religiös-spirituellen Zeitalters gesprochen. Auch und vor allem dem Fundamentalismus wurde besondere Bedeutung beigemessen. Es sei daher schon jetzt die ketzerische Frage gestellt, ob wirklich jedes Buch zum Thema das erfüllt, was es verspricht? Denn man kann nicht umhin festzustellen, dass hier ein Markt entstanden ist, an dem verschiedene Personen, Institutionen und Strömungen partizipieren und verdienen wollen.

Wolfgang Wippermann gehört zu den renommiertesten Historiker_innen in Deutschland. Er hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte insbesondere zu den Themen Faschismus und Nationalsozialismus einen Namen gemacht. Nun versucht er mit seiner Schrift dem religiösen Fundamentalismus auf die Spur zu kommen und scheitert mit diesem Versuch grandios.

Seine Position – wenn ich den Fundamentalismus beschreibe, wird schon eine geeignete Definition dabei herauskommen – ist nicht die einzige Schwäche dieses Buches. Eine weitere ist die Auswahl der untersuchten Religionen. Wippermann kann zwar zeigen, dass in allen Religionen fundamentalistische Strömungen vorzufinden sind und betont, dass er seine Beispiele ausgewählt hat, „weil die religiös-fundamentalistischen Bewe­gungen hier besonders bedeutsam waren und immer noch sind“ (S. 10). Warum er, um sich dem christlichen Fundamentalismus zu nähern, allein
auf den Nordamerikanischen Raum einerseits und den katholischen Fundamentalismus in Spanien andererseits, Bezug nimmt, statt beispielsweise den deutschen Protestantismus näher unter die Lupe zu nehmen, bleibt unbeantwortet.

Die Theologen und Religionsvertre­ter_innen in Deutschland werden das Buch mit Freude zur Kenntnis genommen haben. Alles in allem bleibt am Ende des Buches der fade Beigeschmack, dass eine weitere Chance der Analyse vertan wurde.