Frank Bsirske / Ellen Paschke / Berno Schuckart-Witsch (Hrsg.): Streiks in Gottes Häusern. Protest, Bewegung, Alternativen in kirchlichen Betrieben. VSA Verlag, Hamburg 2013. 214 Seiten, kartoniert, 14,80 Euro, ISBN 978-3-89965-553-7
Die Öffentlichkeit wurde durch zahlreiche Medienberichte für das Thema kirchliches Arbeitsrecht sensibilisiert und mobilisiert. Vielen Menschen in Deutschland war bisher kaum bekannt, dass etwa eine Million Arbeitnehmer_innen – die Kirchen sprechen lieber von Dienstnehmer_innen – in Krankenhäusern, Kitas, Schulen, Pflegediensten sowie in Verlagen, Versicherungen, Radiosendern, Hotels, Banken und IT-Unternehmen unter der Maßgabe eines so genannten „Dritten Weg“ arbeiten. Für sie gilt eine arbeitsrechtliche Sonderstellung, die auf der Welt einzigartig und mit modernem Arbeitsrecht nicht vereinbar ist. Zu Recht wird hier von „vordemokratischen, autoritären Verhältnissen“ (Frank Bsirske) gesprochen.
Kirchliche Würdenträger und Funktionäre haben bekanntermaßen eine ganz eigene Sicht auf die Realität ihrer Unternehmen, was sich an ihren Kommentaren und Meinungen sehr schön exemplifizieren lässt. So erklärte der Hannoveraner Landesbischof Ralf Meister, dass mit „unserem diakonischen Auftrag und dem partnerschaftlichen Verhältnis zu den Mitarbeitern (...) ein Arbeitskampf unvereinbar“ sei. Bezeichnend hier ist das doch sehr eigenwillige Verständnis von Partnerschaft, setzt es doch voraus, dass auf Augenhöhe verhandelt und gearbeitet wird. In kirchlichen Einrichtungen gilt jedoch bis heute, dass Mitarbeiter_innen weniger an ihrer Kompetenz als Arbeitnehmer_innen denn an ihrer Konfessionszugehörigkeit gemessen werden. Das Recht auf arbeitnehmerische Selbstbestimmung, insbesondere das Streikrecht, wird den Mitarbeiter_innen abgesprochen. Der Leiter der Diakonie Niedersachsens, Christoph Künkel, geht sogar noch weiter als Meister. „Streik ist ein Relikt alter Industriekultur und passt nicht ins 21. Jahrhundert.“
In dem vom Ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske mit herausgegebenen Band Streiks in Gottes Häusern beschäftigen sich die Autor_innen mit den Strukturen in kirchlichen Einrichtungen, zeigen Defizite auf, erklären die Rolle der Kirche als Unternehmen und diskutieren Perspektiven für die zukünftige Ausgestaltung arbeitsrechtlicher Fragen, auch im Hinblick auf die europäische Perspektive. Die zahlreichen Aufsätze werden durch die Perspektive der Beschäftigten erweitert. So werden durch Corinna Gekeler die Ergebnisse der Studie Loyal dienen vorgestellt, die eine notwendige Erweiterung für die Diskussion darstellt. Ergänzt wird dies durch Interviews mit Beschäftigten, die die gleichen Rechte wie ihre Kolleg_innen in öffentlichen und privaten Einrichtungen fordern.
Der Sammelband zeigt, dass die von der Politik zementierte Sonderrolle der Kirchen längst überholt ist und die Kirchen gut beraten sind, auf die Gewerkschaft zuzugehen. Die Politik sollte diesen Band ebenfalls zur Kenntnis nehmen und die Chance nutzen, um das Konstrukt des Staat-Kirchen-Verhältnisses grundsätzlich zu überdenken.