In ihrer Einführung skizzierte MIZ-Redakteurin Nicole Thies nocheinmal die Motivation der Redaktion, sich des Themas anzunehmen. Zum einen ist die Frage, wie die Interessen der Konfessionslosen bzw. säkular eingestellter Menschen wirkungsvoll vertreten werden können, welche Strategie dafür am effektivsten ist, für die gesamte säkulare Szene von großem Interesse: Wie können die (überschaubaren) Ressourcen gebündelt werden, um möglichst viel Aufmerksamkeit auf eine säkulare Agenda zu lenken. Zum anderen sollte damit in der säkularen Szene vernehmbare Kritik aufgenommen werden (dazu gehört auch die Frage nach den Gründen, warum drei Verbände aus dem Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KorsO) den Schritt zum Zentralrat nicht mitvollzogen haben): Ist der Zentralrat breit genug aufgestellt, um das säkulare Spektrum glaubwürdig repräsentieren zu können? Und: Wie wirkt sich die mit der Professionalisierung verbundene Zentralisierung (ein hauptamtlicher An gestellter vertritt die manchmal auch auseinanderlaufenden Positionen aller) aus?
Viele fanden den kritischen Ansatz
der MIZ unangemessen, hätten sich mehr Rückenwind für das neue Gremium gewünscht. Es sei doch eine begrüßenswerte Entwicklung, so der
IBKA-Regionalbeauftragte für Hamburg, Gerhard Lein, dass der Zentralrat nicht mehr „nur Koordinationsrat“ sei, sondern aus eigener Kompetenz heraus handeln könne. Außerdem könnte es insbesondere für kleinere Organisationen, die nicht in der Lage sind, eine eigenständige Lobbyarbeit durchzuführen, interessant sein, sich durch den Zentralrat vertreten zu lassen. Aber die MIZ bevorzugt nun mal den „problemzentrierten Ansatz“ gegenüber dem „lösungszentrierten Ansatz“, wie Michael Schmidt-Salomon völlig richtig anmerkte (der selbst ein Jahrzehnt lang Chefredakteur der MIZ war).
Größeren Raum nahm die Behandlung der Frage ein, ob der Zentralrat das säkulare Spektrum angemessen repräsentiere. Sowohl der Humanistische
Verband Deutschland (HVD) als auch der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW) und der Deutsche
Freidenker-Verband (DFV) hatten sich nicht zu einer Beteiligung am Zentral-
rat entschließen können. Für Horst Groschopp, zumindest was den HVD angeht, eine nachvollziehbare Entscheidung. Denn dessen (einer Konfession sehr ähnliche) Humanismusvorstellungen seien unter dem Dach der „Säkularität“ nicht optimal aufgehoben: „Säkularer Humanismus geht eigentlich gar nicht“, so der Humanismusforscher.
Über die Frage der Legitimation gingen die Meinungen auseinander. Für Schmidt-Salomon gewinnt der Zentralrat seine repräsentative Legitimation dadurch, dass er gut begründete Positionen vertritt und dabei eine gesellschaftlich relevante Gruppe repräsentiert. Gunnar Schedel hielt dagegen, dass in der Politik sehr wohl wahrgenommen werde, dass es neben dem Zentralrat bedeutsame Organisationen gebe, die in wichtigen Fragen andere Positionen beziehen, dass es also schwierig sei, sich als zentrale Vertretung darzustellen.
Die Meinungsbildungprozesse innerhalb des Zentralrats seien demokratisch, betonte Schmidt-Salomon. Alle könnten sich bei den Workshops einbringen, am Ende wirke das bessere Argument. Assunta Tammelleo hingegen forderte eine bessere Einbindung der Mitgliedsverbände und konkretisierte ihre Kritik am Beispiel der Pressearbeit das jüngste bayerische Kruzifixurteil betreffend.
Also, Philipp, der Streit geht weiter.