Skeptiker-Konferenz
Gleich mehrere Redner malten den Teufel an die Wand: Die derzeitigen Kürzungen im Wissenschaftsbereich schränken die Möglichkeiten, vermeintlich außergewöhnliche Phänomene kritisch zu hinterfragen, ein. Betroffen sind vor allem Fachbereiche, die nicht unmittelbar für ökonomische Interessen nutzbar gemacht werden können. Denn Behauptungen sind schnell aufgestellt und finden im Internet rasante Verbreitung; ihre Widerlegung und die Suche nach einer realistischen Erklärung gestaltet sich hingegen aufwendiger. Je mehr Stellen gestrichen werden, desto geringer sind die Kapazitäten, zeitnah und öffentlich wahrnehmbar zu widersprechen.
Wenn die Anhänger einer den bisherigen Wissensstand sprengenden „Entdeckung“ dann noch über Geld verfügen und ihrerseits mit Messungen aufwarten können, können es selbst fragwürdigste Behauptungen in ganz normale Medien schaffen. Beispiel dafür sind die sogenannten bosnischen Pyramiden nördlich von Visoko, die der Geschäftsmann Semir Osmanagic seit einigen Jahren mit großem Aufwand untersuchen lässt. Zur Untermauerung seiner These, es handele sich hier um 20.000 Jahre alte prähistorische Bauwerke, führt er unter anderem Radiocarbonmessungen, die Untersuchung von Baumaterialien und die Beobachtung energetischer Effekte an. Da der Mann zudem über einen Doktortitel verfügt (erworben allerdings nicht in Archäologie, sondern in Soziologie), erregten seine Ausführungen einige Aufmerksamkeit.
Nur wer die lange Liste der vorgebrachten Belege Schritt für Schritt abarbeitet, stößt auf die zahlreichen Ungereimtheiten und Fehleinschätzungen. So zeigte Mirko Gutjahr in seinem Vortrag, dass der „Superbeton“ ebenso als relativ häufig vorkommende natürliche Gesteinsformation darstellte wie die vermeintlich gepflasterten Straßen. Ein Tunnelsystem, das die „Pyramiden“ verbinden soll, erinnert sehr an Bergwerksstollen aus dem 17. Jahrhundert. Und ob es sich bei dem auf das Alter getestete Material um menschliche Erzeugnisse handelt (und nur dies würde darauf hindeuten, dass es sich hier um „Bauwerke“ handelt), ist völlig unklar. In einem Interview, das Gutjahr zusammen mit seinem Kollegen Sebastian Bartoschek mit Osmanagic geführt hat, stellte sich dann zudem heraus, dass dieser augenscheinlich eine deutlich esoterische Schlagseite hat: Seine Vorstellungen von Energie haben mit den Erkenntnissen der Physik wenig gemein und das Wirken von Außerirdischen auf der Erde scheint für ihn eine ausgemachte Sache zu sein.
Ähnlich verhält es sich im Fall des „Kamikaze“-Fischsaurier; auch hier bedarf es einiger Forschung, bis erklärt werden kann, warum ein lungenatmender Fisch kopfüber senkrecht nach unten stürzt und sich in den Boden bohrt und welche chemischen Prozesse dazu führen, dass ein Fossil eine Sedimentschicht durchstoßen kann. Gelingt dies nicht, scheint ein solcher Fund der Junge-Erde-Kreationisten Recht zu geben, die darauf verweisen, dass es mit der Vorstellung geologischer Zeitalter wohl kaum vereinbar ist, dass die fossilen Überreste eines Tieres durch mehrere Gesteinsschichten sehr unterschiedlichen Alters reichen.
In weiteren Beiträgen ging es um konkrete Phänomene wie „Biophotonen“ oder die unschlagbaren Aufreiß-Methoden der PickUp-Artists, aber auch um grundsätzliche Fragen wie den Unterschied zwischen Böcken und Schafen, also eher skeptischen und eher glaubensfrohen Menschen.
Kirchliches Arbeitsrecht
Am 10. Juli fand in der Heinrich Böll Stiftung Rheinland-Pfalz die Veranstaltung „Kirche als Arbeitgeberin“ statt. Corinna Gekeler und Gunnar Schedel referierten unter diesem Gesichtspunkt über die Trägerschaft der Kirchen und das kirchliche Arbeitsrecht. Moderiert wurde die anschließende Publikumsdiskussion von Michael Henke (evangelischer Theologe). Ursprünglich war die Veranstaltung als Podiumsdiskussion mit Caritas- und DiakonievertreterInnen geplant, jedoch aufgrund von Absagen musste die Veranstaltung umkonzeptioniert werden.
Gunnar Schedel, Mitinitiator der Kampagne Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz (), begann seinen Vortrag mit der historischen Entstehung der freien Trägerschaft. Untrennbar mit der Geschichte der freien Träger ist das Subsidiaritätsprinzip verbunden. Dieses Prinzip, welches zu Eigenverantwortung und Selbstbestimmung ermächtigen soll, wurde schließlich im 19. Jahrhundert in die Katholische Soziallehre übernommen. Übertragen auf die Trägerschaft von Sozial- und Bildungseinrichtungen bedeutet das, dass private Träger Vorrang vor staatlichen Akteuren (beispielsweise Kommunen) haben. Abschließend stellte Gunnar Schedel die These auf, dass das Sonderarbeitsrecht mit ein Grund für den Pflegenotstand sei.
Anschließend ging Corinna Gekeler, Politikwissenschaftlerin und Autorin der Studie , in ihrem Vortrag auf die eingeschränkten Individualrechte der ArbeitnehmerInnen und die Begründung für dieses Sonderarbeitsrecht ein. Durch den Druck, dass die Kirchen häufig die einzigen Arbeitgeber im Sozialbereich sind, komme es zu einer „Zwangskonfessionalisierung“. Des Weiteren schilderte Corinna Gekeler Einzelfälle der Diskriminierung von Homosexuellen, Wiederverheirateten, Andersgläubigen und Geschiedenen und den dazu gehörigen meist kirchenfreundlichen Gerichtsurteilen.
Die Kirchen sind dabei keine Ten denzbetriebe, sondern für sie gilt der „Dritte Weg“. Dieser ist bedingt durch das sogenannte „Selbstbestimmungsrecht der Kirchen“, welches sich laut Kirchen und Gerichten aus Artikel 137 Weimarer Reichsverfassung (durch Artikel 140 GG auch heute noch gültig) ableite. Dabei kritisierte Corinna Gekeler vor allem die kirchenfreundliche Auslegung des Artikels durch die Gerichte seit Beginn der BRD. So sei laut Gekeler aus diesem Artikel kein so weit reichendes Selbstbestimmungsrecht der Kirchen abzuleiten.
Die Vorträge wurden mit der Frage nach einem Ausblick in die Zukunft beendet. Laut Gunnar Schedel gibt es vier unterschiedliche Bereiche, durch die Veränderungen im kirchlichen Arbeitsrecht erzielt werden könnten:
- Politik: Alle drei im Bundestag vertretenen linken Parteien hatten in ihrem letzten Bundestagswahlprogramm säkulare Forderungen, halten sich mit Rücksicht auf die Kirchen im Bereich der Trennung von Staat und Kirche jedoch sehr zurück. Einzig die Linke hat bisher Anträge zu diesem Thema im Bundestag gestellt.
- Gewerkschaften: Das kirchliche Arbeitsrecht ist auch vermehrt im Arbeitskampf angekommen, beispielsweise durch die ver.di-Kampagne „Streikrecht ist Grundrecht“.
- Kommunen: Die Kommunen könnten ihr Vergaberecht ändern und dort Träger mit einem ordentlichen Arbeitsrecht bevorzugen, ähnlich der „Osnabrücker Initiative“.
- Gerichte: Die Hoffnung, dass die kirchenfreundlichen Urteile der deutschen Gerichte sich unter Druck des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zugunsten der Arbeitnehmerinnen ändern.
Corinna Gekeler wartet auf Geset zesänderungen, entweder durch die Politik oder wahrscheinlicher durch Gerichtsurteile, vor allem im Bereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), welches in §9 Ausnahmen für Religionsgemeinschaften formuliert. Daneben hält sie Aufklärung über die Praktiken der Kirchen für das wichtigste Instrument um Druck auf die Kirchen aufzubauen und um der starken Kirchenlobby etwas entgegen zu stellen.
Einig waren sich beide, dass in zehn Jahren das kirchliche Arbeitsrecht mindestens nicht mehr in dieser Form existiert, wenn es denn das Sonderarbeitsrecht überhaupt noch geben sollte.
Christian Saftig
Humanistischer Verband
Der langjährige Vorsitzende des Humanistischen Verbands (HVD), Horst Groschopp, plädiert für einen Abschied des HVD von der säkularen Szene. In dessen Verbandszeitschrift diesseits heißt es: „Horst Groschopp forderte, im Verband auf den Gebrauch von Begriffen zu verzichten, durch welche die Angehörigen die nichtreligiöse Basis ihrer Weltanschauung betonen. Nur ein Humanismus, der sich nicht als säkular bezeichne, könne an den ethischen Kulturhumanismus anknüpfen, auf dem der Verband fuße. Es müsse dafür eine Abkehr von dem Humanismus-Verständnis geben, welches ... auch in der Internationalen und Ethischen Union die Oberhand habe. Es war ein erneuter entschiedener Appell gegen die Identifikation und Profilierung als Kulturorganisation und Interessenvertretung für nichtreligiöse Menschen.“
Ob er damit im HVD eine Mehrheit findet, ist fraglich. Aber Groschopp wäre nicht von 2004 bis 2010 Präsident geworden und geblieben, wenn diese Position nicht auch zahlreiche Anhänger hätte. Damit wird auch klar, warum sich dieser Verband in der Vergangenheit von diversen kirchenkritischen Aktionen wie Kirchenaustrittsinitiativen, Buskampagne u.v.m. ferngehalten oder sogar ausdrücklich distanziert hat.
Gerhard Rampp