Staat und Kirche | Veröffentlicht in MIZ 1/23 | Geschrieben von Redaktion MIZ

Wie geht’s weiter mit dem Zentralrat der Konfessionsfreien?

Auf der MIZ-Feedback-Konferenz wurde über die Zukunft säkularer Lobbyarbeit kontrovers diskutiert

Ist der Zentralrat der Konfessionsfreien ein guter Weg zu mehr Wahr­nehmbarkeit säkularer Anliegen oder führt das Konzept eher in eine Sackgasse? Dieser Frage war Heft 4/22 in zwei Beiträgen und einem Interview mit dem Zentralratsvorsitzenden Philipp Möller nachgegangen. Auf der Feedback-Konferenz, die Mitte Februar online stattfand, beteiligten sich nicht nur Mitglieder des 
Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), sondern auch Aktive aus anderen Verbänden. Entsprechend kontrovers verlief die Debatte.

In ihrer Einführung skizzierte MIZ-Redakteurin Nicole Thies nocheinmal die Motivation der Redaktion, sich des Themas anzunehmen. Zum einen ist die Frage, wie die Interessen der Konfessionslosen bzw. säkular eingestellter Menschen wirkungsvoll vertreten werden können, welche Strategie dafür am effektivsten ist, für die gesamte säkulare Szene von großem Interesse: Wie können die (überschaubaren) Ressourcen gebündelt werden, um möglichst viel Aufmerksamkeit auf eine säkulare Agenda zu lenken. Zum anderen sollte damit in der säkularen Szene vernehmbare Kritik aufgenommen werden (dazu gehört auch die Frage nach den Gründen, warum drei Verbände aus dem Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KorsO) den Schritt zum Zentralrat nicht mitvollzogen haben): Ist der Zentralrat breit genug aufgestellt, um das säkulare Spektrum glaubwürdig repräsentieren zu können? Und: Wie wirkt sich die mit der Professionalisierung verbundene Zentralisierung (ein hauptamtlicher An
gestellter vertritt die manchmal auch auseinanderlaufenden Positionen aller) 
aus?

Viele fanden den kritischen Ansatz 
der MIZ unangemessen, hätten sich mehr Rückenwind für das neue Gremium gewünscht. Es sei doch eine begrüßenswerte Entwicklung, so der 
IBKA-Regional­beauftragte für Ham­burg, Gerhard Lein, dass der Zentralrat nicht mehr „nur Koordination­srat“ sei, sondern aus eigener Kompetenz heraus handeln könne. Außerdem könnte es insbesondere für kleinere Organisationen, die nicht in der Lage sind, eine eigenständige Lobbyarbeit durchzuführen, interessant sein, sich durch den Zentralrat vertreten zu lassen. Aber die MIZ bevorzugt nun mal den „problemzentrierten Ansatz“ gegenüber dem „lösungszentrierten An­satz“, wie Michael Schmidt-Salomon völlig richtig anmerkte (der selbst ein Jahrzehnt lang Chefredakteur der MIZ war).
Größeren Raum nahm die Behand­lung der Frage ein, ob der Zentralrat das säkulare Spektrum angemessen re­präsentiere. Sowohl der Humanisti­sche 
Verband Deutschland (HVD) als auch der Dachverband Freier Welt­an­schau­ungs­gemeinschaften (DFW) und der Deutsche 
Freidenker-Verband (DFV) hatten sich nicht zu einer Beteiligung am Zentral­-
rat entschließen können. Für Horst Groschopp, zumindest was den HVD angeht, eine nachvollziehbare Ent­scheidung. Denn dessen (einer Kon­fession sehr ähnliche) Humanis­mus­vorstellungen seien unter dem Dach der „Säkularität“ nicht optimal aufgehoben: „Säkularer Huma­nis­mus geht eigentlich gar nicht“, so der Humanismusforscher.
Über die Frage der Legitimation gingen die Meinungen auseinander. Für Schmidt-Salomon gewinnt der Zentralrat seine repräsentative Legi­ti­mation dadurch, dass er gut begrün­dete Positionen vertritt und dabei eine gesellschaftlich relevante Gruppe repräsentiert. Gunnar Schedel hielt dagegen, dass in der Politik sehr wohl wahrgenommen werde, dass es neben dem Zentralrat bedeutsame Organi­sationen gebe, die in wichtigen Fragen andere Positionen beziehen, dass es also schwierig sei, sich als zentrale Vertretung darzustellen.
Die Meinungsbildungprozesse innerhalb des Zentralrats seien demokratisch, betonte Schmidt-Salomon. Alle könnten sich bei den Workshops einbringen, am Ende wirke das bessere Argument. Assunta Tammelleo hingegen forderte eine bessere Einbindung der Mitgliedsverbände und konkretisierte ihre Kritik am Beispiel der Pressearbeit das jüngste bayerische Kruzifixurteil betreffend.
Also, Philipp, der Streit geht weiter.