Neulich | Veröffentlicht in MIZ 4/22 | Geschrieben von Daniela Wakonigg

Neulich …

… beim Ex-Papst

Ausgerechnet am Silvestermorgen platzte er herein: Der Tod von Ex-Papst 
Benedikt XVI. alias Joseph Ratzinger. Und das, wo nach zwei Jahren Corona­beschränkungen Viele bereits in Böller- und Rudelsauf-Laune waren, das vorprogrammierte seichte Silvester­programm über die Fernseh­bild­schirme flimmerte und die Redaktionen „zwischen den Jahren“ nur zur Hälfte besetzt waren. Die Wenigen zum Silvesterdienst verdonnerten schienen die Nachrufe denn auch weitgehend voneinander abzuschreiben – so jedenfalls der Eindruck, als der Ex-Ratzinger in allen Medien plötzlich als „großer Denker und Theologe“ in den Himmel gelobt wurde.

Wer das Wirken Ratzingers kritisch verfolgt hatte, konnte sich ob dieser unfassbaren Lobhudelei nur die Augen reiben. Und das Augenreiben ging weiter als die deutsche Bundesinnenministerin schließlich Trauerbeflaggung anordnete. Ja, Trauerbeflaggung, für das Oberhaupt eines fremden Staats und einer Religion, der in Deutschland nur noch rund ein Viertel der Bevölkerung angehört. Auf dem Papier wohlgemerkt, der Großteil davon Karteileichen. Doch damit nicht genug: Als Papa Ratzi wenige Tage später mit Glanz und Gloria im Vatikan beigesetzt wurde, waren sämtliche Oberhäupter der Bundesrepublik zugegen. Überhaupt eine merkwürdige Veranstaltung diese katholische Trauerfeier für Benedetto auf dem Petersplatz. Wozu der Pomp und die Trauer um die Leiche eines alten, ausgemergelten Mannes, den man in bunte Kleider gesteckt hatte und dessen Gesicht wie das einer schlechten Wachsfigur wirkte? Warum dieser katholische Zinnober um tote Leiber, wenn doch das, was zählt, die Seele, diese angeblich längst verlassen hat? Warum überhaupt Trauer, wenn dem Menschen mit dem Tod doch das Bestmögliche überhaupt passiert ist: dass er nun endlich das irdische Jammertal verlassen hat und bei Gott ist?
In einem allerdings sind sich streng gläubige Katholiken wohl ganz sicher: Dem Ansehen eines Papstes darf nicht geschadet werden. Und wenn er tot ist, erst recht nicht. Mit dieser Erkenntnis wurde das Online-Magazin queer.de konfrontiert. Das Magazin hatte den verstorbenen Papst Benedikt XVI. in einem Nachruf als „einen der größten queerfeindlichen Hetzer“ bezeichnet und ihm anhand zahlreicher Belege „Homohass als Markenzeichen“ attestiert. Einige Tage nach der Veröffentlichung wurde die Redaktion von der Polizei Berlin informiert, dass man Ermittlungen gegen das Online-Magazin eingeleitet habe wegen „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“. Da es sich hierbei um ein sogenanntes Antragsdelikt handelt, muss jemand gegen queer.de Anzeige erstattet haben. Die Antwort auf die Frage, wer dies getan hat, könnte jedoch noch einiges an Sprengkraft besitzen. Antragsberechtigt sind nämlich nur nahe Angehörige und Lebenspartner oder Dienstvorgesetzte. Hatte Benedikt etwa uneheliche Kinder oder eine geheime Lebenspartnerschaft? Die andere Möglichkeit scheint schließlich unvorstellbar, denn wer außer Gott persönlich wäre wohl der Dienstvorgesetzte eines Papstes …?