Zündfunke | Veröffentlicht in MIZ 2/12 | Geschrieben von Redaktion MIZ

Zündfunke … IBKA-Preis Sapio 2012 für säkulare Buskampagne / Brief an Bundeswehrminister / Beschneidungsurteil / Grundgesetz statt Koran / World Skeptic Congress / Heilig’s Röckle / Religionsfreie Zone / Gedenken an Albert Duck

Rückblick auf Aktionen Medienarbeit Vorträge Seminare Ehrungen

IBKA-Preis Sapio 2012 für säkulare Buskampagne

Der Internationale Bund der Konfes­sionslosen und Atheisten (IBKA) vergibt alle zwei Jahre seinen Preis „Sapio“ an Personen oder Organisationen, die sich in herausragender Weise um Weltanschauungsfreiheit, Selbst­bestimmung und Toleranz verdient gemacht haben. In diesem Jahr wurde der Preis an das Team der säkularen Buskampagne verliehen. Stellvertretend für die siebenköpfige Gruppe wurde der Sapio am 26. Mai 2012 im Rahmen der Internationalen atheistischen Konferenz an Evelin Frerk, Peder Iblher, Philipp Möller und Carsten Frerk übergeben.

Durch den Abend führte der Moderator und Zauberer Kai Abrell. Mit seinen spielerisch vorgeführten Zaubertricks mit Seilen, Tüchern und Ringen hat er es geschafft, die versammelten Skeptiker und Rationalisten zum Staunen zu bringen. Ganz nahes Beobachten, ja selbst Anfassen und Untersuchen konnten die von Abrell erschaffenen Illusionen nicht auflösen. Musikalisch wurde die Preisverleihung von Dan Barker begleitet. Am Klavier trug der amerikanische Freidenker und ehemalige Priester einige seiner humorvollen, atheistischen Lieder vor.

Der doppelstöckige Kampagnenbus mit der Aufschrift „Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott“ bildete – auf die Leinwand geworfen – das Hintergrundbild der Veranstaltung. Er stand ausgerechnet in Wildbad-Kreuth vor dem CSU-Bildungszentrum und Klausurort. Ein schönes Foto aus dem tiefen Bayern, fand auch die Laudatorin Assunta Tammelleo. Sie rühmte die Buskampagne als einzigartige Werbeaktion.

Peder Iblher hatte die Idee aus England im Jahr 2009 nach Deutschland geholt und schnell sechs Mitstreiter gefunden. Geplant war zunächst, Werbeflächen auf Linienbussen zu mieten, wie es in London und später in anderen Ländern möglich war. Aber nicht so in Deutschland. Alle angefragten Verkehrsbetriebe lehnten den säkularen Werbespruch „Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott“ rundweg ab. Die einen wegen angeblicher Neutralität in Welt­anschauungsdingen, die anderen, um ihre religiösen Kunden nicht zu verärgern.

Da für die Buskampagne bereits in kürzester Zeit viel Geld gespendet worden war, fiel die Entscheidung, einen Bus zu chartern und mit ihm eine dreiwöchige Deutschland-Tour zu unternehmen. Die Spendensammelaktion war schon ein Hit für sich: 50.000 Euro kamen schließlich über das Portal Helpedia zusammen. Zunächst konnten die Spender über den Spruch abstimmen, aber auch danach riss die finanzielle Unterstützung nicht ab.

Über die Hälfte der Menschen in Europa glauben nicht an einen Gott, meinte Kai Abrell. Unglauben müsse also eigentlich etwas „Normales“ sein. Ist es aber offenbar nicht. In Kommentaren, die auf dem Spendenportal hinterlassen werden konnten, zeigten die Religionsfreien in Deutschland, wie sehr sie auf eine solche Aktion gewartet haben. Eine Aktion, die der Öffentlichkeit zeigte: „Schaut her, es gibt uns.“

Diese Aktion brachte den Initiatoren – aber auch allen unterstützenden Gruppen, Vereinen und Aktivisten – starke öffentliche Beachtung und führte zu mannigfaltigen Kooperationen innerhalb der Säkularen noch weit über die Buskampagne hinaus. Das Medieninteresse war enorm.

Von vier Aktiven in Gottlos glücklich-T-Shirts, ein weiterer bekannter Spruch der Buskampagne, wurden die Sapios an Evelin Frerk, Peder Iblher, Philipp Möller und Carsten Frerk überreicht. Die kleinen Skulpturen ähneln einem Doktorhut mit einer Schlange als Quaste.

Die Preisträger erinnerten daran, dass die Kampagne eine Initiative von Einzelpersonen war, die sich außerhalb der säkularen Organisationen spontan zusammengefunden hatten. Dadurch war es möglich, dass sich unterschiedliche Verbände als Unterstützer anschlossen. Besonders freuten sie sich, dass an den Haltepunkten des Busses so viele Gruppen der Bitte um Beteiligung mit eigenen Aktionen folgten. Viele örtliche Gruppen sind dadurch auch entstanden.

Der von Ricarda Hinz erstellte Videotrailer Gottlos Glücklich: Geschichte der Buskampagne führte das Publikum noch einmal zurück ins Jahr 2009 und vermittelte einen guten Eindruck über die Stimmung während der Planung und schließlich Durchführung der Bustour. Begeisterte Reaktionen der gottlos Glücklichen, aber auch so manche absurde Reaktion von Gläubigen, zum Beispiel die „Christenverfolgung“ durch den Und wenn es ihn doch gibt-Bus, gehören zu den Erinnerungen.
Assunta Tammelleo erzählte, dass sie seit der Buskampagne mit anderen Freigeistern in München an Volksläufen mit dem Gottlos glücklich-T-Shirt teilnehme und forderte die Zuschauer auf, sich ebenfalls durch die Kampagne zu eigenen Aktionen anregen zu lassen: „Zeigt euch!“

Heike Jackler

Brief an Bundeswehrminister

Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) hat
in einem Brief Bundesverteidigungs­minister Thomas de Maizière aufgefordert, „öffentlich klarzustellen, dass ‘Menschsein’ bzw. Menschenrechte und Menschenwürde selbstverständlich nicht von der Religiosität eines Menschen abhängen“. Damit reagierte die gbs auf eine Äußerung des katholischen Militärbischofs Franz-Josef Overbeck. Dieser hatte bei der diesjährigen Soldatenwallfahrt nach Lourdes in einer Ansprache an die deutsche Delegation erklärt: „Ohne Religion und ohne gelebte Praxis von Religion gibt es kein Menschsein.“ Damit hatte er sich in die Tradition von NS-Feldbischof Franz Rarkowski gestellt, der in seinem Hirtenbrief vom 29. Juli 1941 geäußert hatte, die „Verneinung der göttlichen Weltordnung“ habe zur Folge, dass „der Mensch in den Bereich des Tierhaften herabsinkt“.

In ihrem Brief listet die gbs weitere Aussagen Overbecks auf, in denen er Ungläubige als Menschen zweiter Klasse sieht und den säkularen Verfassungsstaat abwertet. Besonders problematisch erscheinen Overbecks Positionen, weil er als Leiter der katholischen Militärseelsorge auch für die Organisation und die Themen des Lebenskundlichen Unterrichts verantwortlich ist. „Wir halten es für nicht akzeptabel“, so Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon, „dass jemand, der Ungläubigen das Menschsein abspricht und sie zu Soldaten zweiter Klasse abstempelt, weiterhin mit Verantwortung für den Lebenskundlichen Unterricht betraut bleibt!“ Religionsfreiheit könne und dürfe „kein Freibrief dafür sein, nichtgläubige Menschen unwidersprochen diskreditieren zu dürfen“.

Nach den Äußerungen hatten mehrere Bürger Strafanzeige gegen Overbeck erstattet. Die Essener Staatsanwaltschaft teilt Anfang Juli allerdings mit, dass es nicht zu einer Anklage gegen den Militärbischof kommen werde. Sie sah in Overbecks Äußerungen keine Volksverhetzung.

Beschneidungsurteil

Der Internationale Bund der Konfes­sionslosen und Atheisten (IBKA) hat das Urteil des Landgerichtes Köln zur Beschneidung aus religiösen Gründen begrüßt. „Es wurde Zeit, dass die Beschneidung als das gesehen wird, was sie ist: ein strafbarer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von wehrlosen und ihren Eltern ausgelieferten Jungen“, erklärte Pressesprecher Rainer Ponitka. Eine Beschneidung ohne eine medizinische Notwendigkeit sei als „Körperverletzung“ anzusehen. Der IBKA stellte dabei einen Punkt in den Vordergrund, der in der ganzen Debatte nur selten angesprochen wurde: „Wer nun, wie Volker Beck von den Grünen, eine Stärkung der Religionsfreiheit der muslimischen und jüdischen Glaubensgemeinschaft anregt, versteht das Grundrecht der Religionsfreiheit falsch: Ein Grundrecht dient immer dem Schutz des Individuums vor einer Gruppe.“ Auch die Kritik des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), das Urteil stelle einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Reli-
gionsgemeinschaften dar, wies Ponitka zurück: „In unserer Verfassung gibt es
kein Selbstbestimmungsrecht der Reli­gionsgemeinschaften. Unser Grundgesetz spricht in Artikel 140 lediglich von einem Selbstverwaltungsrecht innerhalb der Grenzen der für alle geltenden Gesetze.“ Langfristig sei ein grundsätzlicher Schutz von Kindern vor einseitiger religiöser Be-
einflussung bis zum Erreichen der Reli­gionsmündigkeit anzustreben.

Grundgesetz statt Koran

Die Frankfurter Initiative progressiver
Frauen (fraINfra) hat in der Fußgänger­zone in Frankfurt und in Köln (dort mit Unterstützung der Frauenrechts-Organisation Terre des Femmes) das
Grundgesetz verteilt. Das von Türkin­nen gegründete Netzwerk säkularer Bürgerinnen reagierte damit auf die kostenlose Abgabe von Koranexemplaren durch islamische Fundamentalisten in den letzten Monaten. Die Aktion sollte als Bekenntnis für eine säkulare Gesellschaft und gegen die unreflektierte Zuordnung von Menschen mit Migrationshintergrund zur Religion ihres „Heimatlandes“ verstanden werden. In einem Flugblatt stellt fraINfra die Frage, warum Religion in den letzten Jahren so in den Vordergrund gerückt worden ist: „Wieso gibt uns die Politik vor, dass Probleme in der Integration, Bildung und Anti-Diskriminierung ausschließlich über religiöse Themen zu lösen sind?“ Das Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft könne nur gelingen, wenn es eine „gemeinsame Werteordnung“ gebe. Diese sehen die Frauen in den Grundrechten, „welche die Gleichberechtigung der Frau, egal welcher Herkunft oder Religion, für ein freiheitliches, selbstbestimmtes Leben garantieren“. Insbesondere dürften Religionen und veraltete Tradi­tionen nicht dazu herangezogen werden, die Unterdrückung von Frauen und Mädchen zu legitimieren.

World Skeptic Congress

In Berlin fand im Mai der World Skeptic
Congress statt. Vier Tage lang gab es Vorträge und Diskussionen zu einschlägigen Themen mit hochkarätigen
Referenten. Nachdem es am Donners­tag, dem „Publikumstag“, breitenwirksam um Weltuntergang nach Maya-
Berechnung, Wundertäter-Entzaube­rung oder die Paul McCartney-Ver­schwörung ging, standen für die folgenden Tage sehr unterschiedliche Fragen auf dem Programm, in dem sich auch die Vielfalt einer internationalen Bewegung spiegelte. Im Vordergund standen mit Alternativmedizin und Kreationismus zwei Schwerpunktbereiche der Skep­tiker aus USA und Europa.

Eine bedeutende Rolle spielte diesmal der Begriff des „Risikos“, wobei die Beiträge zeigten, dass es hier noch keine einheitliche skeptische Linie gibt. Walter Krämer legte den Schwerpunkt auf die Risikobewertung bestimmter Lebenssituationen unter statistischen Gesichtspunkten. Dabei konnte er herausarbeiten, dass unsere Einschätzung von verschiedenen Faktoren bestimmt wird und wir uns häufig täuschen. Eine fatale Rolle wies Krämer dabei den Medien zu; beim Auftreten neuer Krankheiten (BSE, SARS usw.) gebe es zahlreiche Berichte, die vor allem die Spekulation über mögliche Folgen befeuerten, während Krankheiten wie
Hautkrebs, die jedes Jahr viele Tausend
Tote fordern, ein mediales Schatten­dasein fristeten. Auch die Angst der Menschen vor chemischen Substanzen und die zahlreichen ökologisch motivierten Verbotsforderungen sah Krämer als problematisch an, da gleichzeitig natürliche Risiken unterschätzt würden.

Einen anderen Ansatz verfolgte der schwedische Philosoph und Begründer der dortigen Skeptikervereinigung Sven Ove Hansson. Für politische Entscheidungen (z.B. das Verbot eines bestimmten Stoffes) stellte Hansson ein Modell vor. Die Daten einzelner Untersuchungen finden danach Eingang in das „Corpus“ des derzeit als gesichert geltenden Wissens. Aus diesem leitet die Politik ihre Entscheidungen ab. Die „Zugangsbedingungen“ folgen wissenschaftlichen Standards. Das ist sinnvoll, kann aber Probleme aufwerfen. So ist es denkbar, dass eine Studie über eine Substanz in Babyfläschchen, die mit einer nur geringen Signifikanz darauf hindeutet, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen möglich sind, zunächst keine Berücksichtigung im „Corpus“ findet. Es wäre dann Aufgabe der Politik, das Risiko abzuwägen und entweder weitere Studien, die das Ergebnis bestätigen oder widerlegen, abzuwarten oder auf der Grundlage der eigentlich unzureichenden Daten den Stoff zu verbieten, um eine immerhin mögliche Gefahr abzuwenden.

Heilig’s Röckle

In derzeit immer kürzer werdenden Abständen präsentiert die katholische Kirche in Trier dem staunenden Volk den „Heiligen Rock“. Ob alle Pilger glauben, dass es sich dabei wirklich um die Tunika Jesu handelt, sei dahingestellt; die Trierer Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) glaubte es jedenfalls nicht und organisierte ein Gegenprogramm, das in der Trierer Tuchfabrik lief. Neben der Ausstellung Reliquie: Fetisch in Kunst, Kirche & Konsum gab es zahlreiche Vorträge sowie eine Performance von Wolfram Kastner und Linus Heilig. Diese führten das Stück Papst trifft Hitler auf: Arm in Arm schritten die beiden Potentaten durch die Trierer Innenstadt. Die Aktion sollte auf das Reichskonkordat hinweisen, das im Juli 1933 abgeschlossen wurde. Wenige Tage später begann die Heilig-Rock-Wallfahrt, bei der die SA sich für Ordnungsdienste bereitstellte.

Religionsfreie Zone

Die Säkularen Humanisten Rhein-Neckar haben anlässlich des Katholikentages in Mannheim ein umfangreiches Kontrast-
programm geboten. Mit einer Veranstal-
tungsreihe setzten die Humanisten Fragezeichen hinter das Kirchentags­motto „Einen neuen Aufbruch wagen“. Ob Königs Erläuterungen zu biblischen Geschichten, ob Gerd Lüdemanns Aus­führungen zu Jesusworten und frühem Christentum, ob die Antwort auf die Frage, ob wir ohne Religion besser dran wären – stets hatte es den Anschein, dass kirchliche Positionen eher für Stagnation denn für Bewegung stehen.

Mit hellblauen Luftballons mit der Aufschrift „Gottlos glücklich“ wurde zudem eine „Religionsfreie Zone“ markiert, die auch Kirchentagsbesucher – häufig mit Erfolg – zur kritischen Dis­kussion einlud.

Gedenken an Albert Dulk

Am 1. April 2012 wurde Albert Dulk gedacht. Vor 130 Jahren hatte der berühmte Bewohner des Esslinger Dulk-Häusle die erste regionale Gruppe des Deutschen Freidenker-Bundes gegründet. Es war dies die erste Organisation und Interessenvertretung für konfessionsfreie Menschen im Deutschen Reich und Vorläuferorganisation nahezu aller heutigen freidenkerischen, freigeistigen und säkular-humanistischen Organisationen.

Albert Dulk (1819-1884) war eine Persönlichkeit die auf vielfältige Weise Interesse wecken kann: als Dichter, Dramatiker, Reiseschriftsteller und Abenteu­rer, Naturwissenschaftler, Frauenliebling und Philosoph, 1848er-Revolutionär und Sozialist – und nicht zuletzt als engagierter Frei­denker, Religions- und Kirchenkritiker. Über 80 Gäste folgten der Einladung des Albert-Dulk-Freundeskreises. Begrüßt wurden die TeilnehmerInnen durch den Initiator des Treffens Dieter Kaiser von der Giordano Bruno-Stiftung (gbs) Stuttgart/Mittlerer Neckar. Es folgten eine ganze Reihe von Grußadressen und Reden auf dem Freiplatz beim neu renovierten Dulk-Häusle und anschließend in der benachbarten Gaststätte Zeus, darunter Andreas Henschel (Humanisten Württemberg), Janka Kluge (Redaktions-Leitung Skeptischer Augenblick bei Freies Radio für Stuttgart) und Heiner Jestrabek (Freidenker-Verband Ost-Württemberg).

Es schloss sich eine Kulturveranstal­tung an, mit Stéphane & Didier, die
 Freisinnige Lieder aus dem „Humanisti­schen Programm“ im musikalischen Arrangement von Stéphane Bazire und mit deutschen Texten von Dieter Kaiser darboten. Anschließend gab es noch einen Vortrag von Heiner Jestrabek über Albert Dulk. Dabei wurde auch das frisch erschienene Buch FreidenkerInnen vorgestellt, in dem ein Kapitel auch Albert Dulk gewidmet ist.

Heiner Jestrabek