Ausgangspunkt der Einwände des IBKA war die von Christine Buchholz erhobene Forderung, den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts auf weitere Religionsgemeinschaften, insbesondere die konservativen Islamverbände, auszuweiten. Mehrfach hatte sich die religionspolitische Sprecherin auch für die Einführung eines Islamischen Religionsunterrichts ausgesprochen. In seinem Schreiben gibt der Atheisten-Verband zu bedenken, dass die Religionsfreiheit muslimischer Schulkinder (oder derjenigen, die vom Staat als solche eingestuft werden) dadurch eingeschränkt würde, da sie „unter Bekenntnis- und Konformitätsdruck“ gesetzt würden. „War es bisher ohne großen Aufwand möglich, Dissidenz oder Apostasie zu verbergen, ist ab dem Moment ein öffentlich sichtbares Bekenntnis gefordert. Wer das nicht will, muss in den Religionsunterricht gehen und seine tatsächlichen Ansichten verschweigen.“
Als Grundproblem benennt der IBKA den Körperschaftsstatus: „Denn das Modell, Religionsgemeinschaften als Körperschaft des öffentlichen Rechts aufzufassen, bildet die gesellschaftlichen Verhältnisse des 19. Jahrhunderts ab. Der korporatistische Ansatz befördert autoritäre Ordnungsvorstellungen und setzt Minderheiten und Dissidenten unter Legitimationszwang.“ In diesem Zusammenhang kritisiert der IBKA, dass auf Veranstaltungen der Linkspartei auch Stimmen ein Podium gegeben wird, die Kritik an gesellschaftlichen Vorstellungen der religiösen Rechten, sofern diese muslimisch begründet werden, als Rassismus zu denunzieren. Es sei falsch, laizistische Gesellschaftsmodelle als „Diskriminierung“ religiöser Minderheiten darzustellen, denn tatsächlich würden sie „die Gleichheit der Individuen wie auch der zivilgesellschaftlichen Kräfte gewährleisten“.
Der Brief schließt mit der Hoffnung, die Linkspartei könne zu der Position zurückkehren, „dass Freiheit und Gleichheit für alle ein Projekt gesellschaftlicher Veränderung ist und nicht durch Integration in die herrschenden Verhältnisse erreicht werden kann“ und der Forderung, die Bundestagsabgeordneten der Linkspartei sollten einen Diskussionsprozess einleiten, „um zu klären, ob die Forderung nach einer Ausweitung des
Körperschaftsstatus auf weitere Religionsgesellschaften gesellschaftlichen Fortschritt und individuelle Emanzipation fördert oder nicht eher die Anliegen der religiösen Rechten bedient“.
Aus der Fraktion erhielt der IBKA
drei Rückmeldungen auf seine Stellungnahme. Der bayerische Abgeordnete Andreas Wagner dankte knapp für die Zuschrift und teilte mit, dass er einen Ethikunterricht dem konfessionsgebundenen Unterricht vorziehe.
Auch die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke wandte sich gegen die Einführung eines verpflichtenden Islamunterrichts. Auch wenn die Forderung für sie „im Sinne der grundgesetzlich gebotenen Gleichbehand- lung der verschiedenen Glaubensgemeinschaften“ nachvollziehbar erscheint, sei ihr die Trennung von Schule und Kirche wichtiger. Ein Fach wie Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) könne Kinder über Religionen, Weltanschauungen und Philosophie aufklären. Eine klare Position bezog Jelpke gegenüber den konservativen Islamverbänden. Die viele der Organisationen „eine reaktionäre politische Agenda“ verfolgen, sei es falsch, ihnen den Körperschaftsstatus anzutragen.
Das Antwortschreiben von Christine Buchholz bestätigte die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe weitestgehend. In ihrem Brief ist durchgehend von Religions-, teilweise auch Weltanschauungsgemeinschaften die Rede, an keiner Stelle aber von Individuen. Die individuelle Religionsfreiheit spielt in ihren Überlegungen keine Rolle (hier trifft sich ihre Position mit den gesellschaftlichen Vorstellungen der religiösen Rechten). Sie betont, dass im Bundestagswahlprogramm der Linken die „rechtliche Gleichstellung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“ angestrebt wird, und suggeriert, dass sich daraus zwingend ergebe, dass diejenigen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die den Körperschaftsstatus bislang noch nicht haben, damit ausgestattet werden müssten. Auf die vom IBKA vorgetragene inhaltliche Kritik an einer solchen rückwärtsgewandten Politik geht sie nicht ein. Am Ende bekennt sie sich offen zu ihrer Zusammenarbeit mit Vertretern reaktionärer Organisationen.
Die Antworten verdeutlichen: In Partei und Fraktion gibt es zu den vom IBKA aufgeworfenen Fragen unter- schiedliche Positionen. IBKA-Geschäftsführer Rainer Ponitka rechnet damit, dass noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten ist. Denn die „Antworten der Abgeordneten der Linken könnten kaum unterschiedlicher ausfallen. Dadurch wird klar, dass in der Fraktion keine einheitliche Meinung zum Thema ‘emanzipatorische Religionspolitik’ vorherrscht. Ich sehe das als Motivation für den IBKA, seinen säkularen Ansatz auch weiterhin bei Mandatsträgern vorzutragen und dort aufklärend zu wirken.“